Drink Doch Ene Met: Kölsch

Karneval in Köln – eine Stadt im Ausnahmezustand. Welcher Zeitpunkt wäre besser als jetzt über Kölsch zu schreiben, das nicht nur nach seiner Stadt benannt wurde, sondern außerdem eine geschützte geographische Angabe hat? Lebensmittelmagazin.de war kurz vor Fastelovend im Brauhaus.

Mittags im Brauhaus Max Stark am Eigelstein in der Kölner Innenstadt – auf Empfehlung. Es liegt etwas abseits der bekannten Brauhäuser wie Früh oder Sion, die sich alle mehr oder weniger in der Altstadt tummeln. Ohne Reservierung gibt es einen Platz an der Mitteltafel, die man sich mit der netten Gesellschaft anderer einzelner Herren teilt.

Spielregeln beim Trinken

Der Köbes namens Lea stellt eine Kölschstange vor dem Mittagessen auf den Tisch. Köbes gäbe es nur im maskulin, auch wenn man es schon mit Köbesse versucht habe, meint sie. Nach einem guten Schluck ist das Glas schon fast leer. Es dauert nicht lange, da steht Köbes Lea mit der nächsten Kölschstange aus ihrem Kranz, einem ringförmigen Bierhalter, schon parat zur Stelle: „Wollteste noch eins, oder? Ich bin da ja nicht so streng.”

Sie erklärt: „Eine leere Stange wird automatisch gegen ein volles Glas ausgetauscht. Sobald es vorne an der Theke gezapft ist, gibt es bei den Kollegen oft kein Pardon. Du zeigst an, wenn du genug hast, indem du den Bierdeckel, auf dem die Kölsch per Strichliste festgehalten werden, auf den Glasrand legst.” Nach dem Mittagessen nickt sie zur bedeckten, leeren Kölschstange: „Siehste, habe ich sofort verstanden.”

Auf die Frage, inwiefern für sie das Kölner Bier mit kölscher Lebensart gerade jetzt im Karneval zusammenhängt, antwortet sie lachend: „Total – ein bisschen besoffen und offen.” Damit meint sie diese berühmt-berüchtigte kölsche Eigenheit, als fremde Einzelperson sofort willkommen geheißen und miteinbezogen zu werden.

Kölsch-Konvention

Christian Kerner ist nicht nur Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbands e.V., sondern selber Gastronomenkind und nein, er war kein Köbes. Warum hat der Köbes eigentlich den Ruf so ruppig zu sein, ähnlich dem Berliner Taxifahrer? Kerner erklärt: „Das waren früher die Brauereigesellen, für die ihre Arbeit wesentlich härter war als heute. Vormittags mussten sie Bier brauen und ab Mittag verdienten sie einen Großteil ihres Lohns beim Kellnern durch Umsatzbeteiligung. Da mussten sie schauen, wo sie bleiben.” 

Lange vor der geschützten geographischen Angabe waren Umgang, Herstellung und Vertrieb mit Kölsch bereits in der Konvention von 1985 festgeschrieben. Dazu gehört unter anderem auch der Ausschank in der Kölschstange, die, bei Lichte betrachtet, eher an ein Reagenz- als an ein Bierglas erinnert. Ungefähr 15 cm hoch und fünf Zentimeter im Durchmesser, umfasst sie 0,2 Liter Fassungsvermögen, deswegen liegt die Nase beim Trinken oft außerhalb des Glases. Man hat also kaum die Möglichkeit, vorab die Blume, die nach fruchtigen Hefearomen riecht, wahrzunehmen. Dieser Geschmack entfaltet sich dann erst in der Mundhöhle.

Reagenzglas mit Sinn

Das bestätigt auch der Kölsch-Verbandschef: „Für den optimalen Genuss lässt man das Bier ein wenig im Mund wirken. Kölsch ist ein einzigartiges Bier, obergärig, blond und hopfenbetont. Auch wenn der Geschmack eher leicht ist, hat Kölsch den Alkoholgehalt eines Vollbiers von 4,9 Prozent. Kölsch hat als obergäriges Bier von Natur aus wenig Kohlensäure. Deswegen hat die Kölschstange ihren Zweck: Der kleine Radius der Stange sorgt also für geringe Kontaktfläche mit der Luft, so dass das Bier nicht schal wird. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum die Stange so klein ist, damit man immer ein frisches Bier parat hat.”

