Aromen- und Food-Pairing – ein Kochkurs

Der „Tag der Lebensmittelvielfalt“ steht dieses Jahr ganz im Zeichen von Food-Pairing. Lebensmittelmagazin.de hat dazu einen Online-Kochkurs besucht.

Sternekoch Heiko Antoniewicz ist aus der Gastronomie in die kulinarische Forschung und Entwicklung gewechselt und möchte bei seinem Online-Kochkurs bei meetyourmaster.com seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Flavour- und Food-Pairing nahebringen. Flavour-Pairing vergleicht er mit einem Malkasten, bei dem im Spiel der Kombination wie bei Farben ein neuer Ton, im Fall von Geschmack ein neues Aroma, entsteht.

Das kleine 1×1 des Food-Pairings

Food-Pairing ist schon seit einigen Jahren ein Trend in der Küche. Es geht um Geschmacksoptimierung, neue Kreationen und Potenzierung des Geschmacks. Ausgangspunkt sind für Antoniewicz die fünf Geschmacksrichtungen, die man in einem Gericht wiederfinden sollte: süß, salzig, bitter, sauer und Umami. Bei salzig macht er allerdings den feinen Unterschied, dass Würzen und Salzen zwei unterschiedliche Dinge seien. Sein Trick hier: Er verwendet bei Fisch und Fleisch anstelle des üblichen Salz aus dem Streuer oder Mörser vierprozentige Salzlake, in die er das jeweilige Produkt für ein paar Stunden einlegt. Er verspricht damit gleichmäßigeres Salzen und gleichzeitig den physikalischen Effekt, dass Duft-und Aromastoffe im Produkt gebunden werden. Interessant ist hier auch der Einsatz von Fermentation, etwa bei Schwarzwurzeln, die der Sternekoch wochenlang vorab in zweiprozentiger Salzlake milchsauer vergären lässt. Dieser Prozess gibt dem Gemüse einen ordentlichen Umami-Boost.

Mehr Tiefgang

Als erstes Beispiel fürs Flavour-Pairing nennt er Kaffee als Würzmittel, welches er von seiner Mutter gelernt hat, die ans Risotto eine Tasse Espresso als Abrundung gab. Ein Kaffeesalz kommt im Laufe des Kochkurses des Öfteren zum Einsatz, um dem Gericht mehr Tiefe zu geben. In diesem Zusammenhang überrascht er hier seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem sechsten Geschmacksbild, „kokumi“. Dies stünde eben für Vollmundigkeit und geschmackliche Tiefe. Bestes Beispiel: Erbsensuppe, bei der sich der Geschmack richtig entfaltet, wenn sie wieder aufgewärmt wird.

Auch Geschmacksverstärker ist für den Koch kein No-Go, sondern er verweist auf die natürlichen Geschmacksverstärker wie Tomate, Parmesan oder auch Algen, die alle natürliches Glutamat enthalten. Zudem beschreibt er, dass der geschmackliche Eindruck auch durch die Zubereitungsart variiert werden kann, allein schon ob beispielsweise eine Karotte geraspelt, in Scheiben oder in Stifte geschnitten wird. Durch die Reibe tritt mehr Saft aus und die Möhre erscheint süßer und saftiger, während sie als Stift beim Dünsten ein kräftigeres Aroma hat.

Süße Oliven und Bananenmakrele

Als nächste Kombination präsentiert er kandierte Oliven, die er als Alternative zu Rosinen verwendet. Food- bzw. Flavour-Pairing ist dazu ausgerichtet, gleiche und ähnliche Aromen in Lebensmitteln zu erkennen, zu analysieren und dann auch wieder miteinander zu vermengen. So hat eine überreife Banane z. B. ähnliche Rauchnoten wie fettiger Räucherfisch. „Jede Zutat an und für sich ist gut, aber zusammen gibt es dann das Feuerwerk”, meint er. Ähnliches gilt auch für Gewürze, mit dem Nebeneffekt, dass weniger gesalzt werden müsse. Das erste Gericht, das er zubereitet, ist ein gerösteter Sellerie mit Kaffee und glasiertem Apfel. Aus dem Apfel macht er einen Kompott mit fein geschnittener Petersilie. Interessante Information nebenbei: Gewürze vor der Verwendung in der Pfanne trocken anrösten für mehr Aroma. Die Bitternis des Kaffees und der Umami vom Sellerie ergeben einen Geschmack, der laut Koch entfernt an Fleisch erinnern soll.

