Ein bisschen Hitze in die kalte Jahreszeit bringt ein besonders vielseitiges Lebensmittel: Chili in allen Formen und Farben. Wir haben uns mit einem Chiliexperten über die Chilivielfalt unterhalten.
„Es gibt kaum eine Kultur, die nicht mit Chili würzt. War scharfes Essen lange ein Privileg der Oberschicht des exklusiven Pfeffers wegen, demokratisierte der leicht zu kultivierende Chili Schärfe durch die breiten Bevölkerungsschichten und gewann globale Popularität“, erklärt Felix Eichholtz, Geschäftsführer vom Pfefferhaus Berlin, dem Mekka für Chilisaucen in Berlin-Friedrichshain. „Vor gerade mal 500 Jahren begann der Siegeszug der Gattung Capsicum, unter der sämtliche Arten Paprika und Chili zusammengefasst werden. Heute kann man eindeutig sagen, die Mehrheit der Weltbevölkerung isst scharf. Weltweit gibt es ungefähr 3.000 klar definierte Sorten, aber mindestens ebenso viele wild gekreuzte auf den Balkons der Hobbyzüchter“.
Apropos Pfeffer: Das englische „Pepper“ mit dem deutschen Pfeffer gleichzusetzen ist fehlgegriffen, es bezeichnet vielmehr Schoten, bzw. Chili. Cayenne-„Pfeffer“ ist ebenso verwirrend, handelt es sich dabei doch um gemahlene Cayenne-Chili, eine der verbreitetsten Chilisorten der Welt.
Weltweit scharf
Die Artenvielfalt und Diversität im asiatisch/orientalisch/europäischen Raum ist eher begrenzt, vornehmlich sind hier „nur“ verschiedenste Varianten von Cayenne, Birdseye, Thai Chili oder Peperoni zu finden, gerade im europäischen Raum auch mit vergleichsweise geringer Schärfe. Bekannte Chili-Spezialitäten sind beispielsweise die scharfe Gewürzmischung Harissa in Nordafrika, das geräucherte Pimenton de la Vera aus Spanien oder Piment d’Espelette aus dem Baskenland. Von den vielen asiatischen Klassikern und Currymischungen mal ganz zu schweigen. Die deutliche Mehrzahl der Artenvielfalt ist jedoch nahe des botanischen Ursprungs in Süd- und Mittelamerika geblieben, Chilisorten mit den unterschiedlichsten Formen und Farben. Darüber hinaus werden einzelne Sorten sogar unterschiedlich benannt, je nachdem ob sie getrocknet, frisch oder geräuchert sind.
Chili: Eine der ältesten Kulturpflanzen
Chili wurde bereits vor tausenden vor Jahren in den Anden in Peru kultiviert und gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. „Er wurde beispielsweise seiner euphorisierenden Wirkung wegen in Ritualen verwendet. Die Stammesführer der alten indigenen Kulturen wussten bereits um das sogenannte Pepper-High“, weiß Felix Eichholtz. „Ein besonders hoher Gehalt an Vitaminen, eine mögliche Anregung der Verdauung und des Kreislaufs sowie die antibakterielle Wirkung, sind nur einige der positiven Chili-Faktoren. Deshalb nenne ich Chili auch den Apotheker des kleinen Mannes. Mit Chili gewürzte Lebensmittel bleiben zudem länger haltbar.“ Für die entkrampfende und durchblutungsfördernde Wirkung des berühmten ABC-Pflasters ist übrigens ebenfalls Chili verantwortlich. Das „C“ steht für den Chili-Wirkstoff Capsaicin.
Bei Risiken und Nebenwirkungen
Schärfe ist anders als Süße, Salz, Säure und Bitternis keine Geschmacksrichtung, sondern ein scheinbares Schmerzsignal ans trigeminale Nervensystem, dem Gesichtsnerv, an dem auch die Schleimhäute gekoppelt sind. Die physischen Reaktionen darauf fallen individuell aus: Von tränenden Augen, Kopfhautkribbeln, Druck auf den Ohren und ähnlichem, bis zu einer knallroten Gesichtsfarbe. „Manche bekommen einen Schluckauf, das tritt auf, wenn das Zwerchfell besonders nah an der Speiseröhre liegt und der Chiliwirkstoff Capsaicin diffundiert. Bekannt und weit verbreitet ist auch der Schweißausbruch nach Chiliverzehr. Das kenne ich beispielsweise überhaupt nicht“, sagt der Chiliexperte.
Toleranz gegenüber Chilischärfe sei konditionierbar: „Bei jedem Chiliessen ist die Resilienz hinterher gegenüber Schärfe ein wenig höher. Da gibt es dann auch die ‚Experten‘, die das sportlich betreiben. Ein Großteil meiner Arbeit besteht allerdings auch darin, Menschen, die schlechte Erfahrung mit Chili gemacht haben, davon zu überzeugen, es noch einmal zu versuchen und einfach anfangs niedriger zu dosieren. Dieselbe Konditionierung gilt übrigens auch, wenn es beim Stuhlgang zum zweiten Mal brennt, Schleimhaut bleibt Schleimhaut.“
Chili richtig verarbeiten
Unabhängig davon sind die empfohlenen Maßnahmen bei der Verarbeitung von Chili in der heimischen Küche. Wer kennt nicht die Pein durch den unbewussten Griff ins Gesicht oder unterhalb des Gürtels, nachdem man Chilis geschnitten hat? „Chilischärfe ist fett- und alkohollöslich. Man sollte sich die Hände also mit Sonnenblumenöl oder Wodka waschen und das Ganze dann mit Seife wieder abwaschen, etwas umständlich. Am praktischsten sind Gummihandschuhe. Bei der Zubereitung einiger besonders scharfer Chili-Saucen in der Pfefferhaus-Manufaktur in Hannover benötigen die Mitarbeiter besondere Masken und einen haut-abdeckenden Schutzanzug, da sich sonst die Haut durch den Reiz rötet“, weiß Felix Eichholtz.