Untergäriges Bier, wie etwa Pilsener, braucht wesentlich niedrigere Temperaturen zum Gären als etwa Kölsch. Eine garantierte Gewährleistung immer gleichbleibender Temperaturen ist übrigens erst seit der Erfindung der Kältetechnik von Carl von Linde 1895 möglich.

Ansicht des Kölner Hafens mit Dom im Hintergrund.
Wo in Köln das Bier auch gebraut wird, der Kölner Dom sollte laut Christian Kerner schon zu sehen sein.
Foto: 77pixels – stock.adobe.com

Kölsch ist Kölsch

Die Kölsch-Konvention war ursprünglich für den internen Wettbewerb gedacht. So regelt sie beispielsweise auch die Namensgebung, dass Kölsch ausschließlich Kölsch ist und keine Zusätze im Namen tragen darf, etwa Edel-, Ur-, oder Natur-. Gleichzeitig ist sie der erste Schutz, um zu verhindern, dass das Kölner Bier anderswo weltweit unter ähnlichem Namen nachgebraut wird.

Die geschützte geographische Angabe von Kölsch besteht seit 2012. Auch wenn der Name Kölsch für Bier erst 1906 aufgetaucht war, so schaut die Stadt auf eine Bierbrautradition, die sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, aber noch weitaus älter sein dürfte.

Auf die Frage, wie groß das Gebiet sei, in dem das Bier gebraut werden darf, entgegnet Christian Kerner: „Der Dom sollte schon zu sehen sein, Ausnahme gilt für Wiehl im Bergischen Land und Brühl.” Aktuell gäbe es sieben Braustätten, die unter Lizenz für über 20 Kölsch Marken brauen, früher waren es noch 27 Brauereien. Er erläutert: „Das bedeutet allerdings nicht, dass wir über 20 Mal dasselbe Bier trinken. Da hat schon jedes Bier seine individuellen Hefestämme, Hopfenanteile, Stammwürze und genaue Rezeptur, natürlich alles im Rahmen der geschützten geographischen Angabe.”

Kölsch, Kirche, Karneval

Was den Bezug vom Kölsch zur Kölner Stadtkultur betrifft, sieht der Kölsch-Experte die kulturelle Bindung „Kölsch, Kirche, Karneval” in keiner Stadt so eng wie in Köln, vielleicht noch in München. „Wir haben einen Gastronomieanteil von 90 Prozent und bedenken Sie, da sind die Minibars von Hotels beispielsweise mit drin, die ihren Gästen natürlich noch Alternativen anbieten. Aber wenn man in eine Kölner Kneipe geht, erwarten die Gäste eigentlich Kölsch als Bier. Jährlich gehen hier 1,5 Millionen Hektoliter Kölsch über den Tresen. Während der Karnevalssaison im Januar/Februar sind das noch mal 50 Millionen Kölschstangen zusätzlich. Zum Vergleich, das ist etwa viermal so viel Ausschank von Kölsch wie Altbier in Düsseldorf”, sagt Christian Kerner. Glimmt da tatsächlich kurz das Feuer der legendären Stadtfehde zwischen Köln und Düsseldorf wieder auf?

Die Liebe der Kölner zum Kölsch musste allerdings erst wachsen: Der Kölner Karneval hat eine 200-jährige Geschichte. Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts war der Ausschank von Pils etwa so hoch wie der von Kölsch. 

Ein Teilnehmer des Kölner Karneval trinkt ein Kölsch.
Kölner Karneval ohne Kölsch können sich viele gar nicht vorstellen. Das Bier gehört einfach dazu.
Foto: Bittner KAUFBILD.de – stock.adobe.com

„Der Kölner Karneval zieht jährlich mehr Touristen aus aller Welt in die Stadt. Und natürlich taucht Kölsch in den Karnevalsliedern auf, man denke beispielsweise an “Blutwoosch, Kölsch und lecker Mädche” von De Höhner. Beim 1. FC Köln sieht man ebenfalls, wie die Liebe gewachsen ist. Auch wenn es punktetechnisch nicht so läuft, ist das Fußballstadion Spiel für Spiel ausverkauft. Der Kölner liebt seine Stadt und sein Kölsch“, resümiert der Geschäftsführer vom Kölner Brauerei-Verband.

Artikel-Teaserbild (oben): Björn Wylezich – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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