Pommes frites – als Fastfood öffentlich geschmäht, aber doch die heimliche Leidenschaft vieler. Sie sind der perfekte Begleiter zur Currywurst, unentbehrlich als „Pommes Schranke“ auf der „Assiplatte“, aber auch zu Champagner, wie die Luxusmarke Moët & Chandon vor wenigen Jahren im Interview kolportierte. Lebensmittelmagazin.de sucht nach Tipps und Tricks für die besten DIY-Pommes.
Die Frittenverkäuferin drehte aus dem Zeitungsbogen, es mag der Guardian gewesen sein, eine stabile Spitztüte, die sie mit brutzelnd-knusprigen, dünnen Pommes frites füllte. Sie legte ein paar Backfischhappen obendrauf, zuvor spritzte sie aus der Plastikflasche Branntweinessig darüber, Dampf stieg auf. Die krossen, essigsauren Fritten reizten den Gaumen im Kontrast zum fettigen Fisch. Das war die erste Begegnung als junger Teenager mit der britischen Pommes Variante als Fish ’n Chips im German Headquarter der britischen Alliierten in Mönchengladbach, mitgenommen auf dem väterlichen MZ-Motorrad zum Ausflug in die englische Enklave. „Bah!“, schüttelt sich Daniel Schade, Vizepräsident des Verbands der Köche Deutschlands am anderen Ende des Telefons beim Gedanken an Essig auf Pommes. Doch dann lenkt er ein: „Deutschland ist geteilt in Team Mayo und Team Ketchup. Mayonnaise wird ja auch mit Essig aromatisiert“.
Hunger auf Pommes
In der Bundesrepublik herrscht Pommesentzug, denn Kantinen und sonstige Gastronomie ruhen Corona-bedingt weitgehend. Und ganz ehrlich, wer möchte die Pommes nach halber Stunde Fahrzeit vom Lieferservice noch essen? In der Berliner Industrie- und Handelskammer wartet Daniel Schade zum gemeinsamen Pommes-frites-Ausbacken in der Großküche, in der sonst die Abschlussprüfungen der auszubildenden Köche abgenommen werden. Die heutige Aufgabe lautet: Bestmögliche Pommes herzustellen, so simpel wie möglich, aber selbstgemacht; sowohl in der Fritteuse, als auch im Backofen. Angesprochen auf Heißluftfritteusen winkt der Koch ab: „Pommes frites werden knusprig und goldgelb, wenn die in der Kartoffel enthaltenen Polysaccharide karamellisieren. Das nennt man Maillard-Reaktion. Dafür benötigt man das Fett als Hitzetransmitter. Eine Kartoffel in heißer Luft trocknet nur aus“. (Anmerkung der Redaktion: Wenn Lebensmittel, die bestimmte Zucker wie Glucose und Fructose sowie die Aminosäure Asparagin enthalten, auf über 120 Grad erhitzt werden, wie z. B. beim Frittieren von Pommes frites, entsteht Acrylamid. Deshalb sollte immer darauf geachtet werden, die Lebensmittel bei der Zubereitung nicht zu stark zu erhitzen oder zu dunkel werden zu lassen).
Auf die Dicke kommt es an
Zunächst schneidet der Koch ein Zentimeter dicke Pommes frites aus den rohen, festkochenden Kartoffeln und lässt sie auf Küchenkrepp abtropfen. „Ob die Pommes frites knusprig oder mit cremigem Inneren, wie bei belgischen Pommes frites, werden, hängt von der geschnittenen Dicke ab.“ Danach schneidet er rasch eine weitere Kartoffel in Julienne-Streifen (Bei der Julienne-Schneideart wird das Gemüse in kleine, feine und rechteckige Streifen geschnitten. Diese Streifen sind 1,5−3 mm breit und 3–5 cm lang) und wirft diese in eine mit Rapsöl erhitzte Kasserolle. „Ursprünglich nimmt man Rindernierenfett, riecht furchtbar, aber das Ergebnis schmeckt köstlich.“ Kurz brodelt das Fett auf und nach einigen Sekunden schwimmt knusprig-goldenes Kartoffelstroh an der Oberfläche des Fetts. „Das wäre jetzt weniger eine Beilage, als vielmehr Knusper zum drüber streuen“, meint Daniel Schade. Die abgetropften Kartoffelstäbchen werden für ungefähr drei Minuten anfrittiert, bevor sie zum Abkühlen in den Kühlschrank kommen. „Die Temperatur des Fetts sollte nicht über 120 Grad Celsius liegen, um zu verhindern, dass sich krebserregendes Acrylamid bei höheren Temperaturen bildet. Außerdem kann man über die Temperatur die Farbe der Pommes frites regulieren“, weiß der Experte.
Von wegen Genuss ohne Reue
Derweil soll noch ein Rezept für hausgemachte Backofenpommes von einer vertrauenswürdigen Internetseite getestet werden. Dafür werden die Fritten zunächst mit kochendem Wasser übergossen und für eine Viertelstunde blanchiert. Danach werden sie in einer Marinade aus Mehl, Öl und Gewürzen gewälzt und kommen für eine halbe Stunde bei 180 Grad Umluft in den Backofen. Ein paar der vorblanchierten Pommes frites hält Daniel Schade allerdings zurück: „Die frittieren wir so aus“.
Die inzwischen abgekühlten Pommes frites dürfen ein weiteres Mal für ein paar Minuten ins Fettbad bis sie goldgelb sind. Der Koch erklärt: „Der erste Frittiergang ersetzt das Blanchieren. Pommes frites werden klassisch in mehreren Gängen frittiert. Würde man sie so ausbacken, bestünde das Risiko, dass sie außen verbrannt und innen noch roh sind“. Tatsächlich sind die Pommes bei der ersten Verkostung zwar äußerlich kräftig gelb, aber innen etwas bissfest, also noch eine Runde.
Als Daniel Schade die vorblanchierten Pommesstäbchen in die Fritteuse gibt, spritzt es enorm, Wasser und heißes Fett, eine nicht ungefährliche Kombination. Sobald sie goldgelb sind, nimmt er sie raus und würzt sie mit Salz. Große Enttäuschung, zwar sind die Pommes gar, im Inneren sind sie aber labberig und vor allem durch das heiße Wasserbad geschmacklos. Die klassischen Pommes frites sind nach dem dritten Gang richtig vergoldet und genauso wie sie sich anzufühlen und zu schmecken haben, außen knusprig, innen süßlich-cremig – sehr lecker!
Fehlen nur noch die Backofenpommes. Auch wenn sie beim Blick in den Ofen schon appetitlich ausschauen, so verheißt bereits der mangelnde Backduft nichts Gutes. Und tatsächlich, nach Ablauf der Backzeit kommt man zum Schluss, das vom oft empfohlenen Blanchieren selbstgemachter Pommes abzuraten ist, zwar schmeckt die Außenhülle ganz passabel, das schale Innere lässt jede Pommeslust allerdings vergehen – ein großer Aufwand für nichts. Aber ist davon auszugehen, das im Privathaushalt derartige mehrgängige Frittierorgien veranstaltet werden, nur um in den flüchtigen Genuss von Pommes frites zu kommen? Der Vizepräsident des Verbands der Köche Deutschlands grinst: „Vielleicht sollte man in derartigen Situationen doch besser auf industriell hergestellte Convenience-Produkte für den Backofen zurückgreifen oder sich besser noch direkt an die Imbissbuden des Vertrauens wenden, die während des Corona-Lockdowns geöffnet haben dürfen“.
Haupt-Artikelbild (oben): PhotoSG – stock.adobe.com