Neues Jahr, neue Vorsätze: Weniger Alkohol, mit dem Rauchen aufhören oder eben – vegane Ernährung. Die britische NGO Veganuary setzt auf diesen Trend und ruft medienwirksam den fleischfreien Januar aus. Veganismus als Heil für Natur, Tier und Mensch? lebensmittelmagazin.de fragt nach.
Das Jahr ist erst wenige Tage alt, noch sind die Vorsätze nicht vergessen. 37 Prozent haben sich fürs neue Jahr vorgenommen, sich vegetarisch oder sogar ganz tierfrei zu ernähren, so eine Umfrage von Statista aus dem Dezember.
„Vertrau deinem Instinkt!“, fordert der YouTube-Trailer zum Aktionsmonat der britischen NGO Veganuary ihre deutschen Zuschauer auf. Einige deutsche Handelsketten unterstützen diese Aktion und legen im Januar besonderen Fokus auf vegane Lebensmittel. Die Verbraucher:innen werden ermutigt, einen Monat lang auf Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Honig zu verzichten, um danach im Idealfall ihre Ernährung generell auf vegan umzustellen. Gut für Natur, Tiere und Gesundheit, wie die NGO behauptet?
Gesund durch Tofu und Co.?
Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung möchte den letzten Punkt differenzieren: „Generell empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine ausgewogene Kost. Diese beinhaltet allerdings auch 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche, das richtet sich an Erwachsene je nach Kalorienbedarf, Konstitution des Verbrauchers und Qualität des Fleisches. Es spricht allerdings nichts dagegen, sich einen Monat lang vegan zu ernähren. In diesem kurzen Zeitraum ist Mangelernährung da nicht zu befürchten.“
„Es spricht nichts dagegen, sich einen Monat lang vegan zu ernähren.“
Antje Dahl, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Vitamin B12 und vegane Ernährung
Sie bezieht sich dabei vor allem auf das Vitamin B12, das in ausreichendem Maße nur über tierische Produkte zu beziehen ist oder aber durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzt werden muss. „Aber der Speicher für B12 im menschlichen Körper ist groß und kann bis zu einem halben Jahr Versorgung abdecken“, so die leitende Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Aber nicht nur B12, sondern auch Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen, Jod und Spurenelemente wie Selen und nicht zuletzt die Proteinversorgung müssen berücksichtigt werden, wenn man sich entschließt, vegan zu leben. „Deswegen raten wir auch dringend davon ab, dass Menschen mit erhöhtem Nährstoffbedarf – also Babys, Kinder und Teenager, aber auch Schwangere und Stillende – dauerhaft vegan leben. Man muss sich schon vor Augen führen: Veganismus ist keine optimale Ernährung.“
Nährstoffe aus pflanzlichen Alternativen
Mögliche Lösungen, um die Versorgung mit den wichtigen Nährstoffen sicherzustellen, sind Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Ölsamen und Nüsse für den Eisen- und noch Vollkorngetreide und Kartoffeln für den Proteinbedarf. Gemüse wie Brokkoli und Grünkohl liefern den menschlichen Körper Calcium, auch Haselnüsse oder Paranüsse und Mandeln und nicht zuletzt Tofu erweisen sich hier als nützlich. „Zur Ergänzung vielleicht noch ein calciumreiches Mineralwasser, ab 150 mg Calcium pro Liter“, sagt Antje Gahl und fügt hinzu: „Was generell gilt, gilt besonders für die vegane Ernährung: Je einseitiger, desto schwieriger. Vielfalt ist angesagt.“
Über verarbeiteten Fleischersatz auf Basis von Weizenprotein oder Soja und anderen Hülsenfrüchten möchte sie nicht pauschal urteilen, empfiehlt aber den Blick auf das Zutatenverzeichnis bezüglich des Zucker- und Fettanteils. „Häufig ist es allerdings so, dass diese Ersatzprodukte eine interessantere günstigere Fettsäurezusammensetzung, also weniger ungesättigte Fettsäuren, als Fleisch haben.“
Bei Honig, der für Veganer:innen tabu ist, winkt sie ab: „Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist es relativ egal ob man Honig, Agavendicksaft, Ahornsirup, Haushaltszucker oder beispielsweise auch Rübensirup nimmt: Zucker bleibt Zucker!“
Noch kurz die Welt retten
Ist Veganismus der Schlüssel für Nachhaltigkeit, um die Welt zu retten? Hängt der ökologische Fußabdruck, die CO2-Bilanz davon ab, ob wir Fleisch essen oder nicht? Für Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) ist die Aussage so zu pauschal: „Das Grundproblem bei den Überlegungen ist die Vergleichbarkeit. Alle Unternehmen messen Nachhaltigkeit, aber mit unterschiedlichen Parametern.“
Der Rat für nachhaltige Entwicklung sitzt seit 2014 daran, einen nachhaltigen Warenkorb zu entwerfen, „aber bis heute haben wir noch kein absolutes Votum erreicht.“ Bei über 80 Prozent der 11 Produktgruppen sei Einigung erzielt worden. „Und man ist sich auf Ebenen der großen Kategorien ebenfalls einig, aber was bedeutet das angesichts der 170.000 Produkte auf dem deutschen Lebensmittelmarkt, der vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist?“
Auch vegane Ernährung benötigt Ressourcen
Neben der Klimabilanz verweist Sabet auf den Umstand, dass auch eine vegane Ernährung Ressourcen benötigt, aber dafür längst nicht überall Ackerbau betrieben werden kann. „Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung müssen wir feststellen, dass die Flächenressourcen nicht ausreichen, auf der anderen Seite wird bei der Landwirtschaft durch Arbeit und beispielsweise bei der Düngung ebenfalls CO2 emittiert“, so die BVE-Geschäftsführerin.
