Wo findet man besseren Kaffee als jenseits der Alpen? Lebensmittelmagazin.de folgte der Einladung zu Italiens größter Lebensmittelmesse TUTTOFOOD in Mailand.
Rund 2.000 italienische und weitere 500 Lebensmittelhersteller aus 46 Ländern präsentierten auf der Fieramilano, der Mailänder Messe, in der ersten Maiwoche ihre Köstlichkeiten, mit dem Ziel, auf dem nationalen wie internationalen Markt mit ihrer Qualität zu begeistern. Dabei standen hier, wie wohl an sonst keinem anderen Ort Europas, der Stolz auf Tradition und Handwerk dem Zeit- und Innovationsgeist gegenüber.
Tradition und Innovationsgeist
Und so wurden die Spezialitäten allenthalben gefeiert: Prosciutto-Keulen hingen von den Wänden und wurden in hauchdünnen Cuts serviert. Kühle Büffel-Mozzarella und cremige Burrata auf knusprigen Crostinis – wer könnte da widerstehen? Qualität aufgrund der Provenienz lernten die Besucher:innen auch bei Parmesanspänen aus Reggiano oder Aceto Balsamico aus Modena kennen. Bei allem groß angelegten Wert auf Genuss standen auch in Mailand Nachhaltigkeit und die aktuellen Herausforderungen über allem in den riesigen Messehallen.
Mit den Better Future Awards zeichnete die TUTTOFOOD dementsprechend Unternehmen aus, die mit der Umsetzung ihrer Visionen in den Bereichen Innovation, Ethik und Nachhaltigkeit, Verpackung sowie Lebensmittelqualität überzeugen konnten. Die Mailänder Firma Zini gehörte zu den Gewinnern. Bei ihrem „Km0-Projekt“ wird die ursprüngliche Hartweizensorte Grano Antico Senatore Cappelli unmittelbar neben dem Unternehmen angebaut, und direkt vor Ort gemahlen und verarbeitet, was die Transportkilometer aufs Minimum reduziert.
Pasta e basta!
Unvermeidlich und omnipräsent war Pasta auf der Messe in allen Formen und Farben. Das apulische Unternehmen Pasta Show aus Monopoli ist Hersteller von frischer TK-Pasta und Trockenware. Sie präsentieren sich auf der Messe ganz im Geiste italienischer Pastatradition. Viele ihrer Nudeln, wie beispielsweise Ravioli, werden in Handarbeit produziert. Man sieht förmlich die Damen vor sich, die vor ihrer Haustür sitzen, in unnachahmlicher Weise und mit schnellem Tempo ihre Orecchiette herstellen und vielerorts das Bild von Apulien prägen. Andererseits bleibt das Angebot von Pasta Show keineswegs bei traditionellen Rezepturen stehen. Mittlerweile gibt es auch hier Pastateig auf Kichererbsen- bzw. Buchweizenmehl-Basis. Bei den Füllungen sind sowieso keine Grenzen gesetzt. Auf die eher scherzhafte Frage nach Insektenfüllung antwortete die Pugliesin trocken: „Kein Problem, alles eine Frage der Rezeptur!“
Unter den Pastaständen fand man überraschend den deutschen Mitbewerber Just Taste aus dem fränkischen Schwabach mit seiner Pastaalternative auf Gemüsebasis. Der Geschäftsführer freute sich: Bei einem Testessen zeigten sich die Juror:innen der Messe begeistert von seinem Produkt – und das im konservativen Italien!
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Italienische Alternativen
Ausgerechnet in Mailand, der Heimat des Risotto Milanese, fand man auch das italienische Startup Rebelgrains, das mit Wildreismischungen im Sinne der Biodiversität den traditionellen Reissorten Arborio oder Carