Was wäre Weihnachten ohne Marzipan, Nougat und Co.? Gerne dürfen es dann auch festliche Pralinen sein. Lebensmittelmagazin.de war zu Besuch bei der traditionsreichen Manufaktur Sawade.
Liest es sich nicht wie der Anfang einer Novelle von E.T.A. Hoffmann? Ein junger Ostpreuße namens Ladislaus Ziemkiewicz kehrt nach Jahren einer Konditorenlehre in Paris als Konfektmacher nach Berlin zurück und öffnet sein erstes Geschäft Unter den Linden18, Ecke Friedrichstraße. Welche zarten Gefühle oder garleidenschaftliche Affaire d’amour müssen ihn getrieben haben, sein Unternehmen nach seiner Nachbarin Marie de Savadé zu benennen?
Seit Preußens Glanz und Gloria
Nun, das bleibt Spekulation. Tatsächlich umfasste das Sortiment des jungen Ostpreußen über die Trüffel und Pralinen hinaus noch Bonbons und andere Süßigkeiten. Die besondere Qualität ließ ihn zum Hoflieferanten des preußischen Hofes aufsteigen. Noch heute existieren die Bestellbücher mit dem Who is who der preußischen Hautevolee. „Die Namen wurden durchgestrichen, sobald sie beliefert wurden“, erklärt der heutige Geschäftsführer und Inhaber Benno Hübel. Eine Fliegerbombe zerstörte das Haus im zweiten Weltkrieg. Danach zog das Unternehmen von einem Berliner Hinterhof in den nächsten – bis in den 1970er Jahren der Standort in Reinickendorf unmittelbar der Autobahn und der Borsigwerke gegründet wurde. „Wobei die Autobahn erst 1989 fertig gestellt wurde“, bemerkt Hübel. Seit 2013 verleiht das Ehepaar Hübel der Traditionsmarke neues Leben. Mit dem Qualitätsbewusstsein für das klassische Pralinenhandwerk und dem Bekenntnis zum Standort Berlin sind die Pralinen von Sawade in der gesamten D-A-CH-Region erhältlich und springen des Öfteren den Lesern von Lifestyle-Magazinen ins Auge. Dies mag nicht zuletzt am hohen Wiedererkennungswert der Verpackungsgestaltung durch die Berliner Künstlerin Kat Menschik liegen.
Genuss für alle
Fast unsichtbar schimmern, buchstäblich erhaben, die Punkte der Brailleschrift (Blindenschrift), auf dem Karton. „Außer auf dem Adventskalender haben wir bereits die Verpackungen der Einzelsorten damit beschriftet“, erklärt Hübel. Inspiration für diesen Schritt war die Begegnung mit einem blinden Mädchen auf einer Veranstaltung, die ihre Mutter fragte, wie es ihr zukünftig zu Hause gelingen möge, zurechtzukommen, wenn sie nicht mehr da sei. „Über eine Million Menschen in Deutschland sind blind, wie können wir über nachhaltige Entwicklung nachdenken, wenn wir es nicht schaffen, Barrieren abzubauen und der Fortschritt nicht mehr nur einer exklusiven Gruppe vorbehalten ist?“, fragt der Sawade-Inhaber. Aber auch auf die inneren Werte wird großen Wert gelegt. „Supergrün“ mag marketingtechnisch als Begriff schwierig sein, stimmt Benno Hübel zu, tatsächlich beschreibt dies aber die absolute Premiumqualität von Pistazien. „Kann man mit Gold aufwiegen“, sagt er bestimmt. Nüsse und Mandeln kämen ausschließlich aus dem Mittelmeerraum. „Keinesfalls aus Kalifornien, da mögen sie zwar größer sein, aber dafür weniger aromatisch, was auch mit der Intensivbewässerung zusammenhängt.“ Die Qualität der Mandeln und Bittermandeln bestimmen die Qualität des Marzipans als klassische Pralinenfüllung. Apropos, eine grundlegende Frage: Was ist der Unterschied zwischen Praline und Trüffel? Der Inhaber erklärt: „Praline ist der grundsätzliche Überbegriff. Entweder füllt man Schokoladenhohlkörper oder sie werden aufdressiert und dann z. B. mit Schokolade überzogen. Oder wie hier beim Nougat ausgeschnitten. Zum Trüffel wird die Praline erst mit einer Sahne- oder Butterfüllung, unabhängig davon, ob sie mit Schokolade geigelt ist.“ Er zeigt auf einen weißen Schokoladenstern: „Das ist beispielsweise ein Weihnachtsstern mit Trüffelfüllung.“
