Basilikum-Zucht in der Aquaponik-Farm

Hier ist die Zukunft Gegenwart: Die grüne Fisch-Basilikum-Fabrik

Wie werden wir in Zukunft essen? Wird die notwendige Produktionseffizienz zu Lasten des Tierwohls gehen? lebensmittelmagazin.de checkt, ob Aquaponik die Antwort auf die Versorgungsfrage der Zukunft ist.

Im angenehm kühlen Schatten ziehen die zartrosafarbenen Buntbarsche ihre gleichförmigen Kreise in den neuneinviertel Kubikmeter großen Tanks.

„Dass es ihnen gut geht, sieht man schon daran, dass die Finne bei den Tieren eingeklappt ist. Hätten sie Stress, stünde sie hoch“,

erklärt Nicolas Leschke, Gründer von ECF-Farmsystems Berlin.

Nicht weit hinterm Ikea Tempelhof, mitten im Gewerbegebiet, versteckt hinter einer Toreinfahrt, liegt die ECF-Farm mit Gewächshaus und Fischzucht, mitten auf der grünen Wiese, privater Badesee inklusive.

Hauptstadtbarsch
„Hauptstadtbarsch“ im Tank der Aquaponik-Farm. Foto: Johannes/lebensmittelwirtschaft.de

„Unsere kleine Farm“ im Tempelhofer Industriegebiet

Im Glashaus auf 40 mal 30 Meter wächst ein Meer aus Basilikum. Trotz Außentemperaturen von über 30 Grad und knallendem Sonnenschein ist die Atmosphäre im Gewächshaus geradezu angenehm und der Basilikumduft erfrischt.

„Wir haben in der Vergangenheit alle möglichen Gemüse und Kräuter angebaut: Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen und Melonen. Aber jetzt haben wir einen Vertrag mit der REWE, wir produzieren 7.000 bis 7.500 Töpfe Basilikum pro Woche.“ Der grüne Begleiter auf Caprese-Tellern und Pastagerichten macht 60 Prozent des Umsatzes der frischen Kräuter von REWE aus. Zuvor hatten sie zunächst einen Hofladen, einen Marktstand und eine Abobox. „Das sind alles Erfahrungen, die uns heute helfen“, erklärt Nicolas Leschke.

Basilikum in der Aquaponik-Farm
Reihe an Reihe: Basilikum im Gewächshaus der Aquaponik-Farm. Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

Alles unter Kontrolle!?

Inzwischen werden die von Nicolas Leschke und Christian Echternacht konzipierten „Ecofriendly Farmsystems“ an mehreren Stellen in Europa bereits nachgebaut, wie zuletzt in Brüssel.

Das Herzstück der ECF-Farm, die Regeltechnik, smarte Multisensorik, misst und reguliert den Luft- und Wasseraustausch zwischen Gewächshaus und Aquakultur, aber auch den Lichteinfall im Gewächshaus, Ph und Nährwert des Wassers, die Luftzirkulation, die Raumtemperatur. Das gleiche gilt für die Aquakultur: Der Sauer- und Nährstoffgehalt des Wassers, Licht und Temperaturen.

„Und alles lässt sich im Zweifelsfall über das Smartphone regeln. Hier steht eigentlich selten jemand zum kontrollieren“,

sagt Nicolas Leschke vor dem großen Rechner.

Grüne Industrie?

Diese durchtechnologisierte Anlage demonstriert schon radikal die Entkoppelung der Lebensmittelproduktion von traditioneller Landwirtschaft mit Handarbeit. Allumfassende Sensorik, der Sauerstoffreaktor für die Fischtanks, die Filter- und Aufbereitungsanlage, die aus flüssigen Fischexkrementen mittels Bakterien Dünger für das Basilikum macht, das selbst entwickelte VertiCCs, ein ausgeklügeltes System mit optimierter Bewässerung und Beleuchtung zur Anzucht von Pflanzen, sind Beispiele von smarter Industrialisierung.

Allerdings dient diese hier als zukunftsträchtiges Modell, die weniger den Fokus auf die Gewinnoptimierung um jeden Preis legt, sondern mit allen Mitteln die Nachhaltigkeit verfolgt.

„Ziel des zukünftigen Anbaus von Gemüse muss die Reduktion von Ressourcen bei gleichzeitig optimierter Platzeffizienz der Pflanzen sein“,

meint Nicolas Leschke.

Die Bedenken, dass beim aquaponischen Anbau von Gemüse geschmackliche Defizite die Folge wären, wie die legendäre holländische Wassertomate, kann der ECF-Gründer zerstreuen, „das ist keine Frage des Anbaus, sondern der Sorte.“

– Durch Zucht werden Tomaten immer besser. Hier mehr dazu. –

Ein gesunder Fisch in einem gesunden Tank

Trotzdem überrascht die Information, dass die Fischzucht antibiotikafrei sei, zumal das System keineswegs keimfrei hermetisch abgeriegelt ist. „Unsere Fische waren noch nie krank. Ich bin davon überzeugt, dass die starke Immunabwehr unserer Fische wie bei jedem anderen Organismus auch abhängig ist von optimaler Ernährung, bester Lebensbedingung und ausreichende Bewegung.“

Afrikaner aus Holland

Einem bürokratischen Haken sieht sich das Team der ECF-Farm noch gegenüber: Die Alien-Species-Verordnung, denn der Buntbarsch kommt von weit her. „Unser Fisch wird diskriminiert, weil er Afrikaner ist.“ Das bedeutet, dass sie gezwungen sind, die festen Ausscheidungen über den Abfluss zu entsorgen, obwohl man daraus Dünger modifizieren könnte. Die Jungtiere kommen aus Holland. Gerade baut er mit seinem Team eine Lemnaanlage: Wasserlinsen, die entweder direkt als Fischfutter oder für die Zucht von Waffenfliegenlarven, bestes Fischfutter, eingesetzt werden sollen. Bislang kam das individuell zugeschnittene Fischfutter von extern.

Im Gegensatz zu seiner Fischanlage stelle der klassische Karpfenteich bisweilen eine enorme Belastung für die Tiere dar, ist Leschke überzeugt. „Gerade jetzt im Sommer sind Wassertemperatur und Sauerstoffsättigung in derartigen Anlagen oft schwierig zu regulieren. Natürlich denkt man bei artgerechter Fischzucht an die Teiche mitten im Grünen, aber ganz ehrlich den Fischen ist es egal ob da Bäume stehen oder nicht.“, sagt Nicolas Leschke. Angesichts seiner Meinung nach unabsehbarer Konsequenzen menschlicher Eingriffe in die Natur heißt es für ihn: „Finger weg von Zuchtanlagen in Seen und Flüssen, höchstens Wildfang!“

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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