Risotto in Brandenburg – erster deutscher Reisanbau

Der erste deutsche Bauernhof experimentiert mit dem Anbau von Reispflanzen. Lebensmittelmagazin.de ist dafür nach Brandenburg gefahren.

Eine halbe Autostunde nördlich von Berlin liegt der Kranichhof im Storchendorf Linum. Er ist Teil des Schweizer Ökolandbau-Unternehmens Natur Konkret AG, das sich hier seit 2016 niedergelassen hat. 

Landwirtschaft und Naturschutz

Der Kranichhof betreibt öko-zertifizierte Mutterkuhhaltung von Black-Angus-Rindern und Wasserbüffeln sowie Grünlandpflanzung. Mit dieser Kombination verfolgt der Hof eine optimale Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Permakultur. Dabei legen sie ganz besonderen Wert auf den Schutz von Bodenbrütern, also von Vogelarten, die ihre Nester am Erdboden anlegen. Der Kranichhof belässt für die Vögel extra zehn Prozent Altgrasstreifen, die sogar vom Mähroboter stehen gelassen werden. Mit Erfolg: Seit der Aufnahme des Programms hat sich die Biodiversität an hiesigen Vögeln vervielfacht.

Reisanbau in Linum
Deutscher Reisanbau im brandenburgischen Linum
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Reis statt Karpfen

Der Hof in Linum verfügt zudem über zehn Weiher mit acht bis neun Hektar Teichwirtschaft für die Zucht von zweieinhalb Tonnen Karpfen.  Der Karpfen ist ein Pflanzenfresser und im Vergleich zu anderen Arten anspruchslos. Außerdem hat er, im Gegensatz zu vielen anderen Fischen, eine hervorragende Ökobilanz. Das Problem vom Karpfen ist nur, dass er den Ruf hat, muffig zu sein und zu viele Gräten zu haben. Ersteres ist eine Frage der Haltung und bei Letzterem kann der Fischhändler beim Filetieren helfen. Trotzdem ist die Nachfrage nach Karpfen rückläufig, sodass er eigentlich nur noch zu Weihnachten und Neujahr  auf den Tisch kommt. Die Teichfläche des Hofs eignet sich allerdings für alternative Fische wenig, deshalb kam die Idee auf, stattdessen Reis anzubauen: „Während Karpfen eine Wassertiefe von anderthalb Metern benötigen, reicht den Reispflanzen bis zu einem halben Meter“, gibt Robert Jäckel, Landwirt auf dem Kranichhof zu bedenken.

Bereits 2020 starteten sie deshalb den Versuch Reis anzubauen – und scheiterten dabei. Dem zweiten Versuch ging ein Ernteerfolg in der Schweiz als Best Practice voraus. Dementsprechend liegt die Erwartungshaltung jetzt bei fünf Tonnen Reis pro Hektar.

Aller Anfang ist schwer

Jetzt sind 86.000 Reispflanzen der Sorte „Loto“ in der Schweiz vorgezogen und hierher transportiert worden. Angesichts der Kilometer wäre es laut Jäckel zwar wünschenswert gewesen, die Vorzucht bei einem Landwirt in Brandenburg zu machen, doch es mangelte an den lokalen Kapazitäten. Das vierköpfige Team vom Kranichhof hatte zuvor den Teich trockengelegt, den Boden mit der Fräse bearbeitet und anschließend per Walze wieder verfestigt. Die ersten 20 Meter Reispflanzen wurden per Hand eingepflanzt. Robert Jäckel erklärt: „Die Erkenntnis, dass es nicht nur mühselig war, sondern die Pflanzen durch den zeitlichen Aufwand auch zu vertrocknen drohten, brachte uns dazu, die übrigen mit einer konventionellen Gemüsesetzmaschine einzupflanzen – Wasser drauf und fertig. Denn Reis ist wie eine Art Schilfpflanze. Die sonstige Pflege ist überschaubar. Etwaiges Unkraut entfernen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Elektrosense, aber am wichtigsten für den Reis ist Wärme und Sonne.“

Einer besonderen Herausforderung beim Reisanbau sieht sich das Team von Robert Jäckel seit neuestem gegenüber: Die Gänse des Naturschutzgebietes Linumer Bruch haben eine Vorliebe für die Spitzen der Reispflanzen entdeckt und futtern diese jetzt hemmungslos. Raubvogelattrappen und Schreckschussanlage machen aber insgesamt wenig Eindruck auf die Tiere. „Als nächstes spannen wir Netze über das Feld, mal schauen, ob das Erfolg bringt“, meint der Landwirt. Unter dem strahlend blauen Himmel erinnern die zarten Grünpflanzenreihen im Wasser stehend tatsächlich ein kleines bisschen an Bilder von exotischen Reisfeldern in Thailand.

In ehemaligen Karpfenteichen wachsen nun die Reispflanzen heran.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Ökobilanz?

Grundsätzlich gilt Reisanbau als problematisch in Sachen Nachhaltigkeit. Nicht nur der Anbau ist wasserintensiv, auch die nach der Ernte anstehende Reinigung, beispielsweise von Arsen-Rückständen, benötigt große Mengen an Wasser. Hinzu kommt der Ausstoß an CO2 und Methan. Ein bisschen weiß Robert Jäckel die Sorgen zu zerstreuen: „Arsen ist in erster Linie eine Frage des Bodens. Durch die Teichwirtschaft haben wir zudem gute Möglichkeiten der Wasserregulierung. Methan ist tatsächlich ein wichtiges Thema, da es in den Pflanzenrhizomen entsteht, da befinden wir uns noch in der Findungsphase von Lösungen. Uns ist erstmal wichtig Diversitätskonzepte zur hiesigen Getreideproblematik zu entwickeln.“

Zumindest die Gänse freuen sich sehr über den Reisanbau. Diesen Umstand kann man auch anders nutzen: Auf dem Gelände des Kranichhofes werden Ferienappartements gebaut für Wochenendtourist:innen, die sich an der Fauna und Flora erfreuen können. Bauer Robert Jäckel gibt den Tipp: „Im Oktober ist die Saison der aufsteigenden Kraniche, das ist ein ganz besonders prachtvoller Anblick.“

Artikel-Teaserbild (oben): katrinshine – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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