Genuss im Gesamtkontext zwischen ökologischer und sozialer Verantwortung und ein Blick auf die Food-Trends, die unsere Ernährung in Zukunft mitbestimmen sollen, erwartet diejenigen die sich auf die Trend-Tour auf der Grünen Woche in Berlin machen. Wir haben die Tour ausprobiert.
In regenerativen Pommesschalen warten Buffalowurm-Flips und geröstete Grillen in allerlei Geschmacksrichtungen am Stand des Insektenfood-Startups Insnack. Seit 2018 durch die Novel-Food-Verordnung als „neuartige Lebensmittel“ gezählt, warten die Krabbeltiere auf europaweite Zulassung und ihren kulinarischen Durchbruch. Noch kommen sie gefriergetrocknet aus anderen Ländern der Europäischen Union wie Belgien, Niederlande oder Frankreich. Doch bereits jetzt hat in der Nähe von Köln eine Insektenfarm eröffnet und auch hier in der Region gibt es Verhandlungen mit den ersten Landwirten. Man kann nicht sagen, dass sie nicht schmecken. Besonders die Würmer-Flips können mit ihrem Erdnusspendant kulinarisch locker mithalten, in ihrer Nährstoffstruktur sind sie dem Partyklassiker haushoch überlegen. Und was die Überwindung betrifft: Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass sich mit Algen umwickelte Reishäppchen mal etablieren würden, gibt Gründer Marc Schotter zu Bedenken.
Genuss bewusst
In der Halle vom Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit ergibt sich, wie bei der Klimatour, auch bei der Trendtour die Gelegenheit, durch das Sammeln von Stempeln im Eine-Welt-Reisepass Bäume in Nordvietnam pflanzen zu lassen. Bei den Gesprächen wird diesmal sehr deutlich, wie nah Genuss und sozial-ökologische Verantwortung beieinander liegen. Man denke nur an den Anbau von Kakao für Schokolade und von Kaffee, beides Produkte, auf die wir regional nicht zugreifen können. Bei der Andreas-Hermes-Akademie werden die Erfahrungen aus 70 Jahren Aufklärungsarbeit deutscher Landwirte in betriebswirtschaftliche und sozialer Führung in Indien und Afrika umgesetzt, um so die Subsistenzlandwirtschaft ökonomisch nachhaltig auszubauen.
Auch die KfW-Bank und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit nutzen ihre Erfahrungen für den infrastrukturellen Ausbau. Der Africa Agriculture Trade and Investment Fund (AATIF) ist nicht nur ein attraktiver Investment-Case, sondern bietet im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsrichtlinien Projekten in Afrika Mikrokredite an. In diesem Zusammenhang überrascht die Quote der in Deutschland verzehrten nachhaltigen Schokolade von 55 Prozent. Kakao ist einer der wichtigsten Exportagrarprodukte Afrikas. Mit einer Schale köstlicher frischer Ananas und darüber gestreuten Kakaonibs konnte man auf der Grünen Woche den nachhaltigen Anbau direkt genießen.
Mikroalgen aus Tunesien
Auch das Bundesministerium selber belässt es nicht bei Zahlen und Fakten, sondern präsentiert in einer Waldbar nahe der Klimabubble Köstlichkeiten aus den Tropen: Getrocknete Ananas und Papaya, Nüsse und eine litschiähnliche Frucht namens Longan.
Einer Insel ähnlich nutzen afrikanische Anbieter direkt die Chance, ihre Produkte zu präsentieren. Überraschenderweise produziert so beispielsweise Tunesien Spirulina, die Mikroalge, die auch bei uns im Kommen ist. Beim World Food Programme, dessen Stand als zentrales Thema den Hunger in der Welt und seine Ursachen aufgreift, hat man die Möglichkeit, nach erfolgreichem Quiz und angeregtem Gespräch ein Kochbuch zu gewinnen, mit raffinierten Rezepten afrikanischer Köche. Durch die insgesamt anregende Recherche wurden diesmal – im Vergleich zu unserer vorhergehenden Klimatour – immerhin zwei Bäume gepflanzt.
Kunterbunt und fleischbefreit
Nachhaltiger Genuss bestimmt auch das Angebot am Stands des Lebensmittelverbands Deutschland und der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie zur Frage „Wie schmeckt die Zukunft?“. Als einer der Mitaussteller kann Nestlé hier mehrheitlich mit neuen veganen Bartwürstchen auf Sojabasis den Geschmack der Besucher treffen, die im Vergleich wirklich andere oftmals trockene Tofuwürstchen in den Schatten stellen.
Algenfarmer Jörg Ullmann führt die Besucher am Stand und in der Showküche in die Welt der Algen ein und färbt seine Desserts in die magischen Farben des Regensbogens, und das rein natürlich.
Frische Fische fischt…
Ausgesprochen köstlich ging es bei der nächsten Station weiter: Das Fisch-Informationszentrum präsentiert eine breite Auslage mit 76 Fischen regionaler und exotischer Herkunft sowie Meeresfrüchten.
Der Moderator bietet dem Publikum ausführliche Warenkunde. Dr. Fabian Schäfer vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei erklärt, dass über die Hälfte aller Fische aus Zuchtbetrieben kommen. Neben der Warenkunde bekommen die Besucher auch hilfreiche Tipps, wie die richtige Umsetzung beim Fischfiletieren beispielsweise funktioniert. Großen Anklang fand auch die Kostprobe mit gebratenem Zander mit Meerrettichsoße – köstlich!
Die ganze Welt in einem Topf
Darüber hinaus bietet die Grüne Woche selbstverständlich wie jedes Jahr kulinarische Entdeckungen für jeden Gaumen an jeder Ecke. Über Länder und Kontinente hinweg, oder direkt vor der Haustür, finden die Besucher Köstlichkeiten. So ist beispielsweise jene französische Waffel in Eiffelturmform, tropfnass vom Bad im Brunnen mit weißer Schokolade, ein unwiderstehlicher Genuss.
Wo sonst hat man die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit ins Gespräch mit Menschen so unterschiedlicher Herkunft zu kommen – und über Essen lässt sich wahrlich doch immer leicht mit jedem reden.
Artikelbild (oben): Tobias Rücker / Lebensmittelverband Deutschland
Welche Trends es im Bereich Getränke zu entdecken gibt, zeigt das folgende Video von der Grünen Woche: