Zum heutigen Tag des Deutschen Bieres teilt Brauexperte Thomas Grothe sein Wissen über Diversity beim Bier.
„Jeder Bierbrau ist ein Unikat! Dem zugrunde liegt ein biotechnologischer Prozess, der in der Natur stattfindet, den wir aber gelernt haben zu beherrschen. Dass aus gekeimten Samen und Hefepilzen etwas gegärt hat, dürfte schon bei den Dinosauriern passiert sein“, schmunzelt Thomas Grothe, Brauexperte im Deutschen Technikmuseum Berlin.
Wasser ist nicht nur zum Waschen da
Erster und wichtigster Punkt ist das Wasser, der Hauptgeschmacksträger, weswegen Bier überall anders schmeckt. Allein in Berlin kann in jedem Stadtteil eine andere mineralische Zusammensetzung des Trinkwassers nachgewiesen werden. Zusammen mit den unterschiedlichen Getreidesorten sowie Hefe und Hopfen bieten sich schier unendliche Varianten an Bierrezepturen an. Trotzdem ist es für die großen Brauereien notwendig, ihre Biere zu verschneiden, um einen einheitlichen signifikanten Geschmack zu schaffen.
Bierbrauen ist ein langer Prozess, der sechs bis acht Wochen dauern kann. Erster Schritt: Das Mälzen, dabei wird gekeimtes Getreide geröstet, je länger desto dunkler wird das Bier. Beim darauffolgenden Kochen wird durch die Kochdauer der Zuckergehalt der Stammwürze festgelegt und über kurzzeitiges Erhitzen über 100 Grad Celsius werden die Enzyme final abgetötet. Zum Schluss wird das Bier noch gefiltert und im Tank nachgegärt. Bei jedem dieser Schritte kann etwas anderweitig verlaufen und so den Geschmack prägen. Das nehmen wir heute allerdings nicht mehr wahr, aufgrund des Standardbiers im Geschäft.
Heutzutage sind wir in der Lage, Wasser zu designen, seine mineralische Zusammensetzung zu definieren. So hat es einen Rechtsstreit darüber gegeben, dass eine Chicagoer Bierbrauerei die mineralische Struktur ihres Wassers an ein bestimmtes deutsches Wasser angepasst hat, um deutsches Pilsner zu brauen, doch trotz alledem handelt es sich hierbei keineswegs um deutsches Bier!
Rezepte sind das Kapital
Denn das eigentliche Kapital einer Brauerei sind ihre jeweiligen Rezepte. So hatte die Firma Schultheiss die Brauerei Patzenhofer aufgekauft und konnte allein Patzenhofer verkaufen, auch wenn es die Brauerei dazu so nicht mehr gab.
„Das Bier mag anders schmecken als vor 100 Jahren, aber um ehrlich zu sein, würde das Bier für uns merkwürdig riechen und nicht mehr schmecken, denn das Reinheitsgebot macht keine Aussage über die Qualität der Rohstoffe.“
Thomas Grothe, Brauexperte im Deutschen Technikmuseum Berlin
Was sonst noch reinkommt – und was nicht
So ist beispielsweise die Berliner Weiße mit Schuss das Ergebnis eines brautechnischen Unfalls. Es kamen Milchsäurebakterien in den Sud und begannen zu stoffwechseln, bevor die Hefe den Zucker in Alkohol umwandeln konnte. Das saure Milieu unterband dies zusätzlich. Das Ergebnis war jedoch recht wohlschmeckend säuerlich spritzig und ließ sich abgerundet mit Sirup dann doch noch verkaufen. Der mangelnde Alkohol kam später doch noch dazu. So ein Unfall konnte nur vor der Erfindung der Reinzuchthefen geschehen, die 1883 von Emil Christian Hansen isoliert wurden. Davor übernahmen wilde Hefen die Gärung.
Obergärig, untergärig?
Heute hat man bei der Hefe wiederum die Wahl zwischen Obergäriger, die Backhefe, welche oben auf dem Sud schwimmt und bei Raumtemperatur gärt, und der Untergärigen, die auf den Grund fällt und bei Kühlschranktemperatur gärt – der ausschlaggebende Grund, warum es Pilsner früher nur im Winter gab. Die jeweilige Hefe hat selbstverständlich auch ihren Einfluss auf den späteren Geschmack des Bieres. Beim Getreide sind der Wahl eigentlich keine Grenzen gesetzt. Die chinesische Tsingtao-Brauerei, eine Gründung aus deutscher Kolonialzeit, verwendet beispielsweise Reis.
Beim Thema Craftbeer winkt Thomas Grothe jedoch ab, „das Brauwesen ist generell ein traditionelles Handwerk und wenn Bier in diesem Zusammenhang als naturtrüb beworben wird, reden wir von früherem Billigbier, das schnell schlecht wird.“
War in der „Ähmalschen“ doch nicht alles besser?
In der DDR haben die Leute zuerst in der Kaufhalle das Bier überprüft, ob es noch gut ist. Hier war allerdings auch der Fall, dass es nicht immer Hopfen gab und deswegen schon mal ersatzweise Ochsengalle beigemengt wurde. Abgesehen vom Geschmack dienten sowohl Hopfen als auch die Ochsengalle zur Haltbarmachung. „Es muss erwähnt werden, dass sowohl Technologie wie auch der Hygienestandard in der DDR 1990 auf dem Stand von 1900 war.“ De facto haben lediglich diejenigen Brauereien überlebt, die sich auf den Export spezialisiert hatten.
Solche Mischungen sind nicht ungefährlich, bisweilen ist es nicht abschätzbar, welche unerwünschten Reaktion zwischen Bakterien und eingesetzten Fremdstoffen entstehen. Aus diesem Grund sind beispielsweise die Strafen beim Bier im altbabylonischen Kodex Hammurabi drakonisch, so wurden Bierpanscher in ihrem eigenen Bier ersäuft.
Drei Bier sind ein Schnitzel?
Tatsächlich ist es so, dass das Ansehen von Bier als „gesundes Grundnahrungsmittel“ sich lediglich auf jenes Bier beschränkte, welches sich die reichen Leute leisten konnten, wie Pilsener oder Einbeck. Diese waren gefiltert und höher im Alkoholgehalt, immerhin verträgt Hefe bis zu 15 Volumenprozent Alkohol, bevor sie abstirbt. „Normalbürger haben dazu im Gegensatz lediglich die halbvergorene Plörre bekommen, die früher kaum Alkohol enthalten hat“, so Bierexperte Thomas Grothe.
Artikelbild: Food Culture Net