Chili habe übrigens neben der Ausschüttung von Glückshormonen noch einen anderen sehr angenehmen Effekt: Chilischärfe erhöht die Durchblutung des Mundraums, sorgt für erhöhten Speichelfluss und lässt einen dadurch wesentlich mehr schmecken, sofern man nicht überdosiert hat und dadurch seine Zunge betäubt.
Auch über Schärfe lässt sich nicht streiten
Während bei den übrigen Geschmacksrichtungen der Würzkorridor, wann etwas versalzen, überzuckert oder übersäuert ist, relativ eng ist, seien die Unterschiede bei Schärfe überdimensional. „Man kann sich an so unglaubliche Schärfegrade gewöhnen, dass die Dimension einfach die Vorstellungskraft vieler Menschen sprengt“, so Eichholtz. „Um mit Chili zu würzen gibt es glücklicherweise diverse Optionen und für jeden Grad der Gewöhnung das richtige Mittel. Wer den Umgang mit Chili gewohnt ist, kann direkt beim Kochen ganze Schoten oder Flocken hinzufügen, wobei davon abzuraten ist Chili direkt mit anzubraten, da die Schärfe dadurch zu einem Teil verpufft und wie Pfefferspray in der Luft hängt. Besser ist es da, die Chilis einige Minuten in Flüssigkeit mitzukochen, wodurch sie dann die Schärfe und ihr Aroma an das Essen abgeben.“
Gerade für Anfänger eignen sich wiederum Chili-Saucen für den Tisch, welche genau wie Pfeffer und Salz ganz individuell dosiert werden können. „In den Regalen im Pfefferhaus wartet hierfür eine Vielfalt an Zubereitungen und Geschmacksrichtungen, von leicht würzig, bis extrem feurig“, wirbt der Geschäftsführer.
Chili-Test im Pfefferhaus
Chili ist wesentlich mehr ist als nur scharf. Der Herr der Chilisaucen reicht ein Probierstäbchen, endlich Verkostung!
- Der erste Geschmack ist bekannt – Jalapeño, frisch und angenehm scharf, es fehlen eigentlich nur noch Nachos mit Käsesoße.
- Die nächste Soße, diesmal mit Chipotle, womit geräucherte Jalapeños bezeichnet werden, bildet dazu schon einen starken Kontrast, mit dem Geschmack von Räucherspeck und einer schokoladigen Schärfe, wenn es das gibt.
- Oberhalb der Kasse steht ein etwas winterkahler Busch, an dem noch eine einzelne gelbe Chili leuchtet – Lemondrop-Chili. Und tatsächlich, die nächste Soße, „Lemondrop“, auf Orangensaftbasis, hat eine fruchtig-frische spitze Schärfe, die sich hervorragend in einer Bloody Mary oder einem sommerlichen Melonensalat machen würde.
- Der Bestseller des Pfefferhauses heißt „Stinger“ und basiert auf einer aromatischen Mischung aus Honig und Habanero-Chili, laut Eichholtz der „Rotwein unter den Chilis“. Die Sauce ist erst mal süß und fruchtig, daraufhin baut sich sukzessive eine Schärfe im hinteren Mundraum auf, Lecker!
- Die „Suicide Sauce“, eine Mixtur aus vier der schärfsten Chilisorten der Welt, namentlich Habanero, Jolokia, Scorpion und Carolina Reaper, hält weniger lange zurück, schärft noch einmal deutlich stärker und besticht durch ein besonders frisches Aroma.
DIY-Schärfe
Neben den Chilisaucen und Gewürzen ist das Pfefferhaus noch Anlaufstelle für Hobbygärtner. „Im April und Mai steht hier alles voller Chilipflanzen, die man nicht unbedingt im Pflanzenhandel bekommt. Chilipflanzen sind recht einfach in der Anzucht und beispielsweise eine hervorragende Einsteigerpflanze für Jugendliche, die Erfolgserlebnisse und reiche Ernte verspricht. Hinzu kommt, dass viele hier das Equipment bereits zu Hause haben, der Anbau von Cannabis und Chili ähnelt sich sehr“, grinst Felix Eichholtz. Prinzipiell gehe die Anzucht direkt aus den Chilikernen vorhandener Pflanzen, da aber viele Chilisorten Hybride seien, können sich die Neupflanzen genetisch zurückentwickeln, bemerkt der Chiliexperte.
Chili-Ernte konservieren
Ist man einmal mit reicher Ernte gesegnet, bleibt die Frage wie man die Chilis konserviert. Zur Chilisaucen-Produktion, einer quasi hausgemachten Tabasco-Sauce, empfiehlt er die Chilis in 5 bis 10-prozentigem Salzwasser zu fermentieren. Zur Herstellung von Chiliöl, wie beim Italiener, müsse man die Schoten zunächst trocknen.
Um Schimmelbildung bei Sorten wie Habanero zu vermeiden, sollte man einfach zunächst die Schoten halbieren. Für getrocknete Chilis gilt das auch, hier empfiehlt er sogar die Chilis direkt servierfertig, also in Flocken klein zu schneiden, um sie dann zu trocken. Für weitere Rezepte verweist er auf den YouTube-Channel von Chili Chumb, „ich bin kein Social-Media-Groupie, aber der ist wirklich gut.“
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