Ob kernig oder zartschmelzend, Haferflocken sind ein hippes Lebensmittel – und das mit jahrhundertelanger Tradition. Hafer steht heute mehr denn je für ein gesundheits- und umweltbewusstes Nahrungsmittel. Lebensmittelmagazin.de ist nach Elmshorn in Schleswig-Holstein zum Marktführer Peter Kölln gefahren.
Süßer Duft nach gebackenem Müsli steigt beim Verlassen des Taxis in die Nase. Nach dem freundlichen Empfang in der traditionellen holzvertäfelten 60er-Jahre-Lobby, führt PR-Managerin Berit Zonnev zur Werksbesichtigung vorbei an der Mühle Eins. Sie bemerkt: „Der Turm gilt als Wahrzeichen von Elmshorn, als einem der größeren Arbeitgeber und Ausbildungsstandorte in der Region.“ Produktionsleiter Henning Schröder führt dann weiter durch Werk Vier und Fünf zur Produktion von Müsli und Porridge.
Vom Mehl zum Knusperstückchen
Am Extruder im Werk Vier entstehen Cerealien, auch bekannt als „Haferfleks“ oder „Crispies“. Extruder sind Geräte, die Teige unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmäßig aus einer formgebenden Öffnung herauspressen und formen. Dieses Verfahren wird als Extrusion bezeichnet und das so entstandene Endprodukt als Extrudat. Haferfleks und Crispies werden aus verschiedenen Mehlen zu einem Teig geknetet, wobei mindestens die Hälfte aus Hafermehl besteht. Der Teig wird als zwei Millimeter dicker Strang mit hohem Druck durch die Düsenplatte gepresst. Der Teigstrang wird hinter der Düse auf die gewünschte Länge geschnitten und anschließend in einem Trockner auf ca. drei Prozent herunter getrocknet. Bis zur weiteren Verwendung wandern die Extrudate via Rohr zur Lagerung in einen Silo. Um daraus die „Agglomerate“, die Basis für Knuspermüslis sind,herzustellen, werden unter anderem groß- und kleinblättrige Haferflocken und Crispies mit sogenannter Slurry gemischt. Henning Schröder erklärt: „Großblättrige Haferflocken sind diejenigen, die aus dem ganzen Korn gewalzt werden. Bei kleinblättrigen wiederum wird das Korn vorher drei bis viermal zerschnitten und dann gewalzt. Slurry wiederum ist ein Sirup aus unter anderem Wasser, Zucker und Glucose-Fructose-Sirup.“ Einmal gemischt, muss auch dieser Teig von rund 20 Prozent Feuchtigkeit auf drei Prozent runter getrocknet werden. Dies geschieht in einer etwa zwölf Meter langen BackstraßeDanach wird das Produkt zuerst grob, dann fein gebrochen und final mit Sieben von den Feinanteilen befreit. Agglomerate sind die Basis für Knuspermüslis und werden maximal 24 Stunden zwischengelagert, um dann mit weiteren Müsli-Komponenten gemischt zu werden.
Müsli-Mischungen
Im Werk Fünf wird heute Knuspermüsli gemischt. Auf dem Oberboden stehen bzw. hängen 500 Kilogramm Säcke mit Zutaten wie Haferflocken, Trockenfrüchten, Rosinen, Schokoladen, Fruchtpulvern, Kernen und Saaten. Ein paar Schritte weiter gewinnt man den Überblick über die Anlage, die maximal neun Tonnen pro Stunde verarbeiten kann. Zuerst werden für die Müslis bis zu 15 Zutaten über vollautomatisierte Differential-Dosierwaagen, welche die korrekten Anteile gewährleisten, zusammengemischt. Das Müsli wird abgewogen in – Schlauchbeutel abgefüllt – und direkt verschweißt. Auf den Karton wird maschinell das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Chargen-Kennzeichnung gedruckt. Das Müsli im Karton wird zur Sicherheit noch auf Fremdkörper durchleuchtet. Die Packungen kommen zu siebt in einen Umkarton, der ebenfalls noch mal bedruckt wird. Die Palettierung erfolgt automatisch mit je zwei Etagen Umkartons pro Palette. Per Ameise kommen die Paletten auf die Bereitstellungsfläche. Die Verladung auf den LKW sowie die spätere Lagerung erfolgen nach dem Abscannen des Aufklebers vollautomatisch. 5.500 solcher Paletten haben Platz im Lager von Peter Kölln.
Über Haferflocken
Im Konferenzraum von Peter Kölln erzählen Gemälde großer Dreimaster über die hanseatische Vergangenheit der über 200-jährigen Firmengeschichte. Anne-Dore Knaack, Leiterin der Produktentwicklung und Marken PR des Hauses, lädt ein zum Gespräch über Haferflocken. Sie schwärmt für das Getreide: „Für mich ist das Tolle an Haferflocken die Naturbelassenheit in der Verarbeitung. Da wird nichts weggenommen und nichts hinzugefügt. Es ist ein nordisches und auch immer mehr regionales Produkt, das von allen Altersgruppen gerne verzehrt wird.“
Vom Hafer zur Flocke
Nach der Entnahme einer Qualitätsprobe werde der Hafer zunächst trocken gereinigt, wobei die ankommende Ware bereits eine vorgereinigte Qualität hat, wie Knaack bemerkt. Danach wird er einer schonenden Wärmebehandlung unterzogen, bei der fettspaltende Enzyme (Lipasen) inaktiviert werden. Sonst würden die Haferflocken vorzeitig ranzig werden. Gleichzeitig wird die Stärke aufgeschlossen. Dies führt zu einer besseren Verdaulichkeit und dem typischen, nussartigen Haferaroma. Der Hafer wird nach Dicke sortiert und die Spelze von den Haferkernen getrennt. Besonders große Haferkerne werden direkt zu „Echte Kölln Kernige“ (kernige Struktur = Großblattflocken) flockiert, also mit Dampf gewalzt. Etwas kleinere Haferkerne werden zu Grütze geschnitten und ergeben „Blütenzarte Köllnflocken“ (zarte Struktur = Kleinblattflocken). Gemahlene Haferkerne (Hafervollkornmehl) werden zu leicht löslichen „Kölln Instant Haferflocken“ und „Kölln Schmelzflocken®“ verarbeitet.
