Cremig, süß, mit alkoholischem Wumms – Eierlikör ist ein Relikt aus Zeiten, als der Toast Hawaii der letzte Schrei und das „Fräulein“ in aller Munde war. Das Berliner Startup Rübbelberg feiert die Renaissance des Eierlikörs, aber in Bio-Qualität.
Ob Omas Selbstgemachter zum achtzigsten Geburtstag, als cremiger Aufwärmer auf dem Weihnachtsmarkt oder im Schokobecher auf der Osterkaffeetafel, Eierlikör ist omnipräsent und dabei alles andere als „cool“, wird aber in Pandemiezeiten vermehrt getrunken. „Aber jeder hat eine Meinung dazu“, sagt Sebastian Tigges, Geschäftsführer und Gründer von Rübbelberg. Rübbelberg klingt nach dörflicher Idylle in der Uckermark. „Der Name ist aber vollkommen ausgedacht, Millennial-Ironie eben“, gibt der Miterfinder zu. Die Idee einen eigenen Eierlikör zu kreieren entstamme einem Gespräch über Schnaps mit seinen Freunden Christopher Leidinger und Philipp Nagel: „Dabei haben wir festgestellt, wie ambivalent Eierlikör ist. Entweder man findet ihn ‚total geil‘ oder man ekelt sich weg. Das Rezept haben wir gemeinsam in der Küche zusammen gerührt. Christopher war gerade Vater geworden und in der Elternzeit, das passte also zeitlich hervorragend. Unsere Mixtur haben wir dann in kleine Flaschen gefüllt und zu Partys mitgenommen.“
Das Elternzeit-Projekt
Mit Erfolg, im Freundeskreis kam vermehrt der Wunsch nach weiteren Flaschen auf. „Unser Eierlikör ist etwas herber im Geschmack durch die Limette. Außerdem verzichten wir auf Sahne, was ihn weniger dickflüssig und damit trinkbarer macht. Wir wollten geschmacklich weg vom Dessert. Außerdem war uns von Anfang an wichtig, dass sämtliche Zutaten unseres Eierlikörs aus biologischer Landwirtschaft kommen, um uns von anderen Anbietern abzuheben.“ Die sich steigernde Nachfrage ließ den Gedanken aufkeimen, das Eierlikör-Business professionell aufzuziehen. „Dann wurden wir allerdings mit den krassesten Hygiene-Auflagen und Vorschriften konfrontiert. Mit dem Stabmixer im Kochtopf, so wie bisher, wäre das nicht gegangen. Wir hätten zunächst die unglaublichsten Maschinen dafür erwerben müssen. Allein die Abfüllstraße hätte den Platz in unserer Küche gesprengt“, erinnert sich Sebastian Tigges.
Aus der Küche in die Brennerei
Die naheliegende Lösung: Lohnabfüller. Der Eierlikör-Produzent erzählt: „Eine Brennerei sollte nach unserer Rezeptur den Eierlikör für uns herstellen. Auf Nachfrage haben uns aber Dutzende abgesagt und uns zu verstehen gegeben, dass wir uns mit unserer Schnapsidee verrennen, weil niemand mehr so was trinke. Zugegeben, einen weiteren Hinderungsgrund stellte die Tatsache dar, dass sich Eierlikör im Vergleich zu anderen Spirituosen in den Rohren stark festsetzt und diese hinterher aufwendig gereinigt werden müssen. Und das bei gerade mal 100 Flaschen, die wir eigentlich nur haben wollten. Am Ende haben wir eine Brennerei gefunden, die sich bereit erklärt hat, allerdings unter der Bedingung einer Mindestmenge von 2.000 Flaschen. Die erste Charge enthielt 1.756 Flaschen. Seitdem produzieren wir zweimal im Jahr mittlerweile zehntausende Flaschen, im Januar für Ostern und Ende August für Weihnachten.“ Um das perfekte Ergebnis zu bekommen, war allerdings ein aufwendiger Prozess von Nöten. Tigges erklärt: „Die erste Probe, die uns die Brennerei geschickt hat, schmeckte wie klassischer Eierlikör und hatte nichts mit unserem Rezept zu tun. Das bedurfte 14 weiterer Versuche, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren. Die industrielle Umsetzung des Rezepts ist weitaus komplizierter als beim Zusammenrühren in der eigenen Küche.“