Alternative Ansätze wie Vertical Farming, bei denen beispielsweise komplett auf Erde verzichtet wird, stecken noch in den Kinderschuhen und sind noch nicht ausreichend als Alternative skalierbar. „Einer unserer zentralen Gedanken zum nachhaltigen Lösungsansatz lautet regional und saisonal“, so die Geschäftsführerin.
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Viele Wege führen zum Ziel
Auch Sabet plädiert für eine ausgewogene Ernährung. Sie verweist auf Maßnahmen für Nachhaltigkeit im Rahmen der Ressourceneffizienz innerhalb der Lebensmittelproduktion. So werden beispielsweise Reste bei der industriellen Saftpressung weitergereicht für die Herstellung von Aromen. „Es gibt sehr viele Beispiele für Querverbindungen innerhalb der unterschiedlichen Produktionen und die Verwertbarkeit von Resten ist heute zentrale Gedanke.“
In der Relation betrachtet sei die Lebensmittelproduktion mit einem Anteil von 12,3 Prozent der CO2 Emission gegenüber 36,3 Prozent fürs Wohnen und 26 Prozent für Verkehr in einem guten Verhältnis. „Die rückläufigen Tendenzen und auch das Potenzial für eine weitere Reduktion des CO2-Ausstoßes sind erklärtes Ziel der deutschen Lebensmittelwirtschaft, wozu sie sich im Rahmen des europäischen Green Deals bis 2050 auch verpflichtet hat“, sagt Stefanie Sabet.
Produktvielfalt vorhanden
„Nichtsdestoweniger ist das Angebot einer veganen Ernährung für den Verbraucher da, zumal ja eine Vielzahl der Produkte von Haus aus bereits vegan sind.“ Aber auch Sabet rät dazu, vorsichtig mit dem undifferenzierten Propagieren von Veganismus zu sein, „denn schlussendlich ist Gesundheit unser höchstes Gut.“
Fleischfreie Anschauung: Veganismus als Religion
Dass Veganismus jenseits vernünftiger Überlegungen zur Nachhaltigkeit und Gesundheit als philosophische Anschauung unter der Bezeichnung „ethischer Veganismus“ im Sinne des britischen Gleichstellungsgesetzes von 2010 auf einer Stufe mit Religionen steht, wurde jetzt von einem britischen Arbeitstribunal juristisch festgestellt. Bemerkenswerterweise verzichtet der Kläger im Alltag auch aufs Busfahren, um zu gewährleisten, keine Insekten platt zufahren. Die Lebensmittelwirtschaft jedenfalls bedient die Bedürfnisse von vegan lebenden Menschen gleichsam wie die von Anhängerinnen und Anhängern konventioneller Ernährung, egal welche Motivation dahinter steckt.
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Der einzige Kritikpunkt, den Frau Dahl der veganen Ernährung zuordnen kann, ist der Mangel an B12. Sie verschweigt jedoch, dass Fleisch lediglich B-12 enthält, weil es dem Tierfutter zugesetzt wird. Veganer übergehen lediglich den Schritt über das Tier und nehmen das B12 selbst in Tablettenfprm zu sich. Der Mangel an B12 ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und hängt mit der Nährstoffverarmung unserer Böden durch die moderne Landwirtschaft (z.B. Cobalt) und die hohen hygienischen Standards zusammen. In jeder Ernährungsform mangelt es ohne Zusätze an B12. Es ist jedoch richtig, dass sich Veganer – wie auch Mischköstler – ausgewogen und vielfältig ernähren sollten, damit sie gesund bleiben.
Zudem würde ich gerne Anmerken, dass Veganismus keineswegs als Religion eingestuft wurde. Dabei handelt es sich um einen Übersetzungsfehler, den in der deutschsprachigen Medienlandschaft leider keiner zu bemerken oder zu hinterfragen scheint. Das Gericht hat Veganismus als schützenswerte Weltanschauung eingestuft und nicht als Religion. Hintergrund ist die Tatsache, dass Veganern in vielen öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Mensen bisher der Zugang zu tierfreier Kost verwehrt wird und dies diskriminierend ist. Niemand sollte dazu gezwungen werden, etwas zu essen, was er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Schon beim Wehrdienst konnte man sich durch den Zivildienst für den gewaltfreien Weg entscheiden. Mit Religion hat das nichts zu tun.