Egal ob Köfte, Spieße oder Döner Kebab, Fleisch spielt in der türkischen Küche eine wichtige Rolle. Aber wie schaut es mit Fleischersatz aus? Lebensmittelmagazin.de fuhr auf einen Veggie-Döner nach Hamburg.
Demnächst heißt es beim Döner Kebab nicht mehr nur Hähnchen oder Kalb, sondern auch Veggie. Lebensmittelriese Unilever hat zusammen mit der Fleischlos-Tochter Vegetarian Butcher und dem europaweiten Dönerproduzenten Düzgün den ersten vegetarischen Dönerspieß auf den Markt gebracht, der demnächst flächendeckend in den Dönerbuden vor der Gasflamme brutzeln soll.
„Mit Zwiebel und alles“
Anfang September lud Unilever in das Chefmanship-Centre in Hamburg unweit von St. Nikolai zum Launch des Veggie-Döners, der auch als plant-based-Kebab bezeichnet wird. Goldbraun drehte sich der Dönerspieß, sogar der pflanzliche Fleischsaft tropfte herunter. Jenseits von „Knoblauch, Kräuter oder scharf?“ ließ die Beilagenauswahl von Salaten und Co. zum Kebab keine Wünsche offen. Nachdem die DACH-Chefin von Unilever, Nadia Meier, gemeinsam mit Düzgün-Geschäftsführer Fevzi Düzgün die einzigartige Gelegenheit wahrnahm, die großen Kebabstreifen vom Spieß herunter zu schneiden, kamen die Gäste in den Genuss des neuen Döners. Und wie war das Feedback? Allenthalben ein hanseatisch-enthusiastisches „Kann man essen“, also maximale Begeisterung. Wenn das der Erfinder des Döner Kebabs, Kadir Nurman, wüsste…
Wirtschaftlich ist es auf jeden Fall interessant: Kebab ist in Europa buchstäblich in aller Munde. Der Umsatz für Döner liegt bei einer täglichen Produktion von 400 Tonnen bei 12 Milliarden Euro pro Jahr. Allein in Deutschland werden jährlich 2,4 Milliarden Euro für Döner ausgegeben. Die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich vegan, vegetarisch oder flexitarisch ernähren und ihren Fleischkonsum reduzieren wollen, ist auf jeden Fall vorhanden. Sogar mit wachsender Tendenz, denn immerhin 42 Prozent gaben in Umfragen an, weniger Fleisch verzehren zu wollen. 60 Prozent der Deutschen zwischen 16 und 59 Jahren würden einen Kebab auf pflanzlicher Basis bestellen. Mit dem Düzgün-Netzwerk wäre der Markt nicht nur in Deutschland, sondern in über 15 europäischen Ländern offen.
Saftig, knusprig und geröstet
Fleischersatz per se hat nicht nur seine Fans, sondern auch eine Menge Kritikerinnen und Kritiker. Oft hört und liest man in dem Zusammenhang aber auch von starker Verarbeitung unter Einsatz von Zusatzstoffen. Darauf angesprochen, weist Bart van de Ree, Product Manager bei Vegetarian Butcher, den Vorwurf zurück: „Sojaprotein wird mit Pflanzenöl, Wasser und Gewürzen zusammengerührt – das ist jetzt nicht sonderlich hoch verarbeitet.“ Noch mal nachgefasst erläutert er: „Durch die Verwendung des richtigen Sojaproteins konnten wir die perfekte Konsistenz erreichen. Die Saftigkeit kommt von einer Kombination aus pflanzlichen Fetten, die durch unsere Technologie den Kebab konstant nahrhaft hält. Die Knusprigkeit und der Röstgeschmack werden durch einen Hauch von Traubenzucker intensiviert. Wir haben den Herstellungsprozess ähnlich wie bei einem Fleischspieß gehalten, weil wir glauben, dass wir ihn so authentisch wie möglich machen können.“ Sojaprotein wird aus dem entölten Sojaschrot durch Prozesse wie Wasserdampf, Druck und Hitze gewonnen.
Von den Kalorien her kann der Veggie-Kebab mit einem handelsüblichen Hähnchen-Döner mithalten, erfreulicherweise sogar mit weniger Natriumchlorid. Preislich soll er sich ebenfalls an den herkömmlichen Döner-Kebabs orientieren. Es spricht also nichts dagegen, demnächst nachts um halb eins nach einem Reeperbahnbummel der potenziellen Lust auf einen Döner-Kebab im Rahmen der pflanzenbasierten Diät nachzugeben.
