Eine Woche lang fuhr der Autor mit seiner Familie im Mietwagen durch Jordanien, eine der letzten stabilen Regionen im Nahen Osten. Dabei hat er keinerlei Entbehrungen gescheut – weder eiskalte Wüstennächte, mangelnden Strom oder fehlendes warmes Wasser – um einen Eindruck von der Esskultur der Beduinen zu gewinnen.
Behaglich knistert das Feuer und verbreitet aromatischen Rauch unter dem Zeltdach. Eigentlich sitzt man sehr gemütlich auf den Polstern zwischen den Kissen, nur die Oberschenkel schmerzen leicht vom Kamelritt durchs Wadi Rum. Der Beduine verteilt dampfende Teegläser auf seinem Messingtablett in der Runde, süß und bitter. Gastfreundschaft war Überlebensprinzip in der Wüste und wird bis heute gepflegt, erklärte bereits Stunden vorher Ahmed bei einem Glas Salbeitee mit Kardamom in seinem Wüstenzelt.
Essen wie Lawrence von Arabien
Das Abendessen duftet und lockt die Gäste an. Auf einem großen Grill brutzeln Lammspieße und Hühnerschenkel über dem offenen Feuer. Daneben werden auf einem Kuppelofen, dem Sagh, große hauchdünne Brote gebacken, Chirac. In großen Schwüngen wirbelt Thaha dafür den Teigfladen von einer Hand in die andere, bevor er auf der Kuppel knusprig gebacken wird.
Dazu gibt es Hummus, das auch bei uns inzwischen populäre Kichererbsenpüree, Schafsjoghurt, Muhammara, einen scharf marinierten Bulgur. Unter großen schummrigen Laternen schmeckt das einfache Essen fantastisch, kein Alkohol, nur Tee oder Wasser. Harris, der sehr süße Nachtisch mit Kokosflocken bildet den Abschluss, bevor man sich für den Rest des Abends wieder ans Feuer setzt. Über dem Beduinenlager leuchtet der prächtige Sternenhimmel auf dem Weg zum eigenen Zelt.
An der Feuerstelle des Ammarin-Stammes
In unmittelbarer Nähe zum weltberühmten Petra, liegt das Lager der Ammarin inmitten des Wadi Musa, zwischen Schafherden und archäologischen Ausgrabungen. Zum Empfang bringen die jungen Männer ein einfaches, aber eigentümliches Mittagsessen: In ein Viertel Khoubs, das flache arabische Brot, werden Gurken, Tomaten oder Ei geklemmt, bevor man es zuerst in Olivenöl dann in Zaatar, einer Gewürzmischung aus Sesam, Salz und Thymian, taucht.
Später nach Sonnenuntergang werden im großen Zelt die Laternen anzündet und Holzscheite beim Feuer nachgelegt. Behaglich kauern sich alle daran herum bis das Abendessen aufgetragen wurde: Makhloube, auf einer großen Platte türmt sich Reis gegart in Hühnerbrühe, geschmorter Blumenkohl und Huhn – Soulfood-Potenzial. Dazu gibt eine Shourba, Linsensuppe auf Basis der Hühnerbrühe – köstlich. Aus wenigen, einfachen Zutaten wird ein ganzes Menü zusammengestellt. Dazu gibt es selbstgemachten Joghurt aus der Milch der eigenen Schafe. Es wird jeden Abend für den ganzen Stamm gekocht und auch die Gäste der Beduinen bekommen dasselbe Essen.
Die beduinische Kaffeezeremonie
Einer der älteren Beduinen legt nach dem Essen Holzscheite nach und lädt die Gäste ein, sich zu ihm direkt ans Feuer zu setzen. Aus einem großen Sack schöpft er mehrere Handvoll grüne Kaffeebohnen in eine Röstpfanne, die er kontemplativ eine gefühlte Ewigkeit über dem offenen Feuer rührt bis ein wohliger Kaffeeduft durch das Zelt zieht.
Währenddessen erläutert er die Bedeutung beduinischer Gastfreundschaft: Das Feuer dient nicht nur als Ofen des Zeltes oder als Garstelle, sondern dient auch als Zeichen seiner Heimstatt. Umherziehende können den aufsteigenden Rauch über mehrere Kilometer hinweg erkennen und der Platz im Zelt am Feuer steht ihnen selbstverständlich jederzeit bereit.
Ritual von bis zu zwei Stunden
Die beduinische Kaffeezeremonie jedoch bedeutet im Gegensatz zum allgegenwärtigen Tee eine besondere Ehrerbietung, die der Gastgeber seinen Gästen zukommen lässt. Diese kann mitunter zwei Stunden dauern und zeigt die Wertschätzung, die der Herr des Lagers mittels seiner über die Jahrhunderte ritualisierten Handgriffe demonstriert. Irgendwann langt er hinter sich und holt einen hölzernen, reich dekorierten Mörser, den Mehbash hervor. Vorsichtig schüttet er die gerösteten Kaffeebohnen hinein und pickt sogar die beiseite gefallenen aus der Asche heraus. Ein Wasserkessel wird ins Feuer gestellt. Mit dem Stößel beginnt der Beduine die Kaffeebohnen in einem eindringlichen Rhythmus zu zerstoßen und begleitet diesen mit Gesang. Dazu schüttet er eine Handvoll grüne Kardamomkapsel zu den Bohnen in den Mörser. Als Gast fällt es schwer sich dem eigentümlichen Mantra der Schläge zu entziehen und bald klatschen alle zur Unterstützung mit.
An einem Punkt vergewissert sich der alte Mann am Geruch des Stößels und lässt das Kaffeepulver in eine Kanne rieseln und schüttet das kochende Wasser darauf. Dies lässt er für einige Augenblicke aufbrodeln und schon bald gießt er den fertigen Qahwe murra – bitteren Kaffee – aus dem riesigen Schnabel der Kanne hinein in im Wasserbad aufgewärmte Schalen. Wer eine weitere Tasse haben wollte musste nur die leere Schale zum Gastgeber hin schütteln, das bedeutet aber auch, dass man ihm beim nächsten Kampf zur Seite stehen muss.