Nicht Fleisch, nicht Gemüse – Richtig zubereitet sind Pilze eine echte Delikatesse, gerade jetzt im Herbst. lebensmittelmagazin.de hat im nebelverhangenen Weserbergland einen Blick in die tropfnassen Pilzkammern geworfen.
In unmittelbarer Nähe der niedersächsischen Grenze im Weserbergland lebt Falk Düsing mit Familie und Hund seit zehn Jahren auf dem alten Bauernhof von Fungi Delikat. Hier züchtet er das ganze Jahr über Pilze. Auf engstem Raum baut er bis zu zehn verschiedene Sorten an, vor allem aber Kräuterseitlinge. „Es gibt auch Anlage mit riesigen Hallen, ausschließlich mit Kräuterseitlingen bis an die Decke, die tonnenweise ernten, aber das ist nicht mein Fall“, sagt der studierte Forstwissenschaftler. Er selber erntet 700 Kilogramm Speisepilze pro Woche.
Herbst auf Knopfdruck
Das mit den Pilzsporen induzierte Substrat lagert auf Wagen in kleinen, kühlen Kammern. An den Decken hängen tropfende Schläuche, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 95 Prozent. Die Luft muss aus hygienischen Gründen gefiltert werden. Das Substrat besteht aus Sägespänen, Stroh, Kalk für den pH-Wert, Öl, Getreide wie Weizenkleie oder Hirse und natürlich Wasser. Der Hersteller, von dem Düsing das Substrat bezieht, hat die Blöcke in den Plastiktüten bereits geimpft und so 6 Wochen bis zu einem halben Jahr induzieren lassen.
„Für die Pilze ist das ein simulierter Sommer. Bei mir erleben sie den Herbst, damit sie die Fruchtkörper mit den Sporen ausbilden“, erklärt Düsing. „Bei 12 bis 14 Grad erleben die einen richtigen Kälteschock. Die Herausforderung dabei sind die unterschiedlichen Bedingungen, insbesondere bei der Hygiene“. Falk Düsing reguliert für die individuellen Ansprüche Licht, Luft, Wasser sowie Temperatur in den einzelnen Kammern. Der zentrale Flur hat Überdruck, so bleibt beim Türöffnen der Kammern das Mikroklima erhalten. „Entscheidend bei der Planung und auch bei der Umsetzung sind die genaue Umsetzung der einzelnen Arbeitsschritte“, so Düsing.
Warum gibt es gezüchtete Shiitake, aber keine Trüffel?
Der Pilzexperte erklärt: „Pilze sind neben Tieren, Pflanzen oder Bakterien eine eigene Gattung. Man unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Arten von Pilzen: Das eine sind die Mykorrhizen, darunter fallen die meisten Waldpilze wie Steinpilze, Pfifferlinge oder eben auch Trüffel, die in einer Symbiose mit Pflanzen, meistens Bäumen leben. Sie selber sind nicht in der Lage Photosynthese zu betreiben, um daraus ihre Energie zu gewinnen. So ziehen sie den Zucker unterirdisch aus den Wurzeln. Dafür geben Sie aber wiederum andere wichtige Nährstoffe an den Baum ab.“ Es gebe wohl einzelne Züchter, die Baumplantagen anpflanzen, um dort Trüffel zu züchten, auch hier in Deutschland. Das sei aber eher die Ausnahme.
„Die andere Sorte Pilze sind die Destruenten, die pflanzliche Stärke in Zucker umwandeln können, beispielsweise Schimmel“, so Düsing weiter. „Dazu gehören auch Speisepilze, wie der Kräuterseitling, Austernseitlinge oder Shiitake. Die lassen sich problemlos züchten.“ Der Champignon komme sogar ohne Licht aus. Das sei dann aber auch die Ausnahme, erklärt Falk Düsing.
Pilze, ein Trend-Lebensmittel
„Ein großer Vorteil der Pilzzucht ist, dass ein Wachstumszyklus ungefähr drei Wochen dauert. Landwirte pflanzen an, warten auf die Saison, hoffen das Beste und wenn was passiert, war es das fürs Jahr.“ Falk Düsing öffnet eine Kammer. Aus den plastikummantelten Substratblöcken wuchern üppige Kräuterseitlinge. „Die sind jetzt gerade mal drei Tage alt. Wenn irgendwas sein sollte, kann ich den Wachstumsprozess im Kühlhaus zum Stagnieren bringen.“
Abgesehen von bekannten Speisepilzen wie Kräuterseitling, Buchenpilz und Shiitake hat Falk Düsing auch exotische Sorten: Zartrosa und hellgelb leuchten Rosen- und Limonenseitling um die Wette.
„Pilze sind definitiv ein Trend-Lebensmittel, besonders als Fleischersatz für Vegetarier. Neben Mineral- und Ballaststoffen ist der Vitamin D-Gehalt beachtlich und sie sind eine B3- und B5-Quelle.“
Und noch mehr: „Durch die Tatsache, dass Pilze problemlos fast überall gezüchtet werden können, also ein regionales Produkt sind, der Energie- und Wasserverbrauch dabei überschaubar ist, sind sie ein Lebensmittel unserer Zeit“, sagt der Pilzzüchter, dessen Produktion biozertifiziert ist. „Das ist auch sehr sinnvoll, da Pilze alle Stoffe aus dem Substrat ziehen und in sich aufnehmen – Pilze wie Austernseitlinge beispielsweise werden zur Dekontaminierung von Böden wie beispielsweise einer Müllhalde eingesetzt.“
– Wie eine Algenfarm Mikroalgen züchtet, liest du hier (mit Video) –
Etwaige gesundheitliche Bedenken wie bei Waldpilzen sind in der Pilzzucht wie bei Falk Düsing überflüssig. Aber auch bei diesen beruhigt er: „Die heutzutage gemessenen Becquerel von Waldpilzen sind vernachlässigbar. Zu bedenken ist aber, das gesammelte Waldpilze in Deutschland gesetzlich nicht verkauft werden dürfen, mit Ausnahme von Bayern, wo das ‚Schwammerl-Gesetz‘ dies zulässt“.