Fruka – das Bonbon ohne Namen 

Sie sind die absoluten Klassiker unter der süßen Wurfware auf den zahlreichen Straßenumzügen zwischen Mainz und Düsseldorf an Karneval: Klein, bunt und fruchtig-süß kennen sie vermutlich Karnevalistinnen und Karnevalisten jeder Altersklasse. Die Kaubonbons gibt es schon seit Ewigkeiten, nur ihren Namen kennt kaum jemand. Lebensmittelmagazin.de fährt ins sächsische Delitzsch.

Wenn man sie gegen den Kopf geworfen bekommt, ist der Aufprall bei 2,8 Gramm und weicher Konsistenz des Kaubonbons weitaus weniger schmerzhaft im Vergleich zu anderen Bonbons. Gleichzeitig besteht kaum das Risiko, dass sie beim Aufprall, ob gegen den Kopf oder aufs Straßenpflaster, beschädigt werden – ein großer Vorteil!

Nicht nur im Karneval

Dabei findet man sie nicht nur in den Beuteln der Karnevalisten nach dem Straßenkarneval. Die Fruchtkaramellen „FruKas“ sind auch beliebter Inhalt großer Bonbongläser, beispielsweise in Arztpraxen, zur Belohnung kleiner Patientinnen und Patienten oder auch in Restaurants zur Kinderbestechung. Zu Schulbeginn sind die Bonbons ebenfalls beliebtes Füllmaterial der Schultüten von I-Dötzchen. Auch wenn sich die Fruchtkaramellen zahlreicher Fans erfreut, so bleibt es doch Tatsache, dass kaum einer ihren Namen kennt. „Das erleben wir nicht nur auf der Süßwarenmesse, dass die Leute zu uns kommen und rufen ‘ach ihr seid die, die diese Bonbons herstellen’, es ist auch ein lustiges Spiel in den sozialen Medien, Userinnen und User über den Namen rätseln zu lassen,” sagt Gerrit Sachs, Geschäftsführer der Halloren Vertriebs GmbH.

Zuverlässig gleichbleibend

Unverändert begleiten die kleinen, bunten, quadratischen Kaubonbons, unterm Schlachtruf „Kamelle!” den deutschen Straßenkarneval. Seit über sechzig Jahren sind sie damit vermutlich buchstäblich in aller Munde. „Unverändert ist dabei ernst zu nehmen, wir haben irgendwann die recht neutrale Folienumverpackung anders bedruckt. Das hat sofort für Umsatzeinbruch im Lebensmitteleinzelhandel gesorgt, weil Verbraucherinnen und Verbraucher unsere Bonbons nicht mehr im Regal gefunden haben”, erklärt Gerrit Sachs.

Ganz olle Kamellen

Die Geschichte der Kaubonbons reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert: Einer der Urväter des heutigen deutschen Lebensmitteleinzelhandels, Wilhelm Schmitz-Scholl, und seine Frau Louise kochten mutmaßlich für die Auslage der Theke ihres Kolonialwarenladens, bzw. späteren Kaffeeladens die ersten Fruchtkaramellen in der heimischen Küche. Die Rede ist von den Gründern der Unternehmensgruppe Tengelmann. Namensgeber Emil Tengelmann war dabei ein Prokurist. 1906 wurde als erstes eigenes Werk die Rheinische Zuckerwarenfabrik in Düsseldorf gegründet. 1912 kam die Kakao- und Schokoladenfabrik Wissoll (Wilhelm Schmitz-Scholl) in Mülheim an der Ruhr hinzu. 

„Die FruKas, wie die Fruchtkaramellen bei uns heißen, stammen, wie man sie heute kennt, mit Maschinen und Design aus den Sechzigerjahren”, erklärt der Geschäftsführer. Ab Anfang des neuen Jahrtausends wurden die Maschinen zur Herstellung der FruKas aus Mülheim an der Ruhr ins sächsische Delitzsch verlagert. Die dortige Schokoladenfabrik war von Wissoll nach dem Mauerfall übernommen worden. Wissoll wurde danach abgewickelt und die Delitzscher Schokoladenfabrik steht inzwischen zusammen mit der Halloren Schokoladenfabrik und der belgischen Bouchard Pralinen-Manufaktur unter der Leitung des US-amerikanischen Unternehmers Darren Ehlert. Zusammen sind die Firmen beispielsweise Trikotsponsor des regionalen Fußballvereins HFC in Halle. Auf die Frage, dass sie ja eigentlich auch einen Karnevalsverein unterstützen müssen, grinst Sachs, gibt aber zu bedenken: „Karneval und insbesondere der Straßenkarneval ist vor allem eine rheinische Spezialität und hier eher weniger verbreitet.”

