Irgendwo zwischen 20 und 25 sollte er sein: der Body-Mass-Index verrät meistens, ob man zu übergewichtig ist. Lebensmittelmagazin.de befragt dazu eine Diätassistentin.
Im Januar 2025 äußerte eine internationale Kommission von 58 Experten aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen Kritik am Body-Mass-Index (BMI) in der Mediziner-Zeitschrift „The Lancet Diabetes & Endocrinology”. Sie bemängelten, dass der BMI, der das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße setzt, keine ausreichenden Aussagen über die Gesundheit eines Menschen träfe und als alleiniges Maß für die Diagnose von Adipositas unzureichend sei, da er weder zwischen Muskel- und Fettmasse unterscheide noch die Fettverteilung im Körper berücksichtige.
Eigentlich ein Gruppenvergleich
Ursprünglich wurde der Body-Mass-Index (BMI) von dem belgischen Mathematiker und Statistiker Adolphe Quetelet (1796–1874) entwickelt. Er stellte ihn Mitte des 19. Jahrhunderts als Quetelet-Index vor, um das durchschnittliche Körpergewicht in Relation zur Körpergröße zu erfassen. Erst im 20. Jahrhundert wurde der Begriff „Body-Mass-Index“ geprägt und im medizinischen Bereich etabliert.

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BMI-Klassifikation nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO):
BMI (kg/m²)
- Unter 16,0 = Starkes Untergewicht
- 16,0 – 16,9 = Mäßiges Untergewicht
- 17,0 – 18,4 = Leichtes Untergewicht
- 18,5 – 24,9 = Normalgewicht
- 25,0 – 29,9 = Übergewicht
- 30,0 – 34,9 = Adipositas Grad I
- 35,0 – 39,9 = Adipositas Grad II
- Ab 40,0 = Adipositas Grad III (extreme Fettleibigkeit)
Eigentlich sollte der Quetelet-Index ursprünglich dazu dienen, statistische Zusammenhänge in der Bevölkerung zu erfassen, insbesondere um den durchschnittlichen Körperbau eines „normalen“ Erwachsenen mathematisch zu beschreiben. Seine Absicht war es nicht, individuelle Gesundheitsbewertungen vorzunehmen, sondern eine allgemeine Regelmäßigkeit in großen Bevölkerungsgruppen zu erfassen.
Quadratisch, praktisch, gut
Frederike Kreft ist Diätassistentin, VDD-zertifiziert (Verband der Diätassistenten) und Lehrkraft für Gesundheitsfachberufe. Sie ist tätig an der Schule für Diätassistenz am Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld. Besondere Schwerpunkte ihrer Lehrtätigkeit sind die Lebensmittelkunde, projektbezogene Ernährungsberatung und die ernährungstherapeutischen Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen.
Bei aller Kritik um den BMI sieht sie einen großen überwiegenden Vorteil: „Um den BMI, also das Gewicht im Verhältnis zur Länge im Quadrat zu ermitteln, bedarf es Werte, also Größe und Gewicht, die der Patient entweder sowieso schon parat hat, oder die sich relativ einfach ermitteln lassen.” Für sie ist der BMI ein einfacher Parameter zur ersten Orientierung, der im weiteren Verlauf in Relation mit anderen Werten gesetzt wird.
Äpfel und Birnen
Ein solch weiterführender Wert ist der Waist-to-Hip Ratio (WHR), also das Taille-Hüft-Verhältnis. Dieser wird beim Patienten stehend gemessen bei entspannter Atmung.
Die obere Kante des Beckenkamms und der untere Rippenbogen wird mit einem Hautstift markiert und dann wird das Maßband auf der Hälfte der Strecke, etwa ein Zentimeter oberhalb des Bauchnabels angelegt und horizontal gemessen. Für den Hüftumfang wird das Maßband an der breitesten Stelle des Gesäßes auf Höhe der Schambeinfuge zum Messen angelegt.
Zur Ermittlung des WHR wird der Taillenumfang durch den Hüftumfang geteilt. Der Quotient sollte für Männer unterhalb von 0,9 liegen, der für Frauen unterhalb von 0,85.

