Die Truppenküche der Bundeswehr: Mahlzeit, jederzeit, weltweit

Aus eigenen Wehrdienstzeiten positiv in Erinnerung geblieben ist unserem Autor eigentlich nur die Erbsensuppe. Lebensmittelmagazin.de hat eine Kaserne der Bundeswehr besucht, um sich ein Bild von der heutigen Verpflegung der Truppen zu machen. 

„Herr Hauptmann, ein bisschen rumruckeln!“, das Kartenlesegerät hat gerade seine Tücken beim Ablesen der Geldkarte. Küchenmeister Andreas S. steht zusammen mit Jörg J., Beauftragter des PIZ IUD (Presse- und Informationszentrum des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr) bei der Ausgabetheke und beobachtet das mittägliche Treiben in der Truppenversorgung der Berliner Julius-Leber-Kaserne. Sie gilt als eine von Deutschlands größten Kasernen.

Von allem etwas

41 Dienststellen des Heeres, der Luftwaffe, der Marine und des Wachbataillons, der Ehrengarde der deutschen Bundeswehr, sind in dieser Kaserne vereint. Hinzu kommen die vielen Dienstreisenden nach Berlin. Gegenwärtig werden hier in der Truppenküche der Julius-Leber-Kaserne rund 300 Frühstücke, 500 Mittagessen und weitere 300 Abendbrote pro Tag zubereitet. „Zu besonderen Anlässen, wie beispielsweise Gelöbnissen, können wir aber auch 3.000 Soldaten verpflegen“, meint der Küchenmeister. Großer Beliebtheit erfreue sich alternativ aber auch der bundeswehreigene Pizzaautomat, aus welchem die Kameradinnen und Kameraden zu jeder Tages- und Nachtzeit Pizza beziehen können. Nicht jede Liegenschaft hat zwingend eine Truppenküche, wenn die Mannschaftsstärke dies beispielsweise nicht erfordert.

Soldaten bei der Essensausgabe.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Hauptsache Schnitzel

Die Mittagessensausgabe liegt zwischen 11:15 und 13:20 Uhr. Auf der Mehrzahl der vorbei getragenen Teller liegt knusprig-goldenes Cordon bleu neben Böhnchen und Petersilienkartoffeln. „Schnitzel in allen Variationen ist hier Dauerbrenner“, lautet des Küchenmeisters Kommentar dazu. Lecker schaut es aus: Die Soldatinnen und Soldaten haben die Möglichkeit, jeden Tag zwischen vier Gerichten auszuwählen. Das erste ist ein Schöpfgericht, das geländefähig in sogenannten Thermoporten transportiert werden kann. Das ist eine Kreuzung aus Thermoskanne und Tupperdose, aber in Mannschaftsgröße. Das sind dann Gerichte wie Erbsensuppe oder Gulasch. Eine Wahlmöglichkeit ist vegetarisch. Andreas S. führt aus: „Am beliebtesten ist hier die Hirtenpfanne, das sind Eierreisnudeln mit Feta, Oliven und Paprika.“. Es gibt aber beispielsweise auch „Fruchtiges Tofu“ (Rezept siehe unten). Den Kameradinnen und Kameraden sehr ans Herz, bzw. auf grün umrandete Teller gelegt, wird die Fitnesskost. „Die Fitnesskost ist nährstoffoptimiert und kalorienreduziert. Dafür servieren wir beispielsweise Fisch auf dem Gemüsebett oder Lachs auf Kartoffelpuffer.“ Als viertes Wahlgericht bietet die Truppenverpflegung ein Fleischgericht an, das kann Hühnchen sein, Currywurst oder wie aktuell Cordon bleu. Dazu gibt es Vorspeisen, wie die heute geruchsintensiven Tintenfischringe in Knoblauchsoße und Desserts wie eine sehr leckere Quarkspeise mit Beerenkompott.

Darüber hinaus schmeicheln dem Auge meterlange Salatbars sowie aufgeschnittene Ananas und Melone in Kühltheken, sehr appetitlich angerichtet. Is(s)t man hier bei der Bundeswehr oder im Sterne-Hotel? Der Küchenmeister schmunzelt: „Mit der Sternehotelküche können wir es hier locker aufnehmen.“ Preislich allemal: Wo das Frühstück im Sternehotel schon mal über 20 € kostet, bezahlt man mit der Berechtigung hier zu essen 1,87 € für das Frühstück und für das Mittagessen sowie das Abendessen je 3,57 €. „Der Wachdienst, körperlich wie mental gefordert, ist im Gegensatz dazu verpflichtet, essen zu gehen, seine Mahlzeit wird vom Dienstherren bezahlt.“, erklärt Andreas S.

