Das Frischeparadies in Berlin-Charlottenburg bietet Gourmets jeden erdenklichen kulinarischen Genuss. Lebensmittelmagazin.de trifft sich an einer der schönsten Fischtheken Deutschlands mit einem Fischsommelier.
Ganz ausgezeichnet
Christopher Langner hat bereits sein zehnjähriges Jubiläum im Charlottenburger Frischeparadies gefeiert, wo er direkt nach zwei Wochen zum Stellvertretenden Leiter der Fischabteilung ernannt wurde und dann zwei Jahre später zum Chef. Unter dem blau-weißen Fliesenspiegel der Berliner Künstlerin Annelie Somborn präsentieren Langner und sein Team die vielfältige Fisch- und Meeresfrüchte-Auslage auf üppigen 13 Metern. „Dafür zeichnete uns das Fischmagazin vor fünf Jahren mit dem Seafood Star aus. Wir haben immer fünf Sorten Garnelen auf Lager. Und eine reichhaltige Auswahl an Loins, das sind große Abschnitte vom Filet, die praktisch grätenfrei sind. Um es genau zu nehmen – zwei Gräten auf einem Kilogramm Fisch.“ Trotz augenscheinlicher Reichhaltigkeit und Vielfalt der Fischtheke sei heute das Angebot beschränkt, aufgrund des Unwetters sei das Flugzeug aus Island nicht gestartet. Aus aller Welt bezieht Christopher Langner den Fisch, vor allem aber aus Island, Frankreich Spanien und Italien. „Hin und wieder kommt ein Kunde und erzählt, dass er im Urlaub auf Mauritius den und den Fisch gegessen hat – auch das ist kein Problem für uns, diesen dann zu besorgen,“ so Langner.
Nicht für die Schule, sondern für das Leben …
Den Titel „Fischsommelier“ führt Christopher Langner erst seit kurzer Zeit. Die IHK-Ausbildung in Bremerhaven dauere zwar insgesamt nur zwei Wochen, dafür aber zehn Stunden am Tag. „Neben grundlegender Warenkunde und Biologie gehörten zur Ausbildung auch Sensorik und ein vertieftes Studium zum Thema Nachhaltigkeit, wie beispielsweise bei Dr. Manfred Klinkhardt, Koryphäe im Bereich der Aquakultur und beim Fischfang. Die Ausbildung verzögerte sich coronabedingt, aber zum Abschluss wurde zwei Tage lang schriftlich und mündlich geprüft, plus Sensorik-Test. Das war durchaus komplex und anspruchsvoll, am Ende haben lediglich 60 Prozent bestanden.“ Praxisorientierte Seminare über den Umgang mit Fisch, wie beispielsweise das Filetieren, was für andere Studierende durchaus Neuland war, war durch die jahrelange Erfahrung für Christopher Langner obsolet. „Da konnte das Seminar zur optimalen Weinempfehlung vorgezogen und intensiviert werden, die selbstverständlich auch Teil der Ausbildung ist. Sancerre von der Loire oder Champagner sind immer gute Begleiter zum Fisch“, schmunzelt der Fischexperte. Er resümiert seine Ausbildung: „Fischsommelier ist ein Titel auf Lebenszeit, dazu gehört die ununterbrochene Fortbildung und das Einholen von Informationen, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein.“ Dafür sind die Wege der Fischsommeliere recht vielfältig – ein Kommilitone führt eine Aquakultur, ein anderer hat eine Kochschule ausschließlich für Fisch gegründet.