Teures Vergnügen
Die Eier für den Rübbelberg kommen von vier bis fünf Biobauern aus Norddeutschland, der Bio-Korn aus Deutschland und der exklusive Vanilleextrakt aus Madagaskar, vor allem letzterer ist dafür verantwortlich, dass so ein Fläschchen Rübbelberg mit 500 ml ungefähr dreieinhalb Mal so viel kostet wie der Marktführer. „Für Eierlikörtorte oder Schwedenbecher ist er eigentlich fast zu schade“, gibt der Hersteller zu bedenken. Parallel zur Eierlikörherstellung entwarf Marketingberater Christopher Leidinger zusammen mit zwei Grafikdesignern das charakteristische dunkelblaue Etikett der Eierlikörflasche; aus dieser Kooperation ist inzwischen eine eigene Agentur „Lit-Create“ erwachsen. Alles in allem war der Schritt zum eigenen Eierlikör ein kostspieliges Wagnis, immerhin mussten die Rübbelberg-Gründer ein Investment in Höhe eines Kleinwagens stemmen. Sebastian Tigges weist stolz darauf hin, dass Rübbelberg bislang ohne Investor organisch gewachsen sei.
Das Glück ist mit den Mutigen
Ein wichtiger Schritt für das Eierlikör-Start-up war der Kontakt über einen Freund zur Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg, die sie im Sommer 2018 davon überzeugen konnten, einen Stand zu eröffnen und im Keller der Markthalle Lagerfläche zu bekommen. Auf der Launch-Party der Marke war zufällig eine Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und so folgte aus heiterem Himmel kurz vor Weihnachten ein Artikel in der FAZ. „Der Andrang war gewaltig, die letzte Flasche haben wir am 27. Dezember verpackt und losgeschickt. Wir hatten gut zu tun, ausreichend Verpackungsmaterial zu haben.“ Der Markthalle IX folgte die Listung im KaDeWe und bei Mutterland in Hamburg sowie kleineren Concept-Stores. Und dann meldete sich die Biomarktkette Denns. Inzwischen ist Rübbelberg in der gesamten D-A-CH-Region vertreten.
Ökologisch korrekter Suff
Tigges denkt schon weiter „Ich wundere mich, dass das Angebot an Bio-Spirituosen bislang so eingeschränkt ist, im Vergleich zu Bio-Lebensmitteln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Herkunft ausgerechnet beim Schnaps egal sein sollte. Dementsprechend überlegen wir jetzt, ob Rübbelberg nicht auch einen Sahnelikör oder Kräuterschnaps auf den Markt bringen sollte.“ Weniger überzeugend waren wohl Experimente mit einer veganen Variante auf Avocado-Basis. Eierlikör geht nämlich zurück auf Abacate, einem alkoholischen Getränk aus Brasilien des 17. Jahrhunderts auf Avocadobasis mit Rum und Rohrzucker. Da Avocados damals bei der Überfahrt schlecht wurden, imitierte man in Europa dieses Getränk mit Eigelb. „Farbe und Geschmack ließen uns aber letzten Endes davon wieder Abstand nehmen, das hatte nichts mit unserem Eierlikör zu tun“, meint der Fachmann.
Fun-Facts zu Eierlikör
Schwedenbecher: Der vor allem im Osten Deutschlands populäre „Schwedenbecher“ aus Vanilleeis, Apfelmus und Eierlikör wurde das erste Mal im Jahre 1952 in einem Eiscafé im Berliner Bezirk Pankow angeboten. Walter Ulbricht soll diesem von ihm hochgeschätzte Eisbecher seinen Namen „Schwedenbecher“ verliehen haben, zu Ehren der schwedischen Eishockey-Nationalmannschaft, die bei den Olympischen Winterspielen 1952 in Oslo die gegnerische Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland mit 7:3 geschlagen hat.
Empfehlung des Hauses: Man nehme ein Glas Eierlikör auf Eis, gieße mit Sekt auf und füge einen Spritzer Grenadine hinzu.
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