Fleischersatz à la Turka
So progressiv der Unilever-Veggie-Döner sein mag, so neu ist der Gedanke an Fleischalternativen gerade in der türkischen Küche nicht. Orhan Tançgil ist mit seinen Kochbüchern, Fernsehauftritten, seiner Kochschule und nicht zuletzt seinem Blog „KochDichTürkisch“ geradezu ein Kulturbotschafter der türkischen Kulinarik. Er erklärt: „Die Einflüsse der türkischen Küche sind in der halben Welt verbreitet. Als Nomaden sind die Turkvölker über die kasachische Steppe gezogen, immer auf der Suche nach fruchtbaren Stellen für ihre Tiere. Vielleicht besser: Sie stritten mit den Mongolen und ihretwegen haben die Chinesen ihre große Mauer gebaut. Irgendwann sollen sie sogar über die Beringsee den amerikanischen Kontinent besiedelt haben. Wenn man die Muster beispielsweise auf Tipis mit denen auf türkischen Kelims vergleicht, fällt schon eine gewisse Ähnlichkeit auf. Erst vor 1.000 Jahren besiedelten die Seldschuken Anatolien und schlugen die Byzantiner im oströmischen Reich. Andere Turk-Stämme, unter anderem die Hunnen, zogen nach Europa, beispielsweise nach (H)Ungarn und sogar nach Finnland. Die Seldschuken wurden in Anatolien durch die Mongolen geschlagen und in Folge dessen gründete vor 750 Jahren Osman-Gazi das Osmanische Reich, einen Vielvölkerstaat.“ Bis dahin lebten die Menschen eher situativ vegetarisch. Fleisch gab es nur bei erfolgreicher Jagd. Die Tiere, die man hatte, waren zu wertvoll zum Schlachten, man nutzte eher ihre Milch. Wenn man sie doch schlachtete, wurde das Tier vollständig verwendet. Das Fleisch wurde von den Knochen gelöst, aus denen man noch eine Suppe kochte. Und man stellte beispielsweise Pastirma her, Dörrfleisch zur Haltbarmachung, das zuerst gesalzen und dann mit einer Kräuter-Gewürz-Schicht zwischen Sattel und Schabracke (Satteldecke) weichgeritten wurde.
Bohnen, Linsen und Co
Viel wichtiger im Alltag waren Getreide, vor allem in Form von Reis und Hülsenfrüchten. Bulgur wurde erst später von den Türken in Anatolien entdeckt. Der türkische Gourmet erklärt: „Das wichtigste Gericht in der Türkei ist Pilav, was nichts Anderes bedeutet, als Getreide gemischt mit Hülsenfrüchten, Gemüse oder Fleisch. Dieses Gericht kennt man unter ähnlichen Namen in ganz Asien bis hin zum Balkan. Nach dem ersten Weltkrieg bildeten sich in der Türkei drei Strömungen in der Küche. Zunächst war da eine sehr prunkvolle, die sich an der osmanischen Tradition orientierte, dann die Restaurant-Küche, die neu frankophil war und die Volksküche, die von Armut und Mangel an Vielfalt geprägt war. Zentrale Rolle spielt hier „Kuru Fasulye Pilav“, also Reis mit weißen Bohnen. Die Hülsenfrüchte versorgten die Menschen mit Proteinen und der Reis machte sie satt.“ Pilav-Rezepte sind vielfältig, je nach Region. Tançgil führt weiter aus: „Anhand der Rezeptur eines Reis-Pilav lässt sich auch die Herkunft oftmals erkennen. In der westlichen Türkei, der Ägäis-Region, sind die Böden fruchtbar und das Essen ist geprägt von Gemüse und Olivenöl, während im Osten, in Anatolien, eher Butter und Milchprodukte verwendet werden.“ Der Mangel an Fleisch sorgte aber auch für kreative Rezeptideen: So lassen Mercimek Köfte, Bällchen aus gekochten Linsen, die mit Kräutern, Salat und Zitrone serviert werden, beispielsweise kein Fleisch vermissen. Ähnliches gilt auch fürÇiğ Köfte, die heute aus Bulgur und Paprikamark zubereitet werden. Kleiner Einwand von Tançgil: „Ursprünglich bestanden sie sehr wohl aus Fleisch. Dabei handelte es sich um ein Gericht, das vor einer Schlacht erfunden wurde. Der Feinde wegen durfte kein Feuer entfacht werden. Also wurde das Fleisch fein gehackt und mit Bulgur stundenlang geknetet, bis es weich und verzehrfähig war.“
Ein Gericht, das den weiten Einfluss der türkischen Küche demonstriert, sind Mantı, gefüllte Teigtaschen, die man neben klassischer Rindfleischfüllung auch mit Hülsenfrüchten wie Linsen kennt. „In Korea heißen sie Mandu, eindeutig türkisiert werden sie durch den Klecks Joghurt, mit denen sie serviert werden,“ so der türkische Gastronom. Kaum ein Lebensmittel steht so für die Türkei wie Joghurt, der morgens, mittags und abends auf den Tisch. Die Türken haben davon den weltweit höchsten Pro-Kopf-Verbrauch (27 kg).
