Fisch ist köstlich, Teil einer gesunden Ernährung und leider oft umstritten. Längst kommt er nicht nur aus dem Meer, sondern oft aus Zuchtanlagen. Wie Verbraucher:innen verantwortungsvoll einkaufen und genießen können, haben wir beim Aquaculture Stewardship Council (ASC) nachgefragt.
Ein- bis zweimal pro Woche sollte laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) Fisch auf den Tisch – gerne fettreich, wie Lachs, Makrele oder Hering. Deren Fettsäure-Zusammensetzung soll das Risiko für koronare Herzerkrankungen mindern. Rund 3,2 Milliarden Menschen decken ihren Bedarf an tierischen Proteinen zu 20 Prozent über Fisch. Doch der Genuss wird getrübt angesichts der Überfischung eines Drittels aller Wildfischbestände.
Fischzucht in Aquakulturen hat sich im Laufe von Jahrzehnten als Alternative etabliert. Doch auch diese steht häufig in der Kritik. Der Aquaculture Stewardship Council (ASC) möchte mithilfe des ASC-Siegels ein Bewusstsein bei den Verbraucher:innen schaffen und einen verantwortungsvollen Einkauf ermöglichen. 2010 wurde der Aquaculture Stewardship Council vom World Wide Fund for Nature (WWF), mit dem Ziel, einen Standard in der konventionellen Fischzucht zu setzen, der bis jetzt einzigartig ist, gegründet. Vorausgegangen war 1997 die Gründung des Marine Stewardship Council (MSC) für Fischerei.
Aller Anfang …
Auch wenn die Fischzucht ein relativ junger Wirtschaftszweig ist, stellt er innerhalb der Lebensmittelwirtschaft eine schnell wachsende Branche dar. Kamen 1950 96 Prozent des verzehrten Fisches aus Wildfang, so stammt heute über die Hälfte aus Aquakulturen. „Gerade am Anfang wurden – oft aus Unwissenheit – Fehler in der Fischzucht begangen, Rodung von Mangroven beispielsweise, aber auch präventiver Einsatz von Antibiotika“, räumt Barbara Janker, General Manager D-A-CH des ASC ein. Als Konsequenz richtete der WWF über die Jahre mehrfach Dialoge mit über 2.000 Expert:innen aus, eine verantwortungsvolle Fischzucht als Vision. „Aber man muss sich bewusst sein, dass keineswegs ein neuer Bio-Standard implementiert werden sollte, Bio ist eine Nische und macht gerade mal einen Anteil von 0,5 Prozent der weltweiten Produktion aus“, so Janker.
Recht, Natur und Arbeit
„Ziel ist ein Standard für den Mainstream, mit dem Ergebnis, die globale Aquakultur insgesamt nachhaltiger zu machen“, erklärt Barbara Janker, „ein einheitlicher, globaler Standard, bei dem man die unterschiedlichen nationalen und gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen muss. Dabei ist es wichtig, dass die ambitionierten Praxislösungen trotz alledem umsetzbar sind.“ Zudem seien die Standards für jede Fischart spezifiziert, es gibt eigene Standards für beispielsweise Muscheln, Forellen, Pangasius, Lachs oder auch Garnelen.
„Die Kriterien für das ASC-Label lassen sich grob in drei Bereiche einteilen“, erklärt Janker. „Rechtskonformität – das mag zunächst eher unwichtig klingen – aber 60 Prozent der globalen Fischzucht passiert in China, 80 Prozent in Asien. Da ist es dann durchaus wichtig, dass beispielsweise nachweislich alle Gesetze und Regelungen eingehalten werden.“ Die zweiten und dritten Kriterien umfassen die Umweltangelegenheiten und Arbeitsbedingungen. „Umweltkriterien beginnen bei Auflagen: Eine Zuchtanlage beispielsweise darf nicht in einem Naturschutzgebiet eingerichtet werden, so dass Lebensraum vernichtet wird, wie zum Beispiel Mangrovenwälder. Bei Lachsfarmen in Norwegen wird ein kontinuierliches Monitoring des Meeresbodens gefordert. Und alle Betriebe müssen regelmäßig die Wasserqualität überprüfen und Grenzwerte bezüglich Stickstoff- und Phosphateintrag sowie Sauerstoffgehalt einhalten.“ Des Weiteren umfassen die Umweltkriterien Tiergesundheit und Futtermittelherkunft.
Besatzdichte als wichtiges Thema
„Besatzdichte ist ein wichtiges Thema, dabei wird allerdings oft durch den Vergleich mit anderer Viehhaltung falsche Priorisierung gesetzt. Bei Forellen haben Experimente mit deutlich niedrigeren Besatzdichten gezeigt, dass die Fische ein territoriales Verhalten entwickeln und auf einander losgehen.“ In den Netzgehegen von Lachsen ist es so, dass die Tiere maximal einen Anteil von 2,5 Prozent im Gesamtvolumen eines Geheges von 50 Metern Tiefe und einem Durchmesser von 40 Metern einnehmen. Im Fall des allgemeinen Problems der Lachsläuse, kleiner Krebstiere, die auch in der Natur vorkommen, fördert der ASC-Standard nichtchemische Behandlungen. „Hier bieten sich andere Methoden an, wie beispielsweise Putzerfische, welche die Krebse fressen. Gegenwärtig wird auch an Möglichkeiten wie Vorhänge an den Netzen, die das Eindringen der Lachsläuse verhindern sollen, und der Einsatz von Warmwasser, geforscht“, erklärt die Managerin. „Der Grenzwert der erlaubten Sterblichkeit durch Viruserkrankungen liegt bei zehn Prozent und Betriebe müssen kontinuierlich an einer Reduktion arbeiten“, so Barbara Janker.