Es weihnachtet sehr
Jetzt zu Weihnachten hat Sawade nicht nur den opulenten Adventskalender, sondern auch Weihnachtskugeln mit stimmungsvollen Geschmacksrichtungen wie Spekulatius, Vanille-Karamell, Glühwein und Blätterkrokant gefüllt. „Blätterkrokant besteht aus Butter, Nougat und Zucker. Bei uns wird er von Hand gefaltet, damit er schön blättrig ist. Man kann ihn auch maschinell rühren, aber dann wird er zu fest. Er muss reifen und mürbe werden“, erklärt Benno Hübel. Eine besondere Spezialität von Sawade im Advent ist die Weihnachtspastete: Edelmarzipan, Rum-Sahne-Trüffel, Maraschinokirschen, Mandel-Nougat und Blätterkrokant. Die Pastete wird in dunkle Schokolade getaucht, verziert, geflämmt und mit einer Pistazie dekoriert. Der Pralinenhersteller bekennt: „Mein Lieblingsweihnachtskonfekt ist die NBN-Kugel, Bitternougat mit ganz besonders dunkler Schokolade“. Ebenso erfreulich für Menschen, die Angst um ihren Christbaumschmuck aus Glas haben: Gefüllte Schokoladenanhänger als Kugeln, Nüsse, Glocken und Zapfen. Neben der Verarbeitung von hochwertigem Edelkakao, ist es dem Pralinenhersteller wichtig, dass kein Palmöl zum Einsatz kommt. „Abgesehen vom ökologisch problematischen Anbau, erfordert das Arbeiten ohne Palmöl bei der Herstellung von Schokolade besonderes handwerkliches Know-how und Feingefühl“, sagt Benno Hübel. „Beim Umgang mit Schokolade geht es immer darum, Fettreif von der Kakaobutter zu vermeiden, Palmöl verzögert dies.“
Zum Dahinschmelzen
Am Eingang der Manufaktur bearbeitet ein Mitarbeiter den Nougat. Benno Hübel reicht ein Stück Nougatbruch herüber. Der Nougat schmilzt cremig und langsam im Mund und beschert einen genussvollen Moment. Gerade laufen die Marzipanweihnachtskugeln über die Bänder. Zuerst werden Marzipanrollen von Hand mit Puderzucker bestäubt, die anschließend durch Walzen ihre Kugelform erhalten. Auch die Kostprobe von Marzipan schmeckt angenehm aromatisch und nicht zu süß. Der Sawade-Besitzer erinnert daran: „Marzipan darf bis zu 50 Prozent Zucker im Verhältnis zur Rohmasse enthalten, die aber auch schon 30 Prozent Zucker enthält. Wir verwenden ausschließlich Marzipanrohmasse.“ Aus einem Rohr von oben kommt warme Schokolade. Hübel erklärt: „Die Schokolade wird bei uns immer flüssig bei 40 Grad Celsius transportiert und in einer Maschine temperiert bzw. runtergekühlt. Das kennt man vom Konditor, der erstmal die flüssige Schokolade über die Marmorplatte mit der Palette verstreicht, damit sie die richtige Temperatur erhält. Außerdem hat unsere Schokolade aufgrund ihres hohen Kakaobutteranteils einen härteren ‚Knack‘ als gewöhnliche Tafelschokolade.“
Alles braucht seine Zeit
Einmal quer durch den Raum geht ein Förderband mit den Marzipankugeln, die hier ihren Schokoüberzug erhalten. Zuerst werden sie in einer Schokoladenbugwelle von unten getaucht, bevor sie dann von oben mit der flüssigen Schokolade übergossen werden. Insgesamt dauert der Prozess eine Dreiviertelstunde bei 16 Grad Celsius und das ist auch gut so: „Beim Aushärten kristallisiert die Schokolade. Dabei ist es wichtig, dass dies über einen längeren Zeitraum geschieht, anstatt mit der Temperatur noch weiter runterzugehen. Ansonsten würde sich der unerwünschte Fettreif als grauer Belag auf der Schokolade bilden.“ Auf einem anderen Lieferband liegen Pralinenkugeln gefüllt mit Orangenbutter. Diese haben eine Schokoladenhohlkugel als Hülle. Benno Hübel zeigt die Kunststoffmodel in denen die Schokolade maschinell geschleudert wird. Für den nächsten schokoladigen Feiertag ist Sawade bereits vorbereitet – zum Valentinstag nicht nur Pralinen in Herzform, sondern auch im entsprechenden Karton.
Haupt-Artikelbild (oben): © Sawade