Für frisches Obst wird immer gesorgt.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Bloß keine Nostalgie!

Vor etwas weniger als 20 Jahren sah die Verpflegung beim eigenen Wehrdienst in der Marine-Unteroffiziersschule Plön weiß Gott anders aus: Es gab bei der Grundausbildung täglich die Wahl zwischen zwei Gerichten, oftmals Pest oder Cholera. Das waren zum Beispiel sehnige Fleischscheiben mit Kartoffelpüree auf Flockenbasis, auch als NATO-Pattex bekannt, mit Instant-Bratensoße. Meistens wurde alles eher geschmacksneutral gewürzt. Der Tiefpunkt war ein Gericht, das als „Hühnchen Bombay“ auf der Tafel stand: Ein Hühnerfrikassee mit mehliger Currysauce, angereichert mit Cocktailfrüchten aus der Dose. Wenn der Hunger das Essen nicht reintrieb, funktionierte die Kalorienreduktion fast von selbst. Was tatsächlich damals schon sehr gut geschmeckt hat, war die Erbsensuppe.

„Seit dem Fall der Wehrpflicht werden bei der Bundeswehr Maßnahmen ergriffen, an Attraktivität zu gewinnen – alles im Rahmen der Menschenführung 2000″, erläutert Andreas S. „Menschenführung 2000“ heißt offiziell als Zentrale Dienstvorschrift: Innere Führung/Selbstverständnis und Führungskultur. Das bedeutet, keine starken Sprüche von Unteroffizieren mehr, kein Drangsal wie Liegestütz auf Fingerspitzen, stattdessen „Bitte“ und „Danke“ in der Grundausbildung. O Tempora, o mores! Konsequenz für die Truppenverpflegung ist der Wegfall der Trennung von Offiziers- und Mannschaftsmessen, alle Soldatinnen und Soldaten speisen in einem Raum.

Alles ordnungsgemäß

Das heutige Essen folgt der Vorgabe eines rotierenden 13-Wochen-Verpflegungsplans vom Verpflegungsamt der Bundeswehr in Oldenburg, der über tausende von Rezepten verfügt. Diesen Plan befolgt nicht nur Andreas S., sondern jede Truppenküche innerhalb der Bundesrepublik. Das Verpflegungsamt in Oldenburg ist auch zuständig für die bundesweiten Verträge mit Zulieferern, die aber durchaus regional unterschiedlich sein können. Außerdem ist es verantwortlich für das Hygiene-Auditing, das also alle Beteiligten hygienisch sauber arbeiten und beispielsweise auch Transporterinnenräume einwandfrei sind. „Das ist durchaus schon vorgekommen, dass ich Warenanlieferung etwa bei Reifen im Innenraum verweigert habe,“ berichtet S. Während Fleisch einmal die Woche gebracht wird, kommt der Obst- und Gemüselieferant aus Stendal zweimal pro Woche zur Truppenküche, so just heute. Mit dem Rollwagen wuchtet der Fahrer ungefähr eine halbe Tonne frisches Obst und Gemüse aus seinem LKW über die Rampe in die Küche. Er hat nicht die allerbeste Laune, über den Grund hierfür macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube: Klimaaktivist:innen, die für Staus und stockenden Verkehr sorgen, rauben ihm zusätzliche Stunden seines Lebens. Nachvollziehbar bei jemandem, der den Großteil seiner Arbeitszeit auf der Autobahn verbringt.

Zweimal pro Woche wird frisches Obst und Gemüse geliefert.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Auf’s Gramm genau

