Potentielles Hindernis zum Veganismus: Ein Leben ohne Käse ist möglich, aber sinnlos. Lebensmittelmagazin.de hat mit dem Berliner Start-up Formo gesprochen, die veganen Käse aus dem Bioreaktor herstellen.
Zukunftskäse
Käse gilt als eine der ältesten Strategien zur Haltbarmachung von Milch. Lab aus den Mägen von Kälbern, Lämmern oder Zicken lässt die Milch gerinnen, aus deren Bruch in vielfachen Varianten Käse hergestellt werden kann. Zumindest wurde es früher so gehandhabt. Das Start-up Formo füttert jetzt Bakterien und Hefen anstatt Kühe zur „Milchgewinnung“ und ist damit aber gar nicht so weit entfernt von der aktuellen Käseproduktion. Victoria Reinsch ist Director Brand & Comms bei Formo, die früher übrigens Legendairy hießen. Sie erklärt: „Viele unserer Prozesse finden bereits heute in der Käseherstellung Verwendung. Mittlerweile wird nämlich oftmals mikrobielles Lab anstelle dessen tierischen Ursprungs in der Käseherstellung verwendet.“
Der Stoff, aus dem die (Käse-)Träume sind
Der große Unterschied zwischen Formo und konventionellen Käsereien: Bislang bildet Milch, egal ob von der Kuh, Schaf, Ziege, Büffel, Kamel, Yak, Rentier oder Esel, die Grundlage für Käse. Zwar liegen pflanzliche Milchalternativen wie Hafer-, Soja- oder Mandeldrink, inklusive Joghurt- und sonstigen Alternativen zu Molkereiprodukten im Trend; großer Knackpunkt ist aber der gesundheitliche Aspekt: Tierische Proteine sind für Menschen leichter verwertbar als pflanzliche Ersatzstoffe. Oft fehlen zudem natürlicherweise enthaltene Mikronährstoffe wie etwa Calcium, die Ersatzprodukte zum Beispiel für die Kleinkindernährung weniger geeignet machen. Wie kommt man also zur kuhfreien Milch, die aber alle wichtigen Nährstoffe des Originals mit sich bringt? „Das Stichwort zu unserer Käseherstellung lautet Präzisionsfermentation. Jedes einzelne Käseprotein wird individuell im Bioreaktor von Hefen und Bakterien produziert. Die Bakterien hierfür sind gentechnisch verändert“, erklärt die Formo-Pressesprecherin. Rund 40 Mitarbeiter:innen, Bioingenieur:innen und Mikrobiolog:innen arbeiten am Standort Frankfurt/Main an diesen Bioreaktoren, um die Grundlage für den Käse von Formo zu schaffen. „Dabei handelt es sich mitunter um Molke und Casein“, weiß Victoria Reinsch. „Grundlage der Nährlösung für die Mikroben sind verschiedene Kohlenhydrate. Besonders stolz sind wir auf die Arbeit an Alternativen, wie Abfällen aus der Kartoffelverarbeitung und in Zukunft im Idealfall sogar Gras – damit wäre quasi die Kuh dann übersprungen.“
Alles Käse
Die Proteingrundlage wird dann als trockenes Pulver nach Berlin geschickt. „Hier in unserem Foodcampus arbeiten Lebensmitteltechnologen und Ökotrophologen daran, aus den Milchproteinen mit Wasser und Pflanzenfett unterschiedliche Käsesorten zu gewinnen“, erläutert Reinsch. Gegenüber konventioneller Käseherstellung scheinen der Käsealternative tatsächlich keine technischen Grenzen gesetzt zu werden: Frischkäse, Blauschimmelkäse, Camembert, Schnittkäse … das Endprodukt entspricht in jedem Fall dem Nährstoffprofil von Käse, wenn man vom Fett absieht.
Und was hält uns davon ab jetzt zu den Feiertagen echtes, kuhfreies Käsefondue, diesmal auch mit den Veganerinnen und Veganern im Freundes- und Familienkreis zu genießen? „Wenn es nach uns geht, würden wir schon nächstes Jahr mit einem Testmarkt in Deutschland starten“, betont Victoria Reinsch. Diesbezügliche EU-Zulassungsauflagen für Novel Food, in denen für alle neuen Lebensmittel ein gesundheitlicher Unbedenklichkeitsnachweis gefordert wird, hängen im Zulassungsprozess bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Wann hier mit einem Ergebnis, im besten Fall einem Zulassungsantrag, zu rechnen ist, steht offen. „Wir starten deshalb“, so Reinsch, „voraussichtlich nächstes Jahr mit unserem Produkt in Singapur.“
Bei den Investierenden kommt das Start-up jedenfalls gut an, so erklärte beispielsweise Jim Mellon, Director bei Agronomics, schon letztes Jahr gegenüber dem Handelsblatt: „Bei Formo wird deutlich, wie Technologie und Wissenschaft die konventionelle Milchindustrie neu erfinden und gleichzeitig positive Veränderung für Klima- und Tierschutz sowie die Gesundheit unserer Gesellschaft voranbringen können.“
Artikel-Teaserbild (oben): Formo Bio GmbH