Milchalternativen gibt es viele in den Einkaufsregalen. Biertreber als Grundlage ist zwar noch nicht so bekannt wie Soja, Mandel und Co., dafür bietet der Gerstendrink aber einige Vorteile. Das zumindest sagen die Gründerinnen von „Golden Barley“, die jüngst für ihre Innovation den TROPHELIA-Wettbewerb gewonnen haben.
Die Freundinnen Thao Tran und Laura Caspereit sind Studentinnen der Lebensmitteltechnologie im letzten Mastersemester an der Technischen Universität zu Berlin. Im vergangenen Semester besuchten die beiden das Modul „Innovative Technologien der Lebensmittelprozessierung“, was die Teilnahme am Wettbewerb „TROPHELIA“, ausgeschrieben vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) in Bonn, miteinschloss. Laura Caspereit hatte zuvor bereits ein Praktikum bei der Radeberger Gruppe abgeschlossen und arbeitet aktuell als Werkstudentin bei der Bayer AG. Auch Thao Tran hatte bereits die Möglichkeit als Werkstudentin in der Produktion bei der Bayer AG und bei den Coca-Cola Europacific Partners im Bereich Engineering Capital Planning Erfahrungen zu sammeln.
Viehfutter mit Potenzial
„Der Blick auf die aktuellen Milchalternativen-Trends gepaart mit der Erkenntnis von Biertreber als ‚Abfallprodukt‘ mit enormem Potenzial an Proteinen und anderen Nährstoffen und natürlich unsere Passion für Innovation hat den Weg zu Golden Barley bereitet“, erklärt Laura Caspereit. Biertreber ist der Rückstand aus dem Brauprozess, er besteht aus Spelzen und den ungelösten Anteilen des Gerstenmalzes, bei dem unter anderem bis zu 20 Prozent Proteine anteilig zurückbleiben und sich nicht gelöst haben. Biertreber ist also ein Rohstoff, von dem viel vorhanden ist und der eine gute Proteinquelle darstellt. Außerdem ist er reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Antioxidantien. Sozusagen hochwertiger Reststoff, der zum großen Teil als Viehfutter verwendet wird, aber auch zur Biogasgewinnung. „Die Brauereien bezahlen sogar für den Abtransport des Biertrebers. So bezahlt eine namenhafte große Brauerei beispielsweise jährlich 18 Millionen Euro dafür. Wir planen hingegen ein kostenfreies Angebot, um den für uns wichtigen Rohstoff zum Upcycling abzuholen. Dies ist für uns ein zentraler Gedanke und gleichzeitig Pfeiler unseres Konzepts – ein Nebenprodukt angemessen aufzuwerten, anstelle es zu entsorgen“, gibt Thao Tran zu bedenken und führt aus: „Den Biertreber muss man sich als feuchten Brei vorstellen. Es ist noch ein guter Teil des Malzzuckers enthalten, so dass wir später den Gerstendrink nicht zusätzlich süßen müssen.“
Pflanzendrink-Boom
Während der Konsum von Kuhmilch im Laufe der letzten Jahre stetig abnimmt, hat allein der jährliche Umsatz von Milchalternativen von 2020 zu 2022 um 16 Prozent zugenommen, nämlich von 396 Millionen Euro Umsatz auf 532 Millionen. Angesichts von Mandeln, Hafer, Soja und Co. bleibt die Frage, wieso es noch eine Alternative braucht. „Zunächst muss man feststellen, dass viele der Milchalternativen geschmacklich gewöhnungsbedürftig sind. Milch aus Erbsenprotein beispielsweise hat einen starken Erbsengeschmack, das muss man mögen. Hinzu kommt der relativ hohe Preis vieler Pflanzendrinks. Ein weiteres Ziel unseres Forschungsprojekts war es, einen Pflanzendrink zu entwickeln, der für jedermann erschwinglich ist, jenseits von Reformhaus und Biokost“, erklärt Laura Caspereit.
Eher Caro-Kaffee als Bier
Dabei sei es gar nicht so einfach, den Geschmack von Golden Barley zu beschreiben. Thao Tran meint dazu: „Unsere Geschmackstester beschreiben ihn als neuartig. Vielleicht hilft es, wenn man sagt, dass er am ehesten an Caro-Kaffee erinnert, der ja auf Gerste und Zichorie basiert. Mit diesem harmoniert er auch hervorragend.“ Der Name „Golden Barley“ bezieht sich übrigens nicht auf eine bestimmte Gerstensorte, sondern darauf, dass bereits der Biertreber eine glänzende braune Farbe hat. „Auch der Gerstendrink selber ist nicht weiß wie Milch, sondern hat eine hellbraune Farbe, wie sehr heller Milchkaffee. Dies wird zusätzlich unterstützt durch die Zugabe von Rapsöl, mit der wir den Gerstendrink an den Fettgehalt von Kuhmilch angleichen“, meint Laura Caspereit.
Foto: Golden Barley
Individuelle Angelegenheit
Die Qualität des Gerstendrinks unterliegt dem jeweiligen Biertreber jeder Brauerei. „So schwankt beispielsweise der Proteingehalt von Golden Barley zwischen dem Biertreber von einigen Berliner Privatbrauereien, der hier bei ungefähr 3,4 Prozent lag und dem von einer namenhaften großen Brauerei, wo er bei 0,6 lag und somit auf ungefähr gleicher Linie mit alternativen Pflanzendrinks wie Hafer oder Soja mithalten kann“, erläutern die Studentinnen. Ansonsten würden noch Calciumcarbonat, Vitamin D und B12 hinzugefügt werden. Gegenwärtig arbeiten beide Forscherinnen an einer Barista-, sowie an einer gesüßten Variante. Über die Produktion im generellen möchten die Damen aus Wettbewerbsgründen lieber schweigen. Eine Herausforderung beim Biertreber ist aber seine Haltbarkeit, er muss innerhalb von ein bis zwei Tagen verarbeitet werden. Die Lösung: „Wir frieren den Biertreber zur Haltbarmachung ein. Die Eiskristalle schließen die Zellen zusätzlich weiter auf, zugunsten unserer Nährstoffgewinnung. Insgesamt geht es beim Verfahren um die Extraktion des Gerstenproteins“, versucht Laura Caspereit zu erklären.
Foto: Laura Caspereit
Hoch die Tassen!
Umso verständlicher ist das Marketing von Golden Barley. In der braunen Flasche liegt der Gedanke ans Bier nicht sehr weit, sozusagen das „kühle Weiße“. „Wir wollen uns mit der braunen Pfandflasche von den Mitbewerbern etwas abheben und signalisieren damit Regionalität und Umweltbewusstsein ganz nach unserem Motto, gemeinsam Abfall zu vermeiden und den Planeten ein bisschen besser machen“, sagen die beiden Lebensmitteltechnikerinnen selbstbewusst und zuversichtlich.
Artikel-Teaserbild (oben): Laura Caspereit