Gesund für den Boden
Ein Großteil des Hafers stammt aus Skandinavien. „Unsere Biolinie allerdings bezieht von Anfang an den Hafer aus Deutschland. Grund dafür ist der ökologische Gedanke dahinter, der einhergeht mit kurzen Transportwegen“, erklärt die Leiterin. Inzwischen liegt der Anteil deutschen Hafers auch bei konventionellen Haferflocken bei 21 Prozent. „Hafer hatte in der Vergangenheit eher den Stand als Grundnahrungsmittel, heute gilt er als heimisches Superfood. Im Rahmen der Düngemittelverordnung von 2019 tauchte der Hafer als Gesundungsfrucht auf. Die Pflanze selber ist recht anspruchslos, aber der Boden kann sich in der Fruchtfolge währenddessen erholen. Er hat eine hohe Unkraut- und Krankheitsunterdrückung sowie eine gute Nährstoffaneignung. Dünge- und Pflanzenschutzmittel müssen nur moderat bis sehr gering eingesetzt werden.“
… und für den Menschen
Seine Renaissance erlebe der Hafer seit zehn Jahren. „Heute ist er der Liebling der Foodblogger, ob als Haferflocken oder Haferdrink. Großer Vorteil ist, dass Haferflocken immer ein Vollkornprodukt sind, egal ob zart oder kernig. Sie haben einen besonderen Ballaststoff, Beta-Glucan, welcher den Cholesterinspiegel im Blut reduzieren und normalisieren kann“, weiß Knaack. Eine besondere Rolle spielt der Hafer im Zusammenhang mit der pflanzenbasierten Ernährung. Er ist Lieferant für Zink, Pflanzenproteinen, Magnesium und Eisen. Pflanzliches Eisen wird zwar vom Körper weniger gut aufgenommen als tierisches, die Verwertbarkeit lasse sich durch Vitamin C aber optimieren, beispielsweise durch ein Glas Orangensaft dazu. Hafer ist außerdem vielseitig einsetzbar und kann z. B. beim Backen ein Drittel des Weizenmehls ersetzen. Vollständig mit Hafer zu backen ist schwieriger, weil es eine andere Eiweißstruktur innehat, die nicht „aufgeht“. Die Entwicklungsleiterin erklärt: „Hafertypisch ist auch die cremig-weiche Struktur, wie wir sie auch vom Porridge kennen.“
(Auch Hafer-) Milch macht müde Männer munter
Heutzutage populär ist Hafermilch, lebensmittelrechtlich korrekt: Haferdrink. Nicht nur aus geschmacklichen Gründen. Sie wird wie Kuhmilch verwendet und kommt z. B. bei Veganer:innen und Menschen mit Laktoseintoleranz als Milchalternative bei Kaffee, Müsli, Smoothies und vielem mehr zum Einsatz. Als Milchalternative bietet sie beispielsweise gegenüber anderen Pflanzendrinks aus Soja oder Mandeln einen ökologischen Vorteil bei der CO2-Bilanz. Trotz der vielen Vorteile gibt die Haferfachfrau zu bedenken: „Bei der Verwendung von Milchalternativen muss man im Blick behalten, dass der Zusatz von milchtypischen Inhaltsstoffen wie z. B. Calcium bei Bio-Produkten verboten ist. Außerdem enthält Haferdrink weniger Proteine als Kuhmilch. Zur Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern ist er so beispielsweise nicht geeignet.“
200 Jahre Erfolgsstory
Mit gewissem Stolz weist Anne-Dore Knaack darauf hin, dass das Unternehmen Peter Kölln beim Haferdrink schon 2010 Vorreiter mit seinem Haferdrink „Smelk“ war. Im Laufe der 200 Jahre Firmengeschichte sorgten Innovationen für die Weiterentwicklung des Unternehmens, wie beispielsweise schon 1920 der Wechsel von loser Sackware zu handelsüblichen Kleinverpackungen. In den 1970er Jahren führte Peter Kölln das Schokomüsli ein und platzierte seine Bioprodukte nicht nur in Reformhäusern, sondern im Einzelhandel. Dies alles führte zum Erhalt der Marktführerposition bei Haferflocken, Müslis und Porridge. Zudem ist Kölln die einzige Marke, die alle Kategorien des Cerealienmarkts anbietet. „200 Jahre Firmengeschichte bedeuten Tradition und Erfahrung sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Deshalb sagen wir auch gerne, dass wir ein 200-jähriges Start-up sind.“
Wer sich von Innovationen rund um Hafer überraschen lassen möchte, der hat im Hamburger Flagship Store „Haferland“ die Möglichkeit, das traditionelle Getreide kulinarisch neu zu erleben, ob als Sushi oder veganem Braten.
Artikel-Teaserbild (oben): luismolinero – stock.adobe.com