Warum die Bonbons ohne Namen so unmittelbar mit dem Straßenkarneval verbunden sind und sich über so viele Jahre gehalten haben, darauf hat auch der Marketingchef keine wirkliche Antwort: „Als Produkt stehen sie in keinem direkten Zusammenhang mit Karneval, auch haben wir keinen Einblick darüber, wie viel genau im Straßenkarneval geworfen wird, weil die Vereine über den Lebensmittelhandel beziehen. Aber die Bestellungen der Händlerinnen und Händler sind jedes Jahr zuverlässig immer zur selben Zeit.”

Süße Handarbeit 

Heute produziert die Schokoladenfabrik rund 1.000 Tonnen Frukas offiziell als „Böhme Fruchtkaramellen“ pro Jahr, neben unter anderem gefüllten Schokoladentafeln. Die Herstellung der FruKas hat sich im Laufe der Jahrzehnte nahezu nicht verändert und benötigt nach wie vor viel Handarbeit. Im Kupferkessel wird zunächst Zucker mit Glukosesirup bei 123 Grad Celsius gekocht und im Anschluss mit Pflanzenfett, Gelatine und Aromen angereichert. Heute duftet es in den Räumlichkeiten der Anlage sehr angenehm nach Zitrone, die direkt an Urlaub an der sonnenverwöhnten Amalfiküste erinnert. 240 Menschen arbeiten hier am Standort, 10 pro Schicht für die FruKas. Hier im Werk wird der berufliche Nachwuchs zur Fachkraft für Süßwarentechnik ausgebildet.

Der fertiggekochte, aber immer noch blasenwerfende Bonbonteig, wird vom Mitarbeiter per Rollwanne auf einen mit Wasser gekühlten Tisch ausgegossen, immerhin sind das 15 bis 20 Kilogramm. Sobald die Masse eine reduzierte Temperatur angenommen hat, wird Puderzucker und kristalline Zitronensäure eingearbeitet, damit der Bonbonteig ankristallisiert. Das bedeutet, dass er seine kristalline Struktur ändert. Dafür kommt er in eine Bonbonknetmaschine, die zum einen den Puderzucker und die Säure einarbeitet, anderseits auch Luft einschlägt, damit die Masse die richtige Konsistenz bekommt. War die Farbe des Teigs vorher milchig-beige, so wandelt sich diese jetzt nach fünf Minuten Kneten in schneeweiß um. Der fertige Bonbonteig kommt in eine konische Walze, an deren Ende sich eine 2,2 cm dünne Wurst schlängelt. Nur wenige Sekunden später spuckt der Automat am anderen Ende das fertige Bonbon aus. Bis dahin wurde die Bonbonwurst portioniert, gehackt und eingewickelt.

Die Bonbons sind den bunten Farben entsprechend in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlich als rote Kirsche, pinke Himbeere, orange Apfelsine und gelbe Zitrone. Wäre doch mal Zeit für neue Geschmacksrichtungen, vielleicht Granatapfel oder Maracuja? „Mit Sicherheit, Nein!”, lautet die Antwort des Geschäftsführers. Beziehungsweise gibt es neben den Klassikern noch eine saure Linie mit Apfel, Johannisbeere, Grapefruit, tatsächlich auch Maracuja und Cola. Käme aber längst nicht so gut an wie die Klassiker.

Sortierung der Bonbons
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

„Es ist wichtig für uns, das Produkt im Sinne der Nachhaltigkeit zu verändern ohne etwas für den Verbraucher zu ändern”, erklärt Gerrit Sachs. Wichtigster Schritt bis jetzt: Ohne das FruKa-Design zu ändern, besteht die Verpackung jedes Kaubonbons nur noch aus einer Schicht Wachspapier, die außen mit einem Lack auf Wasserbasis beschichtet ist. Früher gab es noch ein extra Wachspapierchen im Inneren und außen herum eine Schicht dünne Aluminiumfolie. „Wir sparen so 20 Tonnen Aluminium im Jahr.”

Ob sie über eine Veggie-Variante nachdenken, denn Gelatine als tierisches Produkt vom Schwein polarisiert doch schon oft? „Der Biss bei Fruchtgummi und Kaubonbons auf pflanzlicher Basis ist schon ein anderer als bei Gelatine. Es bleibt eine Herausforderung, hier die gleiche Qualität zu erreichen. Aber wir fangen an drüber nachzudenken”, lautet die Antwort.

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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