Von einer Schottlandreise voreingenommen und durch eine grausig-sprittige Begegnung beim Brandenburgischen Stadtfest abgeschreckt, die Vorbehalte gegenüber deutschem Whiskey sind groß. Durch einen Tipp stieß Lebensmittelmagazin.de auf die brandenburgische Whiskeybrennerei Stork Club, bereit zum Abbau von Vorurteilen.
Im unteren Spreewald, zwischen Auwiesen und Mischwäldern, findet man in Schlepzig, etwa eine Stunde von Berlin entfernt, den Dreiseitenhof vom Stork Club. Hier brennen die Spreewood Distillers, Steffen Lohr und Bastian Heuser, laut World Whiskies Awards den besten Roggenwhiskey der Welt. Von Haus aus Bartender und Mitbegründer der „Bar Convent Berlin“, Fachmesse für Bar- und Getränkeindustrie, gründeten die beiden 2014 zunächst mit dem dritten Kompagnon Sebastian Brack die auf Spirituosen spezialisierte Agentur „Small Big Brands“. „Ursprünglich wollten wir nur ein Fass preußischen Whiskey kaufen. Stattdessen wurden wir nach Schlepzig verwiesen und kauften anstelle eines Fasses die ganze Distillerie. Da sieht man mal, was man für sein Geld bekommt“, lacht Steffen Lohr.
Aus regionalem Roggen
Die Whiskey-Destille wurde bereits 2004 unter der Marke SpreewalDini mit dem Single Malt Sloupisti in Schlepzig aufgebaut. Die Spreewood Distillers GmbH brennt hier jetzt Roggenwhiskey. Lohr ist überzeugt: „In einem nicht-traditionellen Whiskeyland ist es nicht sinnvoll, schottische Gepflogenheiten einfach zu kopieren, das kann nur nach hinten losgehen. Wir gehen von der regionalen Besonderheit Brandenburgs aus, wie beispielweise der Brotkultur. Brandenburger Boden ist sandig und Roggen ist ein recht anspruchsloses Getreide, das hier verbreitet angebaut wird. Der Roggen, der für unseren Whiskey gebrannt wird, stammt von der Agrargenossenschaft Dürrenhofe, etwa drei Kilometer von hier entfernt.“ Die Tradition des Rye Whiskey stamme aber eher aus Amerika, in Europa gäbe es lediglich sieben Roggenwhiskeybrennereien mit dem Fokus auf Roggenwhiskey. Beim Whiskeybrennen gäbe es beim Roggen einen großen Unterschied zur konventionellen Gerste. Steffen Lohr erklärt: „Das Roggenkorn enthält keinen Mehlkörper, wie die Gerste. Die Gerstenspelze bilden einen natürlichen Filter, um aus der Maische die dünnflüssige brennfähige Würze zu gewinnen. Beim Roggen würde ein Filter durch die Pentosane (Klebeeiweisse) sofort verkleben. Deswegen brennen wir direkt die Maische.“
Wie leckerer Porridge
Der Roggen wird in der hauseigenen Hammermühle gemahlen und als Roggenrohfrucht mit technischen Enzymen in Ein- und Zweifachzucker aufgespalten. Für Rye Malt nehmen die Spreewood Distillers eine individuelle Mischung aus zwei Dritteln hellem Roggenmalz und einem Drittel Karamell- und Röstroggen aus einer Bamberger Mälzerei. Mit heißem Wasser eingemaischt kommen die 2.500 Liter-Bottiche in 62 bzw. 72 Grad heiße Rasten. „Das duftet dann wie leckerer Porridge“, beschreibt Steffen Lohr. Vor der Zugabe der Hefe werden diese auf 34 Grad runtergekühlt. Vier bis fünf Tage fermentiert die Maische und acht bis zehn Volumenprozent Ethanol sowie CO2 entstehen. Dann wird die unfiltrierte Maische aufgeteilt und in beiden Hybrid-Brennblasen destilliert. „Das Destillat hat zunächst 90 Volumenprozent, sinkt aber innerhalb von vier Stunden auf 55 Prozent ab“, erklärt der Whiskeybrenner. Die mechanische Messuhr der einen Hybrid-Brennblase wurde vor über 100 Jahren von Siemens gebaut und ist seitdem quasi unkaputtbar. Energieeffizient und ressourcenschonend: Das beim Prozess erhitzte Kühlwasser wird später für die Maische oder zur Reinigung wieder zurückgeführt.
Probieren geht über Studieren
Mit dem Weindieb, einem Metallrohr zur Flüssigkeitsentnahme, schöpft Steffen Lohr aus den Bottichen mit den frischen Destillaten von Roggenmalz und Roggenrohfrucht Testproben ab. Das Roggenmalz-Destillat hat einen fruchtigen Geschmack. „Der stammt von der Hefe“, erklärt er. Die Roggenrohfrucht unterscheidet sich deutlich davon, mit pfeffrigem Aroma und einem komplexen, weniger fruchtigen Geschmack. Im Laufe der kommenden drei bis vier Jahre entwickeln die Whiskeys ihren Geschmack durch das Holz der Lagerfässer. „Hierfür nehmen wir Fässer aus deutscher Eiche und amerikanischer Weißeiche, die mittels Infrarot zuvor getoastet werden, für uns medium bis forte. Je dunkler die Fässer getoastet werden, umso karamelliger ist der Geschmack.“ Mit einer Besonderheit: Bei tiefschwarz getoasteten Fässern – den Toastgrad nennt man „Alligator Char“ – gibt das Holz etwas weniger Geschmack an den Whiskey ab, filtriert andererseits aber etwaige unerwünschte Stoffe raus. Auch hell getoastete Holzfässer geben Geschmack ab, das sind aber eher grüne Noten, kräutrig-frisch. Um die Unterschiede der amerikanischen bzw. deutsche Eiche zu demonstrieren, wird wieder verkostet. Der zweijährige Whiskey aus dem amerikanischen Fass ist fruchtig, wirkt süß mit Vanille-Noten. Dieses Holz hat mehr Lignin (verantwortlich für die Vanillenote) sowie weniger Tannine und Gerbstoffe. Whiskey aus der deutschen Eiche schmeckt wesentlich kräftiger. In der Ecke stehen ein paar Fässer, in denen ehemals Laphroaig (stark rauchiger Whiskey der schottischen Inseln) lagerte, das rauchige Aroma dieses Roggenwhiskeys bestätigt es.
Aus vielen eines
Beim Gang über die Anlage zeigt Lohr ein im Sherryfass (vorbelegt mit PX Sherry) ausgebauten Whiskey, der spektakulär karamellig und fruchtig schmeckt. „Du hast jetzt die einzelnen Komponenten unserer Blends gekostet, du kannst gespannt sein auf den Geschmack des fertigen Produkts“, verspricht der Whiskeyfachmann. „Den findest du in jeder guten Bar.“ Im Oktober wird Stork Club einen Rye Malt auf den Markt bringen – Rye Malt, nicht Single Malt, der Name ist Whiskey aus Gerste vorbehalten. Darüber hinaus hält der gelernte Barmann fertigen Whiskey Sour und mit Roséwein gemischten Rosé Rye im Sortiment parat. Der Stolz des Whiskey-Kreativen: „It’s all about the f******g Whiskey“.
Den Geschmack des Ryes mit konventionellem Whiskey zu vergleichen ist schwierig. Es geht vermutlich am besten über die Brotkultur, wie ein herbsäuerliches Roggenbrot im Vergleich zum Mischbrot.
Haupt-Artikelbild (oben): Spreewood Distillers GmbH