Knackige Schönheit: Lotos

Ob im Asiafood, als Snack oder im Teich – Lotos und Seerosen bestechen immer mit ihrer Ästhetik. Als Lebensmittel tauchen sie bereits in der Odyssee, einem der ersten Werke der abendländischen Literatur auf und während sie heute noch als exotisch gelten, spielen sie möglicherweise eine größere Rolle bei der zukünftigen Ernährung. Lebensmittelmagazin.de schaute sich die Wasserpflanzen näher an.

„Und neun Tage trieb ich, von wütenden Stürmen geschleudert,

Über das fischdurchwimmelte Meer; am zehnten gelangt‘ ich

Hin zu den Lotophagen, die blühende Speise genießen.“

[Aus der Odyssee von Homer – „Neunter Gesang“, Zeile 82 bis 84]

Anders als Odysseus muss man nicht nach Nordafrika segeln, um zu den Lotophagen zu gelangen: Südlich von Potsdam züchten Christian und Nick Zilinski, in ihrem Hauptberuf Hoteliers, als großes Hobby Seerosen und Lotos auf ihrem Grund und Boden, bzw. in Kübeln und Bassins in ihren Gewächshäusern.

Der Lotos in Kübeln im Gewächshaus der Farm.
Der Lotos findet sich in Kübeln im Gewächshaus der Farm.
Foto: Seerosenfarm

Frühe Leidenschaft

Christians Begeisterung für Seerosen und später auch Lotos entflammte 2002 während eines Ferienjobs in der benachbarten Baumschule, in der er den Seerosenteich hegen durfte. Als Konsequenz musste sein Vater im Garten einen Teich ausheben, in dem er seine ersten roten Seerosen züchtete und diese bald an alle benachbarten Zierteiche verkaufte, um sein Taschengeld aufzubessern. Mit Erfolg: Auf dem Grundstück seiner Großmutter hinter Königs Wusterhausen, durfte er dann Zuchtteiche anlegen, die heute immer noch Teil der Anlage sind. Die ersten importierten Seerosen stammten aus Israel. 2005 folgte Lotos aus Thailand. Dazu meint Christian: „Ich hatte schon in der Baumschule versucht, Lotos anzubauen, der ist mir aber eingegangen. Jetzt gibt es bei uns aber welchen mit der Marke made in Brandenburg. Insgesamt sind es 200 Sorten Lotos und Seerosen“.

Seerosen gleich Lotos?

Seerosen, Lotos, alles eins? Mitnichten! „Außer der Vorliebe für dieselbe feuchte Umgebung haben beide Pflanzenarten nichts miteinander gemein“, erklärt der Seerosenexperte. „Lotos ist mit Platanen verwandt, während Seerosen eine eigene Gattung sind.“ Lotos ist insgesamt verzehrbar, roh, wie gekocht. Die stärkehaltigen Rhizome, unterirdische Sprossteile, kann man zubereiten wie Kartoffeln, aber auch beispielsweise in dünne Scheibchen geschnitten als Stir Fry mit Sojasauce und Chili zuzubereiten. „Wenn die Löcher größer sind, werden sie beispielsweise in der chinesischen Küche mit Hackfleisch gefüllt“, empfiehlt Christian. Die Rhizome bekommt man im asiatischen Spezialitätengeschäft frisch, tiefgefroren und aus der Konserve. Die Lotossamen isst man wie Nüsse. Die Schale ist sehr hart. Wenn sie geröstet werden, poppen sie auf. Aus den getrockneten Blütenblättern von Seerosen und Lotos kann man einen Tee kochen. Die Lotoszüchter trocknen ebenfalls die schönen vielfarbigen Blüten ihrer Seerosen und ihres Lotos, über den Geschmack sind sie ehrlich: „Pur schmeckt der etwas muffig, aber schaut in der Tasse schön aus. Im Asia-Handel bekommt man ihn gemischt mit grünem Tee.“ Außerdem lässt sich aus den getrockneten Lotosblütenblättern ein Öl pressen, das für die Kosmetik interessant ist. Darüber hinaus werden in Südostasien frische Lotosblütenblätter mit Kokos, Erdnüssen, Limone und Tamarinde als Streetfood-Snack angeboten.

