Die Spargelsaison hat begonnen. Ein Besuch vor Ort auf einem Brandenburger Spargelhof, wo er aktuell aus der Erde schießt und auch frisch auf dem Teller landet: Beelitzer Spargel.
Dutzende mit schwarzer Folie überzogene Erdwälle spannen sich wie mit dem Lineal gezogen von einem Ende des Horizonts bis zum anderen hier in Hennickendorf. Sven Hager schlägt einen Teil der Folie zurück und da sieht man sie direkt hervorstechen: Nur wenige Zentimeter ragen die Köpfe aus dem Erdreich empor. Lediglich mit Mittel- und Zeigefinger gräbt der Landwirt des Klaistower Spargel- und Erlebnishofes die Spargelstangen aus, bis dass sie ungefähr entsprechend der Länge seines Spargelmessers 25 Zentimeter freiliegen; ein Stich mit seinem brecheisenähnlichen Spargelmesser und der Landwirt präsentiert stolz sein köstliches Gemüse.
Mit der Kelle wird das ausgebuddelte Loch wieder glatt zugespachtelt für die nächsten schießenden Stangen. Routinierte Handgriffe, mit denen seine 1.000 Erntehelfer in den kommenden Wochen unzählige Male auf seinen 800 Hektar Land verteilt zwischen Luckenwalde und Teltow-Fläming von morgens 6:30 Uhr bis abends um 7 Uhr das kostbare Gemüse ernten werden. Inzwischen hat der Beelitzer Spargel wie Parmesan und Schwarzwälder Schinken eine geschützte geografische Angabe (g. g. A.) inne.
Gute Bedingungen für die Spargelernte
Heute, eine Woche vor Ostern, ist es stark bewölkt und unter 10 Grad Celsius. Bis jetzt ist Sven Hager soweit zufrieden, die Spargelernte hat zwei Wochen früher begonnen, „aber für die große Nachfrage von Ostern darf es ruhig etwas sonniger werden, dann schießt er erst richtig.“ Letztes Jahr kam die Spargelernte verspätet, aber die darauffolgende Warmwetterlage sorgte für eine Spargelschwemme auf dem Markt und damit einhergehendem Preisverfall.
„Bis jetzt sind wir dieses Jahr sehr zufrieden, aber man ja kann nicht abschätzen, was jetzt noch so kommt“,
und meint damit die Wetterturbulenzen, die dem Klimawandel geschuldet sind. Noch können die Pflanzen mit seiner Tröpfelbewässerungsanlage ausreichend versorgt werden, bis dass die Wurzeln das Oberflächengrundwasser erreichen.
Eine Stadt für die Erntehelfer
Mögen langfristige Maßnahmen gegen den Klimawandel nur bedingt möglich sein, so kann der Landwirt die geäußerten Bedenken bezüglich des Mangels an Erntehelfern nicht teilen. Er rekrutiert seine Arbeiter selber in Polen und Rumänien und organisiert deren Überführung. Sowieso fällt auf, dass er großen Wert auf die strukturellen Bedingungen der Saisonarbeiter legt. Gute Bedingungen für die Arbeiter sorgen für gute Arbeit. Eine ehemalige Kaserne ist inzwischen zu einer kleinen Stadt für sie ausgebaut. In einer gemütlichen Kantine werden hier die Arbeiter rund um die Uhr versorgt. „Hier gibt es alles, außer Spargel“ , schmunzelt er. Um die Wäsche der Arbeiter kümmert sich eine eigene Wäscherei. Am Ende der Saison kehren die meisten Arbeiter mit 5.000 bis 7.000 Euro zurück in ihre Heimat.
Spargel kochen, aber wie?
Klassisch isst man Spargel mit Butter oder Sauce Hollandaise, neuen Kartoffeln und dazu Schinken, roh, geräuchert oder gekocht. Der alternativen Beilagen sind schier keine Grenzen gesetzt, seien es Pfannkuchen wie in Süddeutschland oder auch Schnitzel, Huhn und Fisch, wie das Buffet im Restaurant des Klaistower Spargelhofs neben diversen anderen Köstlichkeiten mit Spargel eindrucksvoll demonstriert. Küchenchef Michael Röhr soll verraten was die beste Garmethode für Spargel ist, denn darüber, streiten sich seit ehedem die Geister: Hier in der Küche wird der Spargel im kühlschrankgroßen Kombidämpfer in Wasser mit Salz und einer Prise Zucker und Zitrone gegart. Die Stange soll sich leicht von der Gabel herabbiegen. „Allerdings haben unsere älteren Gäste den Spargel gerne etwas weicher“, gibt der Chef zu bedenken.
Bei der Diskussion über die richtige Garmethode kommt es zu keinem richtigen Ergebnis, denn zu unterschiedlich sind die Vorlieben. Inzwischen gibt es spezielle Töpfe für Spargel, in denen lediglich die Enden im Wasser stehen und die zarten Köpfe im Dampf gegart werden. Soweit so gut, sofern die Garmengen dem Topfvolumen entsprechen. Noch schonender sind Dämpfeinsätze, bei denen die zarten Stangen überhaupt nicht in Kontakt mit der Flüssigkeit kommen, sondern lediglich im Dampf gegart werden. Alternativ kann Spargel im Ofen in der Lasagneform oder in der Fettpfanne unter der halbwegs wasserdampfhaltenden Alufolienabdeckung im eigenen Saft nur mit Salz und ein paar Butterflöckchen im eigenen Saft gegart werden. Das Ergebnis ist sehr aromatisch aber auch sehr bissfest.
„Man kann den Spargel auch in der Pfanne karamellisieren, sehr spannend im Geschmack!“
Küchenchef Michael Röhr
Nur bei der italienischen Variante, so weich gekocht, dass sich beim Anheben die Enden berühren, winken alle einhellig ab.
Da wird man zum Stinktier
Spargelzeit bedeutet auch die Herausforderung der eigenen Überwindung den öffentlichen Abort aufzusuchen. Die signifikant stechenden Dämpfe treiben Tränen in die Augen. Dabei sollen laut medizinischer Studie aber nur 40 Prozent der Menschen erblich bedingt über ein Enzym verfügen, das die Asparagusinsäure des Spargels in die Schwefelverbindung Methanethiol abbaut, welches leicht verändert auch im Drüsensekret des Stinktiers nachzuweisen ist. Hinzukommt, dass ebenfalls nicht alle Menschen über die Duftrezeptoren verfügen, dies auch wahrzunehmen.
Spargelhype ohne Ende
Um kaum ein anderes Gemüse machen die Deutschen einen derartigen Kult wie um Spargel. Laut der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft wurden 2018 133.000 Tonnen Spargel geerntet. Der wachsende Hunger sorgt dafür, dass der Spargelanbau inklusive Junganlagen die Gemüseanbaufläche mit 23 Prozent dominiert, obwohl Spargel als Saisonprodukt sich mit Ernte und dessen Abverkauf nur über etwas mehr als drei Monate hinzieht; wir sprechen hier von 23.400 Hektar erntefähiger Anbaufläche im Jahr 2018.