In der riesigen Küche herrscht geruhsames Treiben, jeder geht routiniert seiner Arbeit nach, weder wird klischeehaft laut gebrüllt, noch, und das ist bemerkenswert, riecht es stark nach Essen. „Wir haben eine besonders gute Küchenlüftung, das Essen riecht man erst an der Ausgabetheke“, meint Andreas S. Um 5:30 Uhr beginnen die Frühstücksvorbereitungen, um 6:30 Uhr beginnt die Frühschicht bereits mit den Vorbereitungen fürs Mittagessen, dem Schnippeln von Gemüse beispielsweise. „Die Salate bekommen wir fertig vorbereitet von unserem Obst- und Gemüselieferanten, das geschieht dort bereits am Abend zuvor“, erzählt der Küchenmeister. Pünktlich um 11:15 Uhr ist ein Viertel der Portionen servierbereit. Sukzessive werden im Bedarfsfall die Gerichte nachgekocht. Im großen 150-Liter-Kessel zieht die bereits fertig gegarte Erbsensuppe. Im Januar zur Grünen Woche wird die Erbsensuppe kostenlos am Bundeswehrstand an die Besucher:innen verteilt, das erzeuge jedes Mal einen großen Run, auf den sich die Küche nach der langen Messe-Pause schon freut. Neben dem Kessel liegt das Rezept, mit genauen Grammangaben für Gewürze, etc. Große Überraschung – die Erbsensuppe der Bundeswehr ist vegan, von geschmacksgebenden Speck und ausgekochten Schwarten nicht die Spur. „Speck wird in kaum einem Rezept mehr verwendet. Wir achten hier auf eine Tagesration von 2.400 Kalorien für die Soldatinnen und Soldaten. Die Kampfschwimmer in Eckernförde z. B. benötigen 3.600 Kalorien.“

Die Organisation erfolgt über ein Qualitätsmanagementsystem. „Damit haben wir es geschafft unser Abfallaufkommen um die Hälfte zu reduzieren. So ist beispielsweise bei uns am Donnerstag Dönerstag, da sehe ich die Kolonnen hier gen Dönerbuden fahren und weiß, heute muss ich nur einen Bruchteil der täglichen Menge in der Kantine zubereiten.“

Vergangenheit und Zukunft

Wünsche und Kritik der Soldaten werden schriftlich erfasst und regelmäßig an das Versorgungsamt in Oldenburg übermittelt. Gesammelt werden diese Protokolle zusammen mit Rezeptbüchern im Keller der Truppenküche, die uns der Küchenmeister unbedingt zeigen möchte, wenngleich nicht wegen der Aktenordner. Auf den Kacheln der tragenden Säulen finden sich Freimaurer-Symbole. Spannend, die Kaserne wurde in den 30er-Jahren gebaut – inwiefern also Freimaurer damals die Wehrmacht unterwanderten, lässt sich jetzt nur spekulieren und mutmaßen.

Zum Abschluss lädt der Pressesprecher Jörg J. zur Spazierfahrt über das Gelände der Kaserne. Mit etwas Stolz zeigt er das Tagungszentrum der Julius-Leber-Kaserne, ein sehr schönes, herrschaftliches Haus, in dem bisweilen die Verteidigungsministerin ihre europäischen Kollegen treffen mag. Hinter dem Haus ist eine große Terrasse mit weitläufigem Park. „Im Sommer haben wir hier einen Biergarten für unsere Soldatinnen und Soldaten.“ Während der gesamten Fahrt sah man zur Mittagszeit kaum eine Menschenseele, Ruhe und Frieden herrscht hier. Es schnürt einem den Hals zu, sich vorzustellen, wie im Ernstfall dieser Ort mit Rekrut:innen und Reservist:innen gefüllt sein mag.

Bundeswehrrezepte von heute (Achtung die Rezepte entsprechen 100 Portionen)

Pizza mit Wirsingkohl

4 kg Creme/Schmand 20 Prozent

5 kg Mozzarella, in Scheiben

100 ml Trennfett

200 ml Rapsöl

6 kg Ananas, in Stücken (Konserven)

100 g Fluoridiertes Speisesalz

5 g Chilipulver

8 g Kreuzkümmel, gemahlen

6 g Muskatnuss, gemahlen

10 g Pfeffer, weiß, gemahlen

10 kg Pizzaplatte, TKK

4 kg Zwiebeln, gewürfelt, TKK

20 kg Wirsing, TKK

500 g Petersilie, TKK

Zubereitungshinweise:

Zwiebeln in Öl andünsten. Wirsing und Ananas zugeben. Schmand unterrühren und würzen. Die Masse (1.800g/Boden) auf dem Pizzaboden gleichmäßig verteilen und mit Mozzarellascheiben belegen. 6 Stücke pro Pizzaboden

Fruchtiger Tofu

600 g Honig

500 ml Rapsöl

300 g Sesamkerne

1 kg Maisstärke

6,5 kg Tofu

300 ml Sojasauce

2, 8 l Asia-Soße (Sweet chili)

7 l Orangensaft

600 ml Zitronensaft

Zubereitungshinweise:

Tofu in Würfel schneiden und in der Maisstärke wälzen. Tofuwürfel in Öl anbraten und restliche Zutaten dazugeben. Sesam rösten und zugeben.

Beitragsbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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