Noch ein schönes Beispiel von ihm: „Gaziantep, eine Stadt an der syrischen Grenze, hat eine Küche, die sehr fleischbetont ist. Trotzdem hat sich dort ein sogenannter Günstig-Dürum etabliert. Das ist ein Lavaş-Brot, in das gekochte und stark gewürzte Kichererbsen gewickelt werden. Von meiner Großcousine weiß ich allerdings, dass man das in Istanbul beispielsweise erst seit den 60er-Jahren kennt, vorher war die Region einfach viel zu weit weg und nicht erreichbar, das hat sich ja innerhalb der letzten Jahrzehnte stark geändert.“
Wer nach dem Veggie-Döner Appetit auf weitere türkische Veggiekreationen mit Fleischalternativen hat, kann sich an Mercimek Köfte vom Weblog „KochDichTürkisch“ versuchen:
Zutaten
- 300 g rote Linsen gut gewaschen und abgetropft
- 700 ml Wasser
- 1,5 TL Salz
- 1 Lorbeerblatt
- 130 g feiner Bulgur (Köftelik Bulgur)
- 1 Zwiebel (klein) geschält und sehr klein gewürfelt
- 6-8 EL Natives Olivenöl Extra
- 1 EL Salça (gewürztes Tomaten-, Paprikamark)
- ½ TL gemahlener Kreuzkümmel (Cumin)
- 1 Zitrone frisch gepresst
- ¼ TL Pul Biber (Chiliflocken)
- 2-3 Frühlingszwiebeln klein geschnitten
- 8-12 Stängel glatte Petersilie klein geschnitten
- 30 g Sesam geröstet (optional auf Wunsch)
Zum Garnieren
- 2-3 Romana-Salatherzenblätter gewaschen
- einige Zitronenschnitzen oder gutes Granatapfelsirup
Zubereitung
- Linsen in einem großen Topf mit ca. 700 ml Wasser, Salz und einem Lorbeerblatt kurz aufkochen und dann bei mittlerer Hitze 15-20 Minuten kochen, bis sie komplett zerkocht sind. Den entstehenden Schaum zwischendurch abschöpfen.
- Herd ausschalten, den feinen Bulgur in den Topf mit den heißen Linsen geben und umrühren. Deckel schließen und weitere 20 Minuten ziehen lassen. Der Bulgur quillt auf und entzieht den Linsen die überflüssige Feuchtigkeit.
- In einer beschichteten Pfanne Olivenöl erhitzen und darin die gewürfelte Zwiebel leicht andünsten. Dann Salça und gemahlenen Kreuzkümmel auch 1-2 Minuten darin mitdünsten. Diese Mischung, den Saft einer Zitrone und Chiliflocken in den Topf mit Linsen und Bulgur geben. Mit den Händen durchkneten, bis es eine homogene gelb-orange Farbe angenommen hat. Vorsicht, sehr heiß! Etwas abkühlen lassen.
- Geschnittene Petersilie und Frühlingszwiebeln in die inzwischen abgekühlte und knetbare Linsen-Bulgur-Masse geben. Mit Salz und Zitronensaft abschmecken.
- Aus der Linsen-Bulgur-Masse längliche Laibchen (oder runde Bällchen) formen und auf Wunsch in Sesam rollen. Die Laibchen auf Salatblättern anrichten, mit der man sie auch leicht vom Tablett als Fingerfood nehmen und verzehren kann.
Tipp: Kurz vor dem Servieren die Linsen-Laibchen mit Granatapfelsirup oder Zitrone beträufeln. Der süßsaure Geschmack gibt den pikanten Laibchen eine leckere und leicht herbe Note.
Artikel-Teaserbild (oben): The Vegetarian Butcher
Döner ohne Fleisch ist kein Döner!