Ob sahnig-cremig mit Schokolade und Nüssen oder fruchtig-süß – Eis am Stiel gehört zum Sommer wie Freibad und Flipflops. Vor einem Jahrhundert wurde diese Köstlichkeit erfunden. Lebensmittelmagazin.de lässt es sich im Mund zergehen.
1923 haben sich die Amerikaner Frank Epperson und Harry Burst zwei Köstlichkeiten patentieren lassen, die als Ursprung des Eis am Stiel gelten. Epperson brachte eine gefrorene Brause am Stiel auf den Markt und Burst einen am Stock gefrorenen Vanillebrocken samt Schokoladenguss. 100 Jahre später erfreut sich das Eis am Stiel in allen Formen und Farben bei Alt und Jung größter Beliebtheit.
Purer Genuss
Vor allem in vielen Berliner Cafés und Bioläden, aber auch im übrigen Deutschland findet man das Eis am Stiel des Berliner Unternehmens Paletas, das 2012 von Denise und Torsten gegründet wurde. Ihre Manufaktur, in der sie gemeinsam mit zehn Mitarbeiter:innen ihr Eis am Stiel von Hand herstellen, liegt in Lichtenberg.
Mit dem noch verpackten Eis in der Hand stellt sich schon die erste Frage: Auf der vermeintlichen Plastikverpackung prangt ein großes Plastikfrei-Label. Dem fragenden Blick erwidert Torsten: „Das ist Cellulose, das kannst du in der Biotonne oder dem heimischen Kompost entsorgen, nach 180 Tagen hat sich das spätestens zersetzt.“
In der Packung steckt ein blassgrünes Gurke-Zitrone-Eis mit neckischem Gurkenscheibchen in der Mitte. Draußen sind über 30 Grad, der Weg auf dem Fahrrad von Berlin-Mitte nach Lichtenberg war lang, es gibt wahrlich gerade nichts Besseres zur Erfrischung. „Das Gurke-Zitrone-Eis ist ähnlich beliebt wie Erdbeere-Limette und das Signature-Paleta unserer Firma“, meint der Gründer Wie kommt man auf eine solche Geschmacksrichtung? Torsten holt aus: „Ich habe schon immer dieses eine Orangeneis am Stiel besonders gerne gemocht. Und dann waren wir vor langer Zeit in Australien. Dort gab es ein Eis am Stiel, das aus 100 Prozent Orange bestand. Die wuchsen dort auch überall. Das hat so fantastisch im Vergleich geschmeckt. Und da wir beiden von je her darauf achten, dass unser Essen möglichst unverarbeitet ist bzw. ohne Farb- und Aromastoffe auskommt, entwickelten wir die Idee, Eis am Stiel nach unseren Vorstellungen selber herzustellen. Zu der Zeit haben wir sehr gerne Gurkenwasser getrunken. Gurken sind auch ein regionales Produkt, da lag das Gurken-Eis dann praktisch nahe. Weil vor über zehn Jahren noch kein Mensch Gurkeneis kannte, haben wir uns an den Wochenenden auf Wochenmärkten, wie den am Boxhagener Platz gestellt und den Besucherinnen und Besuchern unser Produkt präsentiert. Die Reaktionen waren grundsätzlich Neugierde und Überraschung und im Ergebnis dann oft Begeisterung.“
Gurken, Gurken, Gurken
Auf dem Tisch reihen sich die Kübel mit frischen Salatgurken. Mit Sparschälern wie aus der heimischen Schublade rücken die Mitarbeiter:innen der Schale zu Leibe. Schnipp, schnapp, beide Enden ab, einmal in der Mitte durch und weiter geht’s. Warum lässt Torsten die Gurken nicht maschinell schälen? Der Paletas-Gründer erklärt: „Durch den händischen Arbeitszeitaufwand wird das Gurke-Zitrone-Eis zwar am kostenintensivsten, aber wir benötigen ein bisschen grün von der Schale im Eis. Maschinen würden zu gründlich schälen und die andere Alternative, ungeschält, wäre zu bitter.“ Die Imperfektion der Handarbeit garantiert also den optimalen und gewünschten Geschmack. Das bedeutet, dass an jedem Gurke-Zitrone-Eis-Tag 500 Gurken darauf warten, manuell verarbeitet zu werden. Rund 1.000 bis 1.500 Eis am Stiel produziert das Unternehmen täglich und nicht zu vergessen: Zusätzlich müssen noch für die Scheibchen im Eis mindestens 20 weitere Gurken gehobelt werden.
Die geschälten Gurken werden entsaftet. Außerdem kommen in die Paletas neben der Frucht noch Zucker, Wasser und je nach Rezept Zitrone oder beispielsweise Kokosmilch, alles in Bio-Qualität und mit Ökostrom produziert. Sofern möglich stammen die Zutaten aus der Region, wie die Gurken oder auch Birnen und Holunder bei der Geschmacksrichtung Birne-Holunder. Bei Sorten wie Mango-Kokosmilch klapp das natürlich nicht. „Beim Zucker wählen wir Bio-Rübenzucker, der kommt aus Deutschland, wird nachhaltig angebaut, die Lieferkette ist bestmöglich transparent, die Arbeitsbedingungen sind am fairsten, der CO2-Fußabdruck ist allein schon durch die kurzen Lieferwege gering, was will man mehr?“, schwärmt Torsten. Die fertige Mischung kommt in Metallformen mit 28 Kammern für Eis am Stiel, welche im Anschluss für 20 Minuten in einem Bad mit Glykol bei minus 35 Grad Celsius runtergefrostet werden.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Ruhm und Ehre
Für dieses Konzept gab es 2016 den Free-from-Award. Beim FreeFrom Hero Product Newcomer Award werden besonders innovative und neuartige Produkte auf dem glutenfreien Markt prämiert. Darüber hinaus sind Denise und Torsten seit zwei Jahren stolz darauf, dass die Produktion durch die IFS Global Market Foods Zertifizierung ausgezeichnet wurde, dem International Featured Standard für Lebensmittel-, Produkt- und Servicestandards.
Das Geschäft von Paletas ist Saisonarbeit von Februar bis Oktober. Aktuell bieten sie sieben Sorten an, die jüngste ist Strawberry-Cheesecake. Auch wenn der Name anderes impliziert, ist sie, wie die übrigen Sorten auch, vegan. Der Cheesecake besteht nämlich aus einer Frischkäse-Alternative auf Tofu-Basis. Was jetzt nicht unbedingt so klingt, schmeckt im Endeffekt richtig lecker, erinnert ein bisschen an eingefrorene rote Kinder-Quarkspeise, aber besser. „Wir haben zehn Frischkäse-Alternativen durchgetestet, hier waren wir mit dem Ergebnis am zufriedensten.“ Strawberry-Cheesecake bietet im Gegensatz zum Gurken-Zitronen-Eis, welches nur magere 45 Kilokalorien liefert, aber auch direkt 100 Kilokalorien mehr – von nichts kommt nichts.
Ein interessanter Paletas-Effekt: Durch den Verzicht auf Zusatzstoffe ist das Eis am Stiel zunächst so festgefroren, dass man einige Momente mit der Schleckerei warten muss, nachdem man sie aus Kühlung holt. Dafür läuft es dann aber auch nicht so schnell klebrig süß über die Finger wie normalerweise beim Eis am Stiel im Sommer, wenn es heiß ist.
Artikel-Teaserbild (oben): Paletas GmbH & Co. KG