So kann man auch Klassiker wie Himmel und Erd mit Blutwurst aufpimpen, indem man den Apfel gegen Melone austauscht – bestimmt eine schöne Sommerversion, die beim Sternekoch schick daherkommt. Antoniewicz erklärt dazu: „Das Gericht spielt mit der Wärme von Blutwurst und Kartoffel sowie der Kälte des Melonenkompotts mit Minze.” Ähnlich waghalsig dürfte die Kombination aus reifer Banane und Räuchermakrele sein. Beide Zutaten verbindet laut Koch das speckige Raucharoma.

Fetthenne statt Zwiebeln

Spätestens bei der Kalbshaxe mit Holundersoße und mariniertem Frischkäse fühlt man sich als Zuschauer etwas überfordert. Überlegt man sich beim Ketjap manis (indonesische süße Sojasauce), ob man diese wohl im Asia-Shop bekommt, bleibt man beim Holunderbeerensaft und verrückterweise Fetthenne als Zutaten komplett auf der Strecke – wann verzehrt man schon mal Gartenstauden, die normalerweise nur das Auge erfreuen? Mit Hilfe von Essigrosinen wird das Geschmacksbild vervollständigt. Bei der Hälfte des Kochkurses stellt sich übrigen heraus, dass er komplett auf Zwiebeln in seiner Küche verzichtet, normalerweise die geschmackliche Basis der deutschen Hausmannskost.

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Ausschnitt aus der Meisterklasse „Aromen und Foodpairing“ mit Heiko Antoniewicz

Zugänglicher ist da schon salzige Aprikose mit Lammkarree und Mascarpone. Die süßen Aprikosen ziehen mit intensiven Kräutern wie Lavendel und Thymian in Butter und bekommen eine Prise Salz. Dankenswerterweise empfiehlt Antoniewicz behutsamen Einsatz vom Lavendel, der schnell überparfümiert. Es wäre auch schön gewesen, generell beim Thema Flavour-Pairing mehr über Verhältnisse und Dosierung zu erfahren. Doch das bleibt der Koch schuldig. An einer Stelle gibt er zu bedenken, dass man bei den meisten Rezepten Säure und Süße zu gleichen Teilen geben kann.

Auch ein neuer Trick ist beispielsweise beim Dessert die geröstete Mandel, die in den meisten Kochrezepten als Mandelblättchen in die trockene Pfanne kommt zum Rösten. Antoniewicz meint, dass das Röstergebnis oft unterschiedlich ausfällt. Er empfiehlt daher das Rösten von ganzen Mandeln in Sonnenblumenöl, eben für ein gleichmäßiges Ergebnis und vor allem, damit die Mandeln nicht austrocknen und ihren Geschmack behalten. 

Kontrastreich und spannend klingt und schaut das Rezept vom Blauschimmelkäse mit Kokosmilch und Paprikacoulis aus. Während Paprika und Ananas gemeinsam mit Chili und Koriander einem durchaus schon mal als Chutney oder ähnlichem über den Weg gelaufen sind, ist die Kombination aus Blauschimmelkäse, Kokosmilch und Estragon als Mousse schon waghalsiger. Inwiefern dann beide Komponenten zusammen funktionieren, wird nur der Praxistest beweisen. Allein Estragon vs. Koriander ist eine Herausforderung.

Schon ein bisschen Raketenwissenschaft

Das hinter professionellem Flavour- und Food-Pairing komplexe Wissenschaft steckt, hätte man nach dem Kochkurs beinahe vergessen. Neben klassischen Pairings wie Johannisbeermarmelade am Rotkohl, die tradiert sind, geht es bei der Suche einerseits um sinnvolle Partner, die harmonieren und eine möglichst hohe Überschneidung an Aromastoffen haben, wie Gurken und Melonen zum Beispiel. Andererseits funktioniert auch das negative Foodpairing, die Kombination kontrastierender Lebensmittel, wie beispielsweise Apfel und Ingwer. Zu berücksichtigen sind in diesem Kontext eben auch Verhältnisse und das Phänomen, der sensorisch spezifischen Sättigung. Das bedeutet, dass zum Beispiel zwei Produkte, etwa Lavendel und Koriandersamen, die wenig komplex sind, und sich stark überlappen durch ihre Intensität, eher abstoßend wirken. Es gilt also bei den kulinarischen Experimenten genau zu beobachten und abzuwägen. Denn beliebige Food-Pairings funktionieren auch nicht immer – das weiß jeder, der sich einen Apfel mit dem Zwiebelmesser aufgeschnitten hat. Obwohl – in der Leberwurst oder im Gänseschmalz funktioniert die Kombi hervorragend. Kommt immer auf den Kontext und die Erwartungshaltung an.

Artikel-Teaserbilder (oben): Lebensmittelverband Deutschland e. V.

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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