Was Pasta für Italien ist, das sind Spätzle für Schwaben: ein kulinarischer Klassiker mit Tradition und unverwechselbarem Charakter. Wir haben in Stuttgart, der Hauptstadt Baden-Württembergs, diese Spezialität probiert.
In Münsingen auf der Schwäbischen Alb ist der Sitz der Firma Franz Tress GmbH & Co. KG. Markus Tress ist Inhaber und Geschäftsführer und klärt über die Feinheiten der Spätzle-Herstellung auf.
Der feine Unterschied zwischen Spätzle und Pasta
„Obwohl Pasta und Spätzle beide zu den Teigwaren gehören, zeigt sich der Unterschied schon bei der Zubereitung. Während Pasta-Teig bei uns nach dem Kneten al bronzo (durch Bronze-Matrizen) in verschiedene Pasta-Formen gepresst wird, geht der Spätzle-Teig nach dem Rühren direkt ins kochende Wasser“, erklärt Markus Tress, dessen Familienunternehmen, seit mehr als 55 Jahren Nudeln und Spätzle herstellt.
Raue Schale …
Auch optisch unterscheiden sich die meisten Nudeln von Spätzle, erst recht taktil auf der Zunge. Grund dafür ist die Porosität der Oberfläche. „Wenn man will, kann man Pasta in vier unterschiedliche Oberflächenstrukturen unterscheiden. Wird der Nudelteig durch Teflon-Formen gedrückt, erhält man sehr glatte Nudeln, die gut ihre Form halten können und beispielsweise ungeeignet sind, um mit Soßen serviert zu werden. Das sind dann vor allem Suppennudeln. Bei Pasta al bronzo werden die Nudeln durch eine Bronzematritze gedrückt. Damit beworben versprechen sie besonders gute Soßenaufnahme durch ihre rauere Oberfläche. Die Struktur gewalzter Nudeln, Tagliatelle etwa, springt auf und nimmt Soßen noch besser auf. Und wenn man so will, wären Spätzle dann Stufe vier”, beschreibt Markus Tress.
Handwerk trifft Innovation
Grundlage für die vielen verschiedenen Nudeln und Spätzle, die im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu finden sind, ist hochwertiger Hartweizengrieß oder Dinkel aus regionalem Anbau. Im Gegensatz zu Pasta, die oft ohne Eier auskommt, sind sie bei Spätzle ein unverzichtbarer Bestandteil des Nudelteigs. Bei Tress werden täglich rund 250.000 KAT-zertifizierte Eier frisch aufgeschlagen und verarbeitet, KAT ist ein Qualitätssiegel für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen.
Die Herstellung der verschiedenen Nudelsorten erfolgt mit unterschiedlichen Methoden, die an traditionelle Zubereitungsweisen erinnern. Mal wird der Teig durch eine Presse gedrückt, mal über ein Blech gestrichen, und in einer speziellen Maschine sogar wie zu Hause „geschabt“. Der genaue Ablauf bleibt ein Betriebsgeheimnis, doch die Ergebnisse überzeugen: von klassischen Spätzle bis hin zu hohlen Varianten mit besonders kurzer Garzeit bietet Tress ein breites Sortiment. Nach dem Kochen werden die Spätzle für vier bis sechs Stunden schonend getrocknet, um ihre Qualität zu bewahren.
Nachhaltigkeit und Regionalität im Fokus
Tress setzt nicht nur auf Qualität, sondern auch auf Umweltbewusstsein. Die Produktion nutzt Abwärme aus Blockheizkraftwerken und energiesparende Maschinen. Die Verpackungen bestehen aus nachhaltigen Materialien, darunter recycelbares Papier und Monokunststoff. Gleichzeitig engagiert sich das Unternehmen als Förderer regionaler Kultur- und Sportprojekte.
Foto: Tress
Spätzle – ein Stück Heimat für die Welt
„Ein großer Vorteil unserer Spätzle ist ihre Unempfindlichkeit beim Kochen – auch wenn sie mal fünf Minuten länger im Topf bleiben, behalten sie ihre Konsistenz. Das verdanken sie unserer Teigruhe in Verbindung mit dem hohen Ei-Gehalt,“ erklärt Tress. „Gerade bei einem Sonntagsessen, wenn der Braten noch etwas Zeit braucht, ist das ein echter Pluspunkt.“ Und genau darum sind Spätzle ein zeitloser Klassiker der traditionellen Hausmannskost, die sich durch ihre Bodenständigkeit jedem kurzlebigen Trend entziehen.
Als kulinarisches Herzstück schwäbischer Küche stehen Spätzle seit 2012 unter europäischem Schutz und tragen das g. g .A.-Siegel (geschützte geografische Angabe). Doch ihre Beliebtheit geht weit über die Region hinaus. Tress exportiert Spätzle in die ganze Welt, von den USA, Brasilien bis nach Australien, und bedient damit Heimweh und Hunger schwäbischer Communities.
Foto: Tress
Spätzlevielfalt
Spätzle sind dabei jedoch weit mehr als nur eine einfache Sättigungsbeilage. Ein Beispiel dafür ist der Gaisburger Marsch – ein herzhaftes Gericht, das nicht nur Markus Tress begeistert, sondern auch den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser traditionelle Eintopf kombiniert Spätzle, Kartoffeln und zartes Rindfleisch in einer kräftigen Rinderbrühe und zeigt, wie vielseitig die schwäbische Spezialität sein kann.
Ebenso beliebt sind Käsespätzle, eine Kombination aus Spätzle, Käse und knusprigen Röstzwiebeln, die nach Tress’ Empfehlung am besten in einer Auflaufform zubereitet werden, um die Aromen perfekt zu verbinden. Auch „Spätzle mit Soß“, begleitet von Braten- oder Jägersoße, sind ein Klassiker, der schon Kindern schmeckt. Passend dazu sagt man in Schwaben: „Ich werd’ groß, dank Spätzle mit Soß.”
Fotos: Tress/©Philipp Hunger (li.), Johannes S. (re.)
Ein Muss für Genießer in Stuttgart
Wer echte schwäbische Küche kosten möchte, wird in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart fündig. Im Traditionslokal Tauberquelle beispielsweise gibt es Klassiker wie Linsen mit Spätzle, garniert mit Saitenwürstchen (in der Region die Bezeichnung für Wiener Würstchen). Eine Besonderheit ist der Bauchspeck, der hier als angebratene Scheibe serviert wird – oder auf Wunsch weggelassen, als vegetarische Variante. Die Spätzle werden hausgemacht, mit Dinkelmehl zubereitet und per Spätzlepresse geformt. Nach dem Kochen sorgen geröstete Brotkrumen für einen besonderen Crunch. Die dazu gereichten Linsen sind deftig und cremig, abgeschmeckt mit Essig, Senf und Tomatenmark – ein echtes Geschmackserlebnis.
Fazit: Schwäbische Tradition mit moderner Note
Spätzle sind mehr als nur eine Beilage. Sie verkörpern schwäbische Kochkunst, bodenständige Tradition und den unverwechselbaren Geschmack von Heimat. Ob klassisch als Käsespätzle, als Teil eines Eintopfes oder in modernen Variationen – Spätzle bieten eine Vielfalt, die begeistert und satt macht. Probieren lohnt sich!
Artikel-Teaserbild (oben): MissesJones – stock.adobe.com