Maikraut: Ein Meister steht im Walde

Ob Götterspeise, Maibowle oder Berliner Weiße mit Schuss – der eigentümliche, grüne Geschmack von Waldmeister ist ein typischer Geschmack des Frühlings. Aber Vorsicht, bei falscher Dosierung drohen Kopfschmerzen, sagt man. lebensmittelmagazin.de hat sich über das saisonale Kraut mal umgehört.

Ruth Hennrichs verkauft Kräuter und Tees an ihrem Stand auf dem Wochenmarkt am Maybachufer an der Grenze zwischen Berlin-Kreuzberg und -Neukölln. In den warmen Sommermonaten blüht und grünt es an ihrem Stand mit zahlreichen Kräutern in Blumentöpfen. Momentan findet man darunter auch Waldmeister. „Ich habe ihn auch im Garten stehen, da setze ich Likör von an“, erzählt die Marktfrau. „Wenn du eine Maibowle machst, achte darauf, dass die Stielenden nicht in die Flüssigkeit kommen, sonst könnte es Kopfschmerzen vom Cumarin geben.“ Dafür steht aber auch in ihrem Kräuterbuch, dass Waldmeister gegen Nervosität helfen soll. Mehrjährig und winterhart kommt das Maikraut, das zu der Familie des Labkrauts gehört, Anfang des Jahres aus der Erde und verträgt auch schattige Plätze als Bodendecker.

Waldmeisterpflanze
Waldmeister, auch wohlriechendes Labkraut genannt
Foto: R. Hennrichs

Natur vs. Kunst

Micha Schäfer ist Chefkoch im Kreuzberger Sternerestaurant Nobelhart & Schmutzig, die berühmt sind für ihr Küchenkonzept „brutal-lokal“ und nur die exklusivsten Lebensmittel aus unmittelbarer Umgebung verwenden. Das umfasst nicht nur Produzenten vor Ort, sondern auch Hain und Flur rund um Berlin – also eine gute Wahl, um über Waldmeister in der Küche zu reden. „Für Leute, die nicht aus Nordeuropa kommen, schmeckt das nach komischem Heu. Wenn überhaupt, kennen die Leute Waldmeister in Verbindung mit der neongrünen Farbe vom Wackelpudding oder der Berliner Weiße, oft mit einem ziemlich künstlichen Geschmack. Natürliches Waldmeisteraroma entsteht erst nach der Oxidation, kann also gar nicht so grün werden.“

Waldmeisterbowle, auch Maibowle genannt, schmeckt wunderbar nach Frühling
Foto: AdobeStock_Printemps

Komplexe Aromen

Micha Schäfer ist davon überzeugt, dass wild gesammelter Waldmeister geschmacklich noch komplexer und damit interessanter ist als der im Blumentopf gezüchtete. „Wie bei den meisten Gemüsen oder beispielsweise Petersilie wird auf eine gewisse Süße hin gezüchtet für den Massengeschmack. Das ist mir zu plakativ.“ Auch bei der Regel, den Waldmeister vor der Blüte zu ernten, winkt der Chefkoch ab: „Eine Pflanze verändert sich, der Geschmack zieht in die Blüte, dann verwertet man diese eben einfach mit.“

Welke Schönheit

Auf die Frage nach idealem Welken des Waldmeisters lacht Micha Schäfer. „Mit Zeit und Temperatur ist das so eine Sache, bei meinen Rezepten in der Küche stehen meistens auch nur fünf Wörter, aber ich glaube, viele Kochbuchverlage verlangen von ihren Autoren genaue Angaben. Dann schreibt man eben eine Viertelstunde hin. Eigentlich muss man einfach sagen, solange welken lassen, bis  es duftet. Wenn es ausreichend oxidiert ist, riecht man das auf jeden Fall.“

Vorsicht geboten

Ganz ungetrübt ist der Ruf vom Waldmeister nicht, der Aromastoff Cumarin gilt als leicht giftig und soll für Kopfschmerzen sorgen. Viele solcher Themen würden aber in Deutschland übervorsichtig behandelt werden, meint Micha Schäfer, auf der anderen Seite müsse man sich als Koch dessen bewusst sein und verantwortungsvoll damit umgehen: „Nur, weil man als Koch selber einen Schweinemagen hat, darf man nicht riskieren, dass einer von tausend Gästen vielleicht Probleme deswegen bekommt.“

Süße Erinnerungen

Wie Waldmeister verarbeitet wird? „Als erstes kochen wir einen Sirup aus dem Waldmeister, ganz einfach mit Wasser und Zucker, dann ist er bestmöglich einzusetzen, zum Beispiel für Meringe, das schmeckt toll mit Rhabarber oder Erdbeeren. Ich bin kein Fan von abgefahrenen Kombinationen. Im besten Fall weckt es persönliche Erinnerungen und Gefühle. Ich nehme drei Zutaten und das muss dann wie die Faust aufs Auge passen, beispielsweise Waldmeistereis mit Erdbeeren“, erklärt Schäfer.

Rezepte mit Waldmeister, zum Beispiel Sirup, Bowle oder Götterspeise, gibt es zum Beispiel unter https://www.lecker.de/rezepte/waldmeister

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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