Die fränkische Hauptstadt hält für ihre Besucher:innen eine besondere, süße Köstlichkeit parat, Nürnberger Lebkuchen. Jetzt in der Vorweihnachtszeit glühen die Öfen im Akkord. Lebensmittelmagazin.de war im Flagshipstore eines Nürnberger Lebkuchenfabrikanten.
Beim Blick durch das Geschäft der Nürnberger Traditionsfirma „Wicklein Lebkuchen“ von 1615 am Hauptmarkt, kommt schnell Irritation auf: Was sind denn nun angesichts der großen Vielfalt die echten Original Nürnberger Lebkuchen? Konditorin Katinka Friedrich klärt auf: „Allen gemein ist, dass sie auf Grund und Boden der Stadt Nürnberg gebacken werden.“ Die genaue Zahl der Nürnberger „Lebküchnereien“ ist dabei gar nicht so genau zu ermitteln, denn im Stadtgebiet befinden sich rund zwei bis drei Dutzend Bäckereien und Manufakturen die mehr oder weniger schwerpunktmäßig Lebkuchen backen, vermutet der Wicklein-Pressesprecher Andreas Hock. Nur wenige Manufakturen seien aber reine Lebküchnereien.
Katinka Friedrich zeigt auf der Verpackung das Siegel der geschützten geografischen Angabe (g. g. A.). „Ansonsten unterscheiden sich die Lebkuchen in ihrem jeweiligen Anteil von Mehl und Nüssen. An Nüssen verwenden wir Haselnuss, Walnuss und Mandeln. Am hochwertigsten sind Elisenlebkuchen mit einem Mindestanteil von 25 Prozent Nüssen und höchstens 10 Prozent Mehl. Die Meistersinger-Lebkuchen haben schon einen Mehlanteil von 40 Prozent und 20 Prozent Nüssen, und die Oblaten-Lebkuchen enthalten 40 Prozent Mehl und 14 Prozent Nüsse. Einen höheren Nussanteil merkt man natürlich auch am Geschmack.“ Der Kakao sei ausschließlich Fairtrade. Die Zutaten kommen aus der ganzen Welt, die Haselnüsse aus der Türkei, die Mandeln aus Kalifornien und der Honig teils aus Südamerika. Die Handelspartner sind langjährig. „Deswegen hatten wir bislang auch keine Schwierigkeiten mit Engpässen in den Lieferketten“, ist sich Andreas Hock sicher.
Aus dem Orient
Die Gewürze des Lebkuchens sind individuelle Angelegenheit der Manufakturen. Wicklein verwendet vorwiegend jene Gewürze: Macis, Muskat, Piment, Zimt, Ingwer, Anis, Kardamom und Koriander – die genaue Mischung bleibt selbstverständlich geheim. Die Möglichkeit derartiger Opulenz durch Gewürze lässt sich zurückführen auf die besondere Lage der Stadt entlang der Handelsroute nach Venedig und dem Zugang zum Orient. „Im Übrigen kommt der Lebkuchen möglicherweise selber aus dem Orient. Man hat bereits im 15. Jahrhundert vor Christus in Pharaonengräbern honigkuchenähnliche Fladen gefunden, die in Kupferdosen konserviert wurden“, erklärt die Konditorin. Zusätzliches Fett kommt nicht in den Teig, dafür Zucker und Honig. „Orangeat und Zitronat halten den Teig feucht, es ist sehr fein geschnitten, da beißt man nicht drauf. Ebenfalls für die Feuchtigkeit kommt noch Feigenpaste hinein.“
Ob in der Produktion gegenwärtig so kurz vor Weihnachten die Hütte brennen würde? Katinka Friedrich lacht: „Nein, nicht mehr als sonst. Schon ab Ende Juli wird in unserem Werk im Drei-Schicht-Betrieb gebacken, also praktisch rund um die Uhr bis Mitte Dezember.“ Weil Wicklein auch für den Lebensmitteleinzelhandel produziert, läuft die Produktion mit 350 Mitarbeitern auch außerhalb der Saison, in der Saison steigt die Zahl auf 1.000 Mitarbeiter. Auch die Hauptexportgebiete außerhalb Europas wie Nordamerika werden das ganze Jahr über beliefert. „Rund 20 Prozent der Produktion gehen in den Export, Tendenz steigend“, berichtet Andreas Hock.
Nicht nur zu Weihnachten
Touristen kaufen das gesamte Jahr über Lebkuchen im Flagshipstore von Wicklein. „Einfach, weil Lebkuchen mit der Stadt Nürnberg untrennbar verbunden sind. Unterhalb des Jahres bieten wir unter dem Label ,Every Day‘ einen Mini-Elisenlebkuchen an“, beschreibt die Konditorin und lacht: „Gegen einen Sommerlebkuchen, vielleicht mit gefriergetrockneten Erdbeer- und Kiwistückchen oben drauf, wehre ich mich ein bisschen. Auch, wenn der wahrscheinlich bei unseren amerikanischen Kunden gut ankäme.“ Der Pressesprecher ergänzt hierzu, dass Wicklein dafür etliche andere Gebäcke ganzjährig anbietet – unter anderem über eine Kooperation mit der Münchner Marke „Feinkost Käfer“.
Teil der Klosterkost
Die Tradition der Nürnberger Lebkuchen entstammt allerdings den mittelalterlichen Klöstern, so sei in einer fränkischen Klosterordnung schriftlich überliefert: zwei Kannen gutes Bier, ein Kändlein Wein und mancherlei Pfefferkuchen. Wobei das mit dem Pfeffer so eine Sache sei, aufgrund sprachlicher Unterschiede zwischen den Händlern, subsumierte der Begriff „Pfeffer“ alle möglichen Gewürze. „Das kennen wir ja heute auch noch, für Piment verwenden wir auch noch den Begriff Nelkenpfeffer“, meint die Konditorin. Seit dem 15. Jahrhundert emanzipierten sich die Lebküchner in ihrer eigenen Zunft von den übrigen Bäckern. Den klösterlichen Ursprung erklärt auch die dem Nürnberger Lebkuchen obligate Oblate: In Ermangelung an Backpapier und dem daher klebrigen Teig, erfüllen Oblaten aus der Hostienbäckerei dieselbe Aufgabe. „Übrigens im großen Unterschied zum amerikanischen Gingerbread, das rollfähig und ausstechbar ist“, sagt Katinka Friedrich.
Zum Schluss zeigt Konditorin Katinka Friedrich, wie Nürnberger Elisenlebkuchen handwerklich hergestellt werden. Auf eine tortenplattenähnliche Halterung legt sie zunächst eine Backoblate. Mit einem Portionierer nimmt sie ungefähr 120 Gramm Teig, den sie auf die Mitte der Oblate platziert. Jetzt streicht sie mit einem zimbelförmigen Lebkuchenformer den Teig bis zu den Rändern der Oblate aus, in charakteristischer Lebkuchenform. „Nach dem Backen kann er nach Gusto mit Zuckerguss überzogen werden oder mit Schokoglasur. Eine typische Dekoration sind jedoch die drei Mandeln in der Mitte, die möglicherweise für die Dreifaltigkeit stehen“, erklärt Katinka Friedrich.
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