Über Mittel- bis Osteuropa ist Borschtsch in aller Munde und genießt Popularität, dabei gehört er zu den Nationalgerichten der Ukraine. Lebensmittelmagazin.de lässt sich die purpurfarbene Köstlichkeit schmecken.
Mitten in Berlin-Neukölln liegt das Café „Drei Elefanten“ von Anzela Gumz. Man sitzt unter Kronleuchtern und im großen Fenster hängt die Fahne der Ukraine in den Farben der Weizenfelder und dem darüber liegenden Himmel. Ursprünglich servierte sie in ihrem Café vegetarische und vegane Gerichte. „Ich hatte einen Koch aus Moskau, Mitarbeiter:innen aus Kasachstan, Usbekistan, Moldawien, Tschetschenien und Dagestan. Dann kam Corona mit dem Lockdown und meine Mitarbeiter:innen haben sich anderweitig orientiert. Dafür arbeiten jetzt Ukrainer:innen bei mir. Jetzt koche ich – überwiegend ukrainische Küche“, bemerkt sie trocken. Die ukrainische Küche vegetarisch zuzubereiten, vor allem im Hinblick der allgemein großen Nachfrage in Neukölln, stellt kein Problem dar. Borschtsch muss vor allem „dick“ sein. Man sagt „wenn der Löffel drin stehen bleibt, ist es ein guter Borschtsch. „Nach dem zweiten Weltkrieg war das eine wichtige sättigende Mahlzeit, von der es hieß, dass ein Teller so satt macht, dass man für den Rest des Tages weiterarbeiten könne“, weiß Anzela Gumz.
Rote Bete, Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln
Frische Rote Bete, Kartoffeln und Karotten sowie Zwiebeln bilden die Grundlage eines jeden Borschtsch und reichen im Zweifelsfall auch vollkommen aus. Dann gäbe es aber 200 Varianten davon: „Ob mit frischem Kohl, Sauerkraut, Bohnen oder frischer Paprika, vieles ist möglich und am Ende nimmt man das, was gerade da ist.“ Anzela Gumz stammt aus der Bukowina, dem bergigen Grenzland, das im Süden bis an die rumänischen Karpaten reicht, im Osten an Moldawien grenzt und im nördlichen Teil ukrainisch ist. Im Laufe der Geschichte gehörte es zu Österreich-Ungarn und stand unter rumänischer Herrschaft. „Und wurde Ende 1939 als letzter Teil für rund 50 Jahre an die Sowjetunion angegliedert“, konstatiert die Cafébesitzerin.
Familiäre Angelegenheit
Das Borschtsch-Rezept entstammt ihrer Familie und natürlich hat jede ukrainische Familie ihr eigenes Rezept. Um also „ihren Borschtsch“ zu kochen, muss als erstes die frische Rote Bete als Julienne in feine Streifen geschnitten werden. „Nur Faule nehmen die Reibe“, schmunzelt Anzela Gumz. Fein gehackte Zwiebeln brät man glasig an. Danach kommen die Rote Bete und Karotten dazu und alles wird leicht angebräunt. Anschließend gießt man alles mit Wasser oder Brühe auf und gibt einen Schuss Essig hinzu, damit die Rote Bete ihre Farbe behält. Gewürzt wird die Suppe mit Salz, Pfeffer, Lorbeer und Piment. Parallel dazu köcheln Kartoffelwürfel. „Außerdem kann natürlich noch Fleisch in die Suppe, knusprig angebratene Speckwürfelchen beispielsweise oder Räucherfleisch, was eben gerade da ist, muss aber nicht“, genießerisch verdreht sie die Augen bei der Vorstellung. Zum Schluss streut man Dill und Petersilie über die fertige Suppe auf den Teller, dazu ein Klecks Schmand.
Veggie oder Fleisch
Was üblicher sei, vegetarischer oder Borschtsch mit Fleisch? „Schauen Sie, meine Mutter z. B. erhält 2.000 Hrywnja Rente pro Monat, das entspricht ungefähr 70 Euro. Sie besitzt zwar eine Eigentumswohnung, muss aber alleine davon 30 Euro für die Nebenkosten abführen. So oft wird es also kein Fleisch geben, oder?“, gibt sie zu bedenken. „Jetzt, am 2. Juli richten wir das Catering beim ukrainischen Nachmittag der amerikanischen Gedenkbibliothek aus, deren ukrainischer Buchbestand immer weiterwächst. Dafür backen wir Pampuschki, Hefegebäck mit umwerfender Knoblauchcreme, die man traditionellerweise zum Borschtsch dazu serviert.“
Heiß und kalt
Eine Schüssel vegetarischer Borschtsch, heiß dampfend kommt auf den Tisch. Es vergeht etwas Zeit, bis sie runter kühlt, angesichts der sommerlichen Temperaturen, obwohl Borschtsch das ganze Jahr über serviert wird. Die frischen Kräuter, besonders der Dill, duften und steigen in die Nase. Deutlich lassen sich die einzelnen Gemüsesorten herausschmecken, abgerundet mit Essig, dessen Geschmack aber nicht zu dominant ist. Es gäbe auch ein sommerliches Rezept für kalten Borschtsch, Cholodnyki, der nicht gekocht wird, sondern zwei bis drei Stunden im Kühlschrank ziehen muss. „Dafür wird gegarte Rote Bete grob gerieben und zusammen mit Wasser, Schmand, frischer Gurke und gekochten Kartoffeln, die ich aber z. B. nicht dazu nehme, miteinander vermengt und mit ganz fein gehacktem Dill und Petersilie gewürzt. Die Suppe wird mit gekochten halbierten Eiern dekoriert, die oben draufgelegt werden können, weil die Suppe auch ziemlich dick ist“, erklärt sie.
Grenzenlose Vielfalt
Natürlich wird Borschtsch nicht nur in der Ukraine gegessen, sondern sei nach 50 Jahren in allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu Hause. Bei ihr daheim gab es aber immer ukrainisches Essen, insbesondere, seitdem ihre Mutter jetzt in Deutschland sei. Mal abgesehen vom Borschtsch, was ist denn noch typisch für die Ukrainische Küche? „Das dürften vor allem noch Wareniki sein, halbmondförmige Teigtaschen, die unterschiedlich gefüllt werden und auch in unserem Restaurant angeboten werden“, meint sie und muss schmunzeln: „Und natürlich Speck, aber richtig fetter Speck. Dieser wird geräuchert und gepökelt. Ukrainischer Speck genießt überall großes Ansehen. Man sagt, dass ukrainischer Speck eine Droge sei, einmal probiert, bleibt man drauf hängen. Dazu noch selbst gebrannter Wodka, dann hat man einen schönen Abend“, wobei sie, wie sie einräumt, auf Alkohol allergisch reagiert. So vielfältig die Regionen in der Ukraine sind, vom Schwarzen Meer bis an die Karpaten, so unterschiedlich kann Borschtsch ausfallen, meint die Ukrainerin: „Neulich habe ich bei einer Freundin veganen Borschtsch mit Kokosmilch gegessen, es geht also wirklich sehr viel.“ Ob man Borschtsch auch mit Fisch servieren kann? Zu Roter Bete, Schmand und Dill sei doch vielleicht geräucherte Forelle ganz gut vorstellbar? Anzela Gumz runzelt die Stirn: „Nein, Fisch passt dazu eigentlich nicht. Obwohl, nach einem Schluck selbst gebrannten Wodka vielleicht doch. Reizen Sie besser meine Fantasie nicht, sonst serviere ich nächste Woche vielleicht noch Borschtsch mit Forelle.“
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