Zum Auftakt der Eissaison präsentiert die Hauptstadt mannigfaltige frostige Genüsse. Lebensmittelmagazin.de hat sich durchgeschleckt.
Frühlingshaft wechselt das Wetter die ersten Tage im Mai halbstündlich von Schneefall zu Windböen, über Starkregen bis hin zu strahlendem Sonnenschein, für jeden ist etwas dabei. Berühmt berüchtigt für seine waghalsigen Eiscremekreationen feiert die Hauptstadt eine Woche lang, vom 6. bis zum 12. Mai, einmal quer über den Stadtplan den Beginn der Eiscremesaison mit der Aktion „Icecream week„. 31 Eisdielen präsentieren ihre zartschmelzenden Highlights zum Freundschaftspreis von einem Euro: Den Klassikern verpflichtet, wie beispielsweise Tiramisu oder Zabaione, exotische Spezialitäten, wie Safran-Rosen-Eiscreme mit Pistaziensplittern, alias persisches Bastani. Nicht zu vergessen sind natürlich die spektakulären Crossovers an polarisierenden Geschmacksrichtungen, doch dazu später mehr.
Kreuz & quer
Leider ist es innerhalb einer Woche nahezu unmöglich sämtliche Eisspezialitäten zu verkosten, abgesehen von den physischen Kapazitäten nicht mehr als maximal zwei Portionen pro Tag vertilgen zu können (ja, ein individuelles Problem, allein die Tochter schafft weitaus mehr), sind die Strecken von Spandau bis Niederschöneweide, von Schlachtensee bis Lichtenberg, von Pankow bis Lichterfelde tagesfüllend. Kurzum, eine exemplarische Auswahl muss genügen, sehr zum Bedauern, denn die Olivenöl-extra-vergine-Eiscreme mit Rosmarin und Zitronenzeste in Lichterfelde klingt ungemein reizvoll, liegt aber jwd von Kreuzberg aus. Der Anreiz wurde vom Veranstalter „Trueitalian.top“ angeheizt, indem man zusätzlich zu jeder Eiscreme-Spezialität einen Sticker für seinen Plan bekommt, mit dem Ziel am Ende einen Eiscreme-Gutschein oder eine Eiscrememaschine zu gewinnen.
Zum Einstieg gab es in der „Lekkamokka Eismanufaktur“ in Mitte ein dunkles Schokoladeneis mit Habanero-Chili. Klingt simpel, aber der Schwerpunkt lag auf einem vollmundigen, abseits vom süßen, Schokoladenerlebnis. Für Kleinkinder eher ungeeignet, wurde der jüngste Nachwuchs stattdessen mit einem bemerkenswerten schwarzen Zitroneneis verköstigt. Auch wenn dies nicht Teil der Icecream week war, muss es erwähnt werden, ein mit Aktivkohle geschwärztes Zitroneneis ist durchaus ein sinnliches Erlebnis, welches die Gewohnheiten hinterfragt.
Großer Ansturm
Definitiv für Erwachsene geeignet war darauf folgend das Primitivo-Sorbet von „Caramello“ in Friedrichshain, das mit Maulbeerstückchen gesüßt war, Rotweingenuss auf alternativem Wege, und das am helllichten Tag. Hier hieß es geduldig sein. Die Schlange zog sich ein gutes Stück die Straße hinunter. Auf die Frage, ob bereits in den letzten Tagen der Andrang so enorm gewesen sei, verneinte der Eisverkäufer: „Wetter und Pandemie machten bislang das Geschäft eher schlecht“. Im Anschluss verließ er kurz die Theke, um vor die Tür zu treten. Mit einem „Ach du Sch…!“ angesichts der Menschenmassen, zückte er sein Handy, rief seinen Chef an und bat um personelle Verstärkung. Dieses Bild herrschte übrigens weitgehend das ganze vergangene Wochenende über vor allen Eisdielen. Ob Spargeleis jetzt als Liaison der Spargel- und Eiscreme-Saison aus dem Kreuzberger Eissalon „Tanne B“ die kulinarische Offenbarung bedeutet, mag jedem selbst überlassen sein zu entscheiden. Es schmeckt auf jeden Fall deutlich nach Spargel, was zu begrüßen war, vielleicht fehlte nur einfach ein Klecks Sauce Hollandaise obendrauf?
Irre Kombis
Etwas deutlicher nach salzigem Schafskäse bzw. kräftiger Walnuss statt süßer Feige hätte vielleicht in Schöneberg bei „Berlin Homemade Icecream“ die Spezialität „Schafskäse mit gerösteter Walnuss und Feige“ für mehr eisige Spannung gesorgt. Allein den Halbstarken in der Reihe erschien die Vorstellung abseitig genug, um davon Abstand zu nehmen. Lecker cremig war es allemal. Angesichts der Corona-Pandemie waren die Schlangen insgesamt, dem Mindestabstand geschuldet, natürlich noch ein Stückchen länger und Gott sei Dank inzwischen selbstverständlich, waren alle maskiert. Und doch kam es zum kleinen Vorfall: Ein Mann, der mal eben mit dem Chef sprechen wollte, unmaskiert und die Anzahl der Kundinnen und Kunden im Geschäft ignorierend, wurde resolut vom Eiscreme-Verkäufer rausgeschmissen. Dabei zeigte sich grundsätzlich, dass solche Events möglich sind und vor allem Freude und Abwechslung für Groß und Klein bieten, nach den gefühlt ewig langen spaßbefreiten Monaten, die hinter einem liegen.
Sehr abgefahren las sich auch „Nacho-libre-Avocado-Sorbet mit Tomatensalsa“ mit Nachos aus dem Charlottenburger Katchi. Das Eis sah auch spektakulär aus mit seiner Nacho-Deko, entpuppte sich aber als recht zahm, eher wie eine leckere Creme für Avocado-Cheesecake. Die Erwartungshaltung war dann doch eher Richtung Tabasco-Soßentauglichkeit.
Der Liebling der Kinder
Als unerwarteter Gewinner der exemplarischen Verkostungstour, vor allem bei den Kids entpuppte sich final aus der Eisdiele „Zagara“ am Schlesi in Kreuzberg die Eiscreme-Spezialität „Green Banana“, Banane mit Bio-Spinat. Was schon nach Klischee über Helikoptereltern klingt, war ein erfrischendes, nicht zu süßes, leuchtend grünes Bananeneis. Der Eisdealer versicherte, obwohl das Eis jetzt neu sei, werden sie es zukünftig immer mal wieder im Sortiment führen. Die Freudenjauchzer, die beim Verkosten aus dem Kinderwagen drangen, sorgten dafür, dass die Sprechstundenhilfen der benachbarten Facharztpraxis aus dem Fenster Richtung Kleinkind grinsten: „Grüne Banane?“ Das Phänomen kannte man also bereits, herzlichen Glückwunsch an die Eisdiele und guten Umsatz! Morgen, Mittwoch ist übrigens der letzte Tag der Icecream week, also ran!
Wenn eines Tages wieder Reisen zur Tagesordnung gehören und ein Berlintrip bevorsteht, sollte man an die vielen, vielen abgefahrenen Eiscremekreationen jenseits von Fürst-Pückler-Schokolade/Vanille/Erdbeere denken und sich drauf einlassen, auch wenn die Schlange schon mal um die Hausecke geht. Für nächstes Jahr wäre ein persönlicher Wunsch offen: Ketchup-Eis!
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