Ohne sie wären Rahmspinat mit Fischstäbchen und ein großer Teil aller Fertiggerichte nahezu undenkbar: Die Erfindung der Schockfrostung von Lebensmitteln feiert 2023 100. Geburtstag – ein Jubiläum, das die Tiefkühlbranche auf der ganzen Welt rund um den 6. März, den Internationalen Tag der Tiefkühlkost, würdigt. Lebensmittelmagazin.de hat sich mit Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstituts unterhalten.
Dick eingepackt in seinen gefütterten Anorak zieht der Inuit einen fetten Lachs aus dem Wasser. Im eisigen Wind gefriert der Fisch sofort. So bleibt er frisch und schmeckt der Familie auch noch Wochen später, als wäre er gerade erst gefangen worden. Ähnlich müssen die Eindrücke gewesen sein, die den US-amerikanischen Biologen und Abenteurer Clarence Birdseye während seiner Exkursionen in die Arktis in den frühen 1920er Jahren dazu inspiriert haben, die Schockfrostung als natürliche Konservierungsmethode zu entwickeln. Mit einfachen Mitteln wie einem Ventilator, Eis, Salz und sieben Dollar Startkapital gelang es ihm, den späteren Plattenfroster zu entwickeln und patentieren zu lassen. Dank dieser Erfindung schaffte es Birdseye, Lebensmittel innerhalb kürzester Zeit tiefzukühlen – nur durch Kälte, ohne Verlust an Vitaminen, Nährstoffen, Aromen oder Qualität. „Ab -18 Grad Celsius, 0 Grad Fahrenheit, gibt es keine mikrobielle Entwicklung mehr in den Lebensmitteln, die sonst zum Verderb der Ware führen würde“, erklärt Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstituts e. V. (dti).
Kühlung für alle
Nach der Entwicklung der Schockfrostung sollte es allerdings noch weitere sieben Jahre dauern, bevor in den USA am 6. März 1930 die ersten Tiefkühlprodukte wie Gemüse, Obst und Fisch auf den Markt kamen. In Deutschland wurden tiefgekühlte Lebensmittel sogar erst 1955 auf der Anuga, der Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung, in Köln präsentiert. Dabei hatte schon rund 50 Jahre vor Birdseye Carl von Linde mit seiner Kältemaschine die technischen Voraussetzungen für die Tiefkühlung geschaffen, die aber bis dahin in der Lebensmittelwirtschaft lediglich beim Bierbrauen Verwendung fand. Clarence Birdseye selber, der als Pionier einen ganzen Wirtschaftszweig der Lebensmittelbranche begründete, war als Unternehmer weniger begabt. Er verkaufte seine Marke recht bald. Noch heute gehört die Marke Birdseye zur Nomad Foods-Gruppe, zu der auch Iglo Deutschland gehört. Nicht nur die verarbeitende Lebensmittelindustrie benötigte die Schockfrost-Technologie, auch die Logistik, der Handel und nicht zuletzt die Haushalte waren auf Tiefkühlgeräte wie Schränke und Truhen angewiesen, um eine sichere Kühlkette zu gewährleisten.
Seit der Einführung von Tiefkühl-Lebensmitteln erleben diese einen kontinuierlichen Zuwachs. Heutzutage findet man sie nahezu in allen Haushalten, bei einer Auswahl von über 11.000 Produkten (GfK-Consumer Panel 2022). Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt mittlerweile laut dti-Absatzstatistik 2021 bei über 46 Kilogramm. „Lediglich während der Corona-Krise gab es einen kleinen Knick beim Pro-Kopf-Verbrauch, unter anderem wegen der Schließung der Gastronomie. Andererseits haben TK-Heimdienste wie Bofrost in dieser Zeit einen richtigen Boom erlebt, da die direkte Belieferung nach Hause in Pandemiezeiten eine interessante Alternative bot“, erklärt dti-Chefin Sabine Eichner.
Coole Ökobilanz
Die Vorteile von Tiefkühl-Produkten liegen klar auf der Hand: Bis heute gibt es keine schonendere Art der Konservierung von Lebensmitteln, ohne Zugabe von Konservierungsstoffen, bei optimalem Erhalt der Vitamine, Aromen und Nährstoffe, allein durch die Kraft der Kälte. „Wie alle Lebensmittel haben auch Tiefkühl-Produkte ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Hier handelt es sich allerdings um ein Monatsdatum, mit dem die Hersteller die Qualität garantieren. Aber auch danach sind Tiefkühl-Produkte meist noch verzehrfähig“, weiß die Expertin Sabine Eichner. Durch die gute Portionierbarkeit und lange Haltbarkeit ergibt sich auch ein wichtiger Vorteil, wenn es darum geht, Lebensmittelverluste in Privataushalten zu reduzieren. Diese machen immerhin mehr als die Hälfte an den Lebensmittelverlusten in Deutschland insgesamt aus. Auch in puncto Ökobilanz ihrer Produkte kann sich die Tiefkühlbranche im Vergleich zu anderen Zweigen der Lebensmittelwirtschaft sehen lassen: Eine Studie des Ökoinstituts Freiburg aus dem Jahr 2012 hat ergeben, dass die Klimabilanz von Tiefkühllebensmitteln keineswegs schlechter ist als die anderer Angebotsformen. Sabine Eichner erklärt: „Der CO2-Abdruck wird wesentlich mitbestimmt durch die Nutzungsphase beim Verbraucher. Entscheidend ist: Wie energieeffizient ist die Tiefkühlaufbewahrung zu Hause? Auf diesen Aspekt hat die Tiefkühlwirtschaft nur bedingt Einfluss.“
Vom Eise befreit…
Zum Thema Energiesparen hat die Tiefkühlexpertin auch noch einen guten Tipp für unsere Leserinnen und Leser: Tiefkühlgeräte im Haushalt sollten ein- bis zwei Mal pro Jahr abgetaut werden, vor allem dann, wenn im Gerät nicht viel eingelagert ist. Nach dem Ausschalten des Geräts beim Start des Abtauens sollte das Gefriergut dicht gestapelt und kühl gelagert werden, zum Beispiel in Isoliertaschen, Kühlboxen, oder in Zeitungspapier eingeschlagen. Loser Reif im Gerät lässt sich mit einem Schaber vorsichtig entfernen. Eine Schüssel mit heißem Wasser taut übrige Vereisungen auf. Scharfkantige Gegenstände wie Küchenmesser sollten nicht verwendet werden! Vor dem Wiedereinschalten des Gerätes und dem Einräumen der Tiefkühlwaren sollten sämtliche Flächen abgewischt werden und trocken sein.
Für engagierte DIY-Fans, die ihr eigenes Obst und Gemüse, beispielsweise aus dem Schrebergarten, mittels Schockfrostung im Tiefkühler zu Hause länger haltbar machen möchten, um sie auch außerhalb der Saison zu genießen, hat Sabine Eichner leider schlechte Nachrichten: „Haushaltsübliche Tiefkühlgeräte bieten keine Möglichkeit, Lebensmittel zu schockfrosten wie in der Industrie. Dafür ermuntern wir Verbraucherinnen und Verbraucher, übrig gebliebene Speisereste tiefzukühlen: Das klappt nicht nur ganz einfach, sondern ist auch ein sinnvoller Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung und schont das Portemonnaie.“
Artikel-Teaserbild (oben): dti -Peter Rees