Tofu und Saitan adé, demnächst kommt Pilzmyzel – wenn es nach dem Hamburger Start-up Mushlabs geht. Lebensmittelmagazin.de hat das Unternehmen in der Hansestadt besucht und gemeinsam in die Zukunft der Fleischalternativen geschaut.
Unweit der Außenalster in Hamburg-Mundsburg sitzt das Start-up Mushlabs. Heute herrscht große Aufregung, lange Tafeln werden eingedeckt, Tischbouquets arrangiert und Gläser poliert. Denn am Abend lädt das Unternehmen ausgewählte Akteure der Lebensmittelbranche zum „regenerativen Nahrungssystem“-Dinner.
„Mushlabs versteht sich nicht nur als Lebensmittelproduzent, sondern auch als Dialog-Plattform für regenerative Nahrungssysteme und alternative Formen der Landwirtschaft.“
Mushlabs-Co-Founderin Cathy Preißer
Produktname für Myzel gesucht
Wir sind verabredet, um über das Produkt, das als Fleischalternative den Markt erobern soll, zu sprechen. Doch es ist im wahrsten Sinne noch unaussprechlich – es hat nämlich bis jetzt keinen Namen, da es sich noch in der Findungsphase befindet. Die Basis sind Speisepilze, so viel ist klar. Den Gedanken an beispielsweise Austernpilzschnitzel, die geschmacklich an Kalb erinnern, weiß Cathy Preißer aber direkt auszuräumen: „Wir arbeiten mit dem Pilzmyzel, nicht mit den Fruchtkörpern.“ Das Pilzmyzel werde in einer Nährlösung, die aus Wasser mit Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen besteht, in Fermentern herangezüchtet. „Das alles natürlich auf lebensmittelsicherer Basis“, erklärt sie.
Wie Apfelmus?
Nach der Zucht müsse das Myzel nicht wesentlich weiterverarbeitet werden. Cathy Preißer beschreibt: „Die Masse per se hat eine Struktur ähnlich wie Apfelmus. Das Myzel selbst wächst in einer natürlichen Varietät. Es wird dann anschließend abgesiebt, d. h. das Geflecht wird vom Wasser getrennt. Die so entstandene teigähnliche Maße wird dann weiterverarbeitet, zu Bällchen beispielsweise.“ Das Myzel verfüge über ein ausgeglichenes Nährstoffprofil und sei reich an Ballaststoffen und Protein. Die Zielgruppe sind vor allem auch Flexitarier.
Die Vision von Mushlabs: Nicht „nur“ Fleisch imitieren, sondern etwas ganz Neues schaffen.
Perfekt passendes Pilz-Knowhow
Mit Blick auf ihr Profil lässt sich feststellen, dass Frau Preißer für dieses Projekt die optimale Expertise mitbringt. Sie hat unter anderem als Fermentation Chef im mit drei Michelin-Sternen dekorierten Noma in Kopenhagen gearbeitet, wo sie zunächst im hauseigenen Fermentation Lab und später als Chef de Partie ihre Erfahrungen sammeln konnte. Das Restaurant wurde bisher fünf Mal, zuletzt 2021, zum besten Restaurant der Welt gekürt. Fermentation hat in der skandinavischen Küche eine besondere Tradition. Wo könnte man also sonst theoretisches Fachwissen am besten praktisch erfahren? Mit dem Fokus auf das Myzel betritt das Unternehmen absolutes Neuland, auch wenn Pilze seit der Urgeschichte Bestandteil des menschlichen Speiseplans sind. Welche Pilze für die Fleischalternative geeignet sind und ausgewählt wurden, darüber schweigt sich die Co-Founderin aus Wettbewerbsgründen aus. So viel lässt sie allerdings durchblicken: „Gegenwärtig forschen wir mit unterschiedlichen Pilzen, selbstverständlich alles Speisepilze. Großer Vorteil der Pilze ist ihr natürliches Umami-Aroma gegenüber vieler stark gewürzter Fleischalternativen. Darüber hinaus möchten wir das Pilzmyzel im zweiten Schritt auch alleine als Produkt stehen lassen und nicht nur als Fleischimitation.“
Zwischen Tier und Pflanze
Eine Verkostung war leider nicht möglich, deshalb bleibt die Frage nach dem Geschmack. Cathy Preißer meint: „Es schmeckt nicht nach Pilz! Der intensive pilzspezifische Geschmack beruht auf den Lockstoffen des Fruchtkörpers, der Geschmack unseres Myzels unterscheidet sich davon fundamental. Er liegt irgendwo zwischen Tofu und Hühnchen. Bei der Preview zum Food-Trend-Report von Hanni Rützler war das Feedback durchweg positiv. Wir arbeiten zusammen mit Chefköchen, die uns bestätigen, dass das Verhalten des Myzels beim Braten, Schmoren und sonstigen Kochmethoden dem von Fleisch in nichts nachsteht. Das ist auch insofern nachvollziehbar, als das Pilze näher zu den Tieren stehen als zu den Pflanzen.“
Foto: Mushlabs GmbH
In den Mühlen der EU-Bürokratie
Und wann kommt es auf den deutschen Markt? Die Verarbeitung des Pilzmyzels befindet sich tatsächlich gerade erst im Zulassungsprozess bei der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Auch wenn es sich dabei um etablierte Speisepilze handelt, so fällt diese neuartige Kultivierung des Myzels unter die Novel-Food-Verordnung. „Wir sind zuversichtlich, dass wir das Verfahren schnell abschließen werden. Das neuartige an unserer Produktion im Vergleich zur konventionellen Pilzzucht ist, dass der Fokus auf dem in der Nährlösung herangezüchteten Myzel ruht“, erklärt die Co-Founderin. Dabei liegen aus ihrer Sicht die Vorteile klar auf der Hand: „Die Myzelzucht im Fermenter ist unabhängig von externen Faktoren, wie beispielsweise Temperatur oder Licht. Es benötigt lediglich Elektrizität. Außerdem ist das Wachstum exponentiell, binnen weniger Tage kann geerntet werden. Pilzmyzel wächst 25-mal schneller als Soja.“
Zukunftsperspektive Upcycling
Ein weiterer Vorteil: Das Start-up forscht gerade an der Möglichkeit, die Nährlösung aus Nebenprodukten der Lebensmittelproduktion zu gewinnen, wie Kaffeesatz oder Trester vom Fruchtsaft, die ansonsten als Viehfutter eingesetzt würden. „Weil wir die Möglichkeit haben, die Nährlösung aus unterschiedlichen natürlichen Rohstoffen zu gewinnen, arbeiten wir diesbezüglich an einem multi-lokalen Ansatz. Das heißt, die Myzelproduktion soll dezentral dort stattfinden, wo die Lebensmittelproduktionsreste anfallen.“ Klingt nach einem Zukunftsplan: Man füttert einen Pilz mit Kaffeesatz und Obstschalen und heraus kommt ein neuartiges, proteinhaltiges Lebensmittel, das sowohl gut ist für die Gesundheit als auch fürs Klima.
Artikel-Teaserbild (oben): Mushlabs GmbH