Aus den Stängeln des Lotos lassen sich Fasern gewinnen, die zu Seide verarbeitet werden können. Auch wenn Lotos prinzipiell essbar ist, gibt es doch Unterschiede: „In Asien wird Lotos sowohl als Zierpflanze, als auch als Gemüse gezüchtet. Wir hatten einmal Samen von einem chinesischen Markt mitgenommen und wunderten uns, dass er keine Blüte trieb. Gemüselotos blüht nur sehr selten, bildet dafür aber die dickeren Rhizome“, erklärt Christian. Von der Seerose können die Stängel verzehrt werden, daraus wird in Vietnam ein Salat gemacht. Nick Zilinski gibt zu bedenken: „Sie müssen wie Spargel geschält werden, dementsprechend ist es sinnvoller dicke Stängel zu verwenden.“

Anders als bei den Lotophagen in der Odyssee erzeugt ihr Lotos keinerlei Rausch. „Aber“, so schmunzelt Christian: „in der mittelalterlichen Klostermedizin wurde Seerose eingesetzt, um die Libido von Mönchen und Nonnen zu unterbinden.“

Erste zarte Blüten

In erster Linie züchten sie Lotos und Seerosen als Zierpflanzen, die sie international über ihre Internetseite vor allem an Privatkunden verkaufen. „Wobei wir durchaus noch den Lebensmittelmarkt zu erschließen haben“, meint Christian. Auf ihrem weitläufigen Grundstück stehen mehrere Gewächshäuser. Über 100 Kübel und Bassins befinden sich jeweils darin. Noch halten sich die Pflanzen allerdings bedeckt, es ist zu kalt. Den Unterschied zwischen Lotos und Seerosen erkennt man vor allen Dingen daran, dass die Seerosenblätter auf der Wasseroberfläche liegen, während die Blätter des Lotos am Stängel aus dem Wasser herausragen. Außerdem verfügen nur Lotos über den sogenannten Lotoseffekt, das Abperlen von Wasser an Blättern und Blüten. Gerade blühen erst zwei Seerosen, atemberaubend schön in zartem Magenta und Weiß. Während heimische Seerosen und die Lotospflanzen hervorragend in hiesigen Gefilden wachsen und gedeihen, können exotische Seerosen hier nicht überwintern. „Sobald die Sonne wärmer scheint, geht das sehr schnell mit den Seerosenblüten“, erklärt Nick. „Die Pflanzen lieben warme Tümpel, wo sie im Schlamm stehen. Dazu gibt es auch ein Sprichwort „No mud, no Lotos“ – kein Dreck kein Lotos. Die Verehrung des Lotos in Asien ist sehr groß, immerhin soll Buddha aus einer Lotosblume geboren sein.

Seerosen auf einem Teich.
Seerosenblätter liegen auf der Wasseroberfläche und wachsen auch bei uns sehr gut.
Foto: Marc Heiligenstein – stock.adobe.com

Wer meint Lotos sei exotischer Chichi, dem sei gesagt,  dass Lotoswurzeln Teil der Liste der Future 50 Foods von Knorr und dem World Wide Fund for Nature (WWF) sind. Dessen Schwerpunkte liegen auf einem effizienten, ressourcenschonenden Anbau, geringerer CO2-Bilanz durch höheren Pflanzenanteil der Nahrung sowie besserer Ernährung durch Diversifizierung der Kost. Lotoswurzeln sollen in diesem Kontext eine Alternative zur Kartoffel bieten. Also, warum nicht in Zukunft anstelle von Bratkartoffeln pfannengerührte Lotoswurzel?

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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