… Kontrolle ist besser
Einmal jährlich überprüfen unabhängige Kontrollinstanzen mit vom ASC konzipierten Audits die 1.314 ASC-zertifizierten Unternehmen. Barbara Janker ergänzt hierzu: „In Risikofällen kann dies auch unangekündigt zusätzlich geschehen.“ Im Bedarfsfall tauschen sich die Auditoren mit lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus. „Die Audits sind jederzeit einsehbar, um größtmögliche Transparenz zu schaffen“, so Janker.
Die Arbeitskriterien des ASC-Siegels richten sich nach den Standards der International Labour Organisation (ILO), die beispielsweise vorsieht, Kinderarbeit und Sklaverei zu verhindern, aber auch geregelte Arbeitszeiten und die Möglichkeit einer Betriebsratswahl. Aber abgesehen davon sind auch hier Spezifika wichtig, wie der Einsatz zertifizierter Taucher bei Käfiganlagen und umfassende Sicherheitskonzepte. Um dies zu gewährleisten stehen mindestens zwei Auditoren zur Verfügung, jeweils spezialisiert auf die technischen beziehungsweise sozialen Aspekte, die oftmals selber aus der Fischzucht kommen. „Trotz der globalen Standards, deren umfassende Grenzwerte den Maßstab bilden, ist die Umsetzung in den jeweiligen Betrieben sehr individuell. Prozessstandards wären hier ein vollkommen anderer Zugang“, erklärt Janker.
Alternative geschlossene Systeme?
Gerade entwickelt der ASC einen individuellen Standard für Kreislaufsysteme in geschlossenen Fischzuchtanlagen. „Die Vorteile sind deutlich – es gibt die geringste Interaktion mit der Umwelt bei voller Kontrolle. Allerdings ist der Energieaufwand recht hoch, offene Lachszucht beispielsweise hat dagegen eine relativ niedrige CO2-Bilanz“, gibt die ASC-Managerin zu bedenken. Neben den hohen Investments in eine solche Anlage wäre die zusätzliche Landnutzung ebenfalls bedenkenswert. „Die meisten Anlagen bei uns sind eher klein, wohingegen es in Amerika schon größere Anlagen gibt. Eine Kreislaufanlage erfordert ein gutes betriebswirtschaftliches Know-How und Vertriebskanäle, die bereit sind, höhere Preise zu zahlen, wie in der gehobenen Gastronomie. Davon werden sie eher nichts im Supermarkt oder Discounter finden“, ergänzt Janker. Innerhalb des ASC bilden diese Kreislaufanlagen einen verschwindend kleinen Anteil. „Aber jetzt wird demnächst die Anlage FRESH Völklingen, die Doraden und Wolfsbarsche züchtet, auf den ASC-Standard überprüft, hoffen wir das Beste!“, erklärt Barbara Janker.
– Wie Fisch in einer Berliner Aquaponikfarm produziert wird, liest du hier. –
Eine Woche um Bewusstsein zu schaffen
In der Woche vom 12. bis zum 18. Oktober dieses Jahres startet der ASC gemeinsam mit dem MSC die Verbraucherkampagne „FischGewiss“, um ein Bewusstsein für verantwortungsvollen Fischkonsum zu generieren. Mit dabei sind auch Partner aus dem Lebensmitteleinzelhandel, darunter Aldi Nord und Süd, Kaufland, Lidl, Edeka Hannover und Rhein-Ruhr, Lebensmittelhersteller, Unternehmen der Systemgastronomie wie McDonalds oder Nordsee sowie Institute wie das Thünen-Institut.
„Jede Kaufentscheidung kann ein Beitrag zur Erhaltung der Meere sein.“
Barbara Janker, General Manager DACH, Aquaculture Stewardship Council (ASC)
„Jede Kaufentscheidung kann ein Beitrag zur Erhaltung der Meere sein. Angesichts der Vielfalt des Angebots gibt es gerade in Deutschland keine Ausreden“, ist die ASC-Managerin überzeugt. Im Rahmen dieser Kampagne gibt es beispielsweise ein virtuelles Dinner, bei dem die Verbraucher:innen Zuhause mit dem zertifiziertem Fisch Gerichte kreieren und davon Bilder machen sollen, um diese zusammen mit den Rezepten in den sozialen Medien hochzuladen.
Wir essen zu Hause sehr gerne Fisch und versuchen diesen immer so frisch wie möglich zu kaufen. Meiner Meinung nach sollte man zweimal pro Woche Fisch auf dem Tisch haben, weil dieser Teil einer gesunden Ernährung ist. Immer wenn wir Lust auf einen fangfrischen Fisch haben, gehen wir in Brixen in ein Restaurant um diesen auf eine ganz besondere Art zu genießen. Mein Mann angelt dort auch oft und den Fisch, den er fängt, lassen wir dann frisch im Restaurant zubereiten. Viele Menschen essen noch zu wenig Fisch. Wenn wir Fisch kaufen, wissen wir heute oft nicht, ob der Fisch aus der Aquakultur kommt oder aus dem Wildfang. Ich finde, ein einheitlicher, globaler Standard kann sehr hilfreich sein, indem man für jede Fischart gewisse Standards spezifiziert und gesetzliche Rahmenbedingungen berücksichtigt. Danke für diesen interessanten Artikel.
Zweimal pro Woche Fisch kaufen bzw. essen war bei uns Normalität. Mittlerweile befasse ich mich mit dem Thema Überfischung und hab meinen Konsum eingeschränkt. Ich finde, wir alle sollten unseren Fischkonsum überprüfen. Und Fisch essen als seltene Delikatesse betrachten.