Aquakultur statt Wildfang
Über die aktuelle Aussicht und Zukunftsperspektive gibt er zu bedenken: „Nun ja, der Fischbedarf steigt weltweit mit wachsender Bevölkerung, der Wildfang allerdings nicht – logische Konsequenz ist der ansteigende Fischpreis.“ Er sieht die Zukunft vor allem bei der Aquakultur. „Beliebte Fische, wie der Steinbutt, der Wolfsbarsch, oder die Dorade kommen inzwischen größtenteils aus der Aquakultur. Selbst beim Thunfisch, einem Prädatoren, gibt es diesbezüglich Versuche. Aktuell, jetzt in der Testphase, werden dafür Jungtiere in Anlagen mit Strömungskanal gesetzt. Als ich hier angefangen habe, war eine meiner ersten Maßnahmen, Fische vom Schleppnetzfang aus dem Sortiment auszulisten, da diese Technik die Grundoberfläche der Ozeane zerstört.“ Und was ist mit dem köstlichen aber umstrittenen Seeteufel? „Das ist eigentlich ein ganz guter Fisch, als Tiefseefisch. Wenn Sturm aufzieht, zieht er sich zurück und wird noch teurer. Das einzige, was man bei ihm berücksichtigen muss, ist der sehr wahrscheinliche Befall mit Nematoden, dementsprechend darf er nicht roh verzehrt werden, sondern muss zuvor eingefroren werden. Dann kann man ihn auch beispielsweise schön als Carpaccio genießen.“
Garantierte Frische
Auch wenn Berlin fernab der Küste liegt, die Ostsee mal ausgenommen, ermöglicht moderne Logistik Lieferungen im Zeitraum von ein bis zwei Tagen im einwandfreiem Zustand und das nicht erst seit heute: „Tsarkaja-Austern wurden bereits zum russischen Zarenhof von der französischen Atlantikküste nach St. Petersburg geliefert, da hat die Fahrzeit schon mal über eine Woche gedauert“, gibt Christoph Langner zu bedenken. An vielen Preisschildern der Fischtheke im Frischeparadies prangt ein zusätzliches Siegel „QSFP“, für „Qualitätssiegel Frischeparadies“, ein hauseigenes Siegel, das garantieren soll, dass der letzte Fang des Fischerboots innerhalb von 48 Stunden in der Theke ausliegt; das schließt Trawler, die unter Umständen sieben Tage lang auf hoher See fischen, bevor sie in den Hafen einfahren, schon mal aus. Neben den wild gefangenen Black Tiger Prawns und den anderen Garnelen, liegt eine Auswahl an Tintenfischen und Kalmaren. Daneben liegen ganze Seefische: Seezunge, Wolfsbarsch, der mit zwei bis drei Kilogramm vor Spanien geangelt wird, die kleineren mit ein bis zwei Kilogramm kommen aus Frankreich. Dazwischen leuchten Rotbarben hervor. „Die kann man hervorragend im Ganzen in der Bouillabaisse garen, die wird nicht bitter, weil diese Fische keine Galle haben“, erklärt der Sommelier.
Der letzte S[ch/k]rei
Momentan ist Saison für Skrei, wofür überall im Frischeparadies mit großen Plakaten geworben wird. Skrei ist eine besondere Qualität des Kabeljaus, mit weißerem und festerem Muskelfleisch. Das trainieren sich die Fische auf ihren 10.000 Kilometern Wanderweg aus der Barentssee Richtung Norwegen an. Übrigens wird Skrei nur vor Norwegen von norwegischen Booten gefischt; das soll gewährleisten, dass nicht konventioneller Kabeljau als höherwertiger und auch höherpreisiger Skrei verkauft wird – beides dieselbe Fischart, allein die Vielfalt des Futters für die Tiere entlang der Strecke wirkt sich positiv auf das Fleisch aus.
Singender Hummer?
Was auffällt ist die Abwesenheit eines besonderen Tieres. Nirgendwo liegen oder schwimmen die berühmt-berüchtigten, hart umstrittenen Hummer mit ihren gewaltigen Scheren. „Den gibt es bei uns frisch-lebend aus amerikanischem Wildfang nur freitags auf Bestellung. Sie werden in den Niederlanden bei unter fünf Grad in Kältestarre zwischengelagert“, erklärt der Fischexperte. Seinen Kunden empfiehlt er aber stattdessen High-Pressure-Hummer. Dieser wird direkt in Amerika im Elektrobad getötet und dann schockgefroren. Das Fleisch hat dieselbe Qualität wie lebender, lässt sich aber auch leichter herauslösen. „Der ausbleibende Reisestress der Tiere ist förderlich fürs Tierwohl. Auf Nachfrage entgegnet Christopher Langner: „Im Gegensatz dazu ist die Geschichte vom Todesgesang des Hummers – schmerzverzerrte, fiepende Geräusche – Unfug. Wenn man den Hummer kopfüber ins sprudelnd kochende Wasser wirft, dann ist der Hummer sofort und schmerzlos tot. Was in Deutschland wegen Tierquälerei verboten ist, ist das der Länge nach Halbieren des lebenden Tieres oder der Tod im Froster. Diese Praktiken sind beispielsweise in Frankreich durchaus üblich.“
Wo Langners kulinarischen Grenzen sind, wie sieht es beispielsweise mit Wels aus? „Der heimische weiß-fleischige Wels ist ein hervorragender Speisefisch, der vielseitig zuzubereiten ist, aber tatsächlich, der Rotfleischige aus Afrika, der schmeckt mir nicht.“
Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – Lebensmittelmagazin.de