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Ein niedriger WHR deutet auf eine Fettverteilung vom „Birnentyp“, ein hoher WHR auf eine Fettverteilung vom „Apfeltyp“ hin. Dieses steht für Gesundheitsrisiken durch das viszerale, hormonell aktive Bauchfett, das für Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes verantwortlich sein soll.
Gleichzeitig gibt die Diätassistentin aber zu bedenken: „Wir sehen die Patientinnen und Patienten aber nicht nur als Zahlen, sondern ganzheitlich mit ihrem Verhalten und den jeweiligen Verhältnissen.”
Dazu fällt ihr eine bemerkenswerte Anekdote ein: „Irgendwann kam zu mir mal ein junger Mann mit ausgesprochen athletischem Körperbau. Muskeln sind schwerer als Fett, so dass sein Body-Mass-Index deutlich über 25 lag, der Mann aber vor Gesundheit strotzte. Sein erhöhter BMI gefährdete als vermeintliche gesundheitliche Einschränkung seine bevorstehende Verbeamtung. Sollte ich ihm jetzt ernsthaft raten mit dem Sport aufzuhören, um Muskeln abzubauen?”
Unter Strom
Eine bessere alternative Messmethode bietet die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) als Methode zur Messung des Körperfetts. Sie basiert darauf, dass unterschiedliche Gewebearten – Fett, Muskeln und Wasser – elektrische Signale verschieden gut leiten. Dabei wird ein schwacher, nicht spürbarer Wechselstrom durch den Körper geleitet. Da Muskeln und Wasser Strom besser leiten als Fettgewebe, kann anhand des elektrischen Widerstands die Körperzusammensetzung berechnet werden. Der Patient ist dafür an Händen und Füßen mit Elektroden verbunden, um beide Körperhälften zu vermessen.
Professionelle BIA-Ganzkörpermessgeräte sind aus Kostengründen längst nicht in allen Praxen vorhanden. Von Personenwaagen mit Körperfettmessung, die man bisweilen in Privathaushalten findet, hält die Expertin wenig: „Deren Messergebnisse sind unzureichend, weil hier nur der Unterkörper abgebildet wird und sollten bestenfalls zur Orientierung dienen.
Besser zu hoch als zu niedrig
Worauf Frederike Kreft noch aufmerksam machen möchte: „Der BMI ist nicht nur dazu da, um festzustellen, dass man zu dick ist. Die Kliniken sind voll mit mangelernährten, untergewichtigen Patienten, etwa nach Erkrankungen und deren Therapien. Es ist schwieriger, Gewicht ansetzen zu müssen, als im Vergleich zum Abnehmen.“ Außerdem sei der BMI dazu wichtig, plötzlichen Gewichtsverlust darzustellen. „Wenn ein Patient innerhalb eines Jahres beim BMI von 25 auf 20 fällt, sind wir alarmiert, auch wenn beide Werte offiziell im grünen Bereich liegen. Ohne Adipositas verharmlosen zu wollen, ein BMI von 13 ist schlimmer als einer von 32”, überlegt Kreft.
Gemeint ist damit, dass während ein Body-Mass-Index von 13 bereits lebensgefährlich ist, ein erhöhter Body-Mass-Index jenseits der 25 zwar dafür sorgt, dass die Wahrscheinlichkeit für Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ansteigen aber diese nicht automatisch die Folgen sind.
Kleiner aber feiner Unterschied
Hier unterscheidet man unter Berücksichtigung weiterer Faktoren seit neuestem laut der Kommission zwischen präklinischer und klinischer Adipositas. „Während bei der klinischen Adipositas die übergewichtsbedingten Einschränkungen behandelt werden müssen, sollte man bei der präklinischen schon präventiv vorgehen damit die Krankheitsbilder gar nicht erst erscheinen”, ist Kreft überzeugt. Während die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE e. V.) beim Body-Mass-Index zwischen Frauen und Männern unterscheidet, aufgrund der Tatsache, dass Männer über mehr Muskelmasse verfügen, hängt es von der jeweiligen Fachgesellschaft ab, ob dabei weitere Faktoren etwa wie Alter oder Ethnie berücksichtigt werden. Nach den Standards der Weltgesundheitsorganisation differenziert BMI im eigentlichen Sinne überhaupt nicht.
Ran an den Speck!
Um Folgeerkrankungen, die häufig mit einem höheren BMI einhergehen, zu verhindern, kann eine Lebensstilmodifikation mit den drei Säulen Ernährung, Sport und Verhaltensänderung, worunter beispielsweise Mindsetting, Belohnungsstrategien, etc. fallen, helfen.

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Ob eine reine Ernährungsumstellung als Präventivmaßnahme ausreicht, vermag die Expertin pauschal nicht zu beurteilen, verweist aber auf die Empfehlungen der DGE „Gut Essen und Trinken”. Als kleinen Tipp gibt sie noch: „Unterstützung findet man bei uns Diätassistentinnen und -assistenten. Hierfür benötigt man lediglich eine Notwendigkeitsbescheinigung vom Hausarzt. Während „Ernährungsberater” ein freier Begriff ist, mit dem sich jeder bezeichnen kann, ist Diätassistent/ Diätassistentin eine geschützte Berufsbezeichnung. Außerdem können Diätassistenten als einzige mit den Krankenkassen abrechnen, sodass die Kosten nicht im vollen Umfang von den Patientinnen und Patienten getragen werden müssen.
Als Diätassistentin widerspricht sie den Forderungen nach der Abschaffung des BMI: „Außer bei einem Body-Mass-Indexwert von 40, der schon gravierend genug für Maßnahmen ist, liefert der BMI generell noch kein diagnostisches Ergebnis, sondern erfordert gegebenenfalls weitere Werte, insbesondere, wenn er zu hoch ist. Für geschätzte 95 Prozent der Menschen bietet er einen guten Richtwert, dessen Vorteile bei der Gesundheitsvorsorge überwiegen. Der BMI ist etabliert und sollte bleiben.” Für die Patientinnen und Patienten sei es wichtiger, individuell kritisch über das eigene Verhalten zu reflektieren. Sollte es beim Abnehmen temporär stagnieren, helfe es, sich zu vergegenwärtigen, inwieweit man vielleicht tolle neue Verhaltensweisen dazu gewonnen hat und man sich deswegen nicht entmutigen lassen sollte.
Außerdem gibt sie auch zu bedenken: „Bis zu einem gewissen Punkt darf jeder sein individuelles Wohlfühlgewicht im Sinne der Bodypositivity haben, solange gesundheitliche Einschränkungen und Konsequenzen wie Bluthochdruck nicht vorliegen.“
Und dann gibt es ja noch die aktuell gehypten Abnehmspritzen: „Es gibt noch nicht das ideale Abnehmmedikament. Die Kosten für diese rezeptpflichtigen Spritzen übernimmt die Krankenkasse nur bei Typ-2-Diabetikerinnen und –Diabetikern. Im Fall von Adipositas werden die Kosten privat getragen. Hier sollte man insbesondere als Turbomaßnahme für die Bikinifigur bedenken, dass Langzeitstudien über deren Wirkung noch ausstehen und es abzuwarten bleibt, inwiefern sie beispielsweise Einfluss auf den Hormonhaushalt nehmen”, warnt die Diätassistentin.
Artikel-Teaserbild (oben): Tatiana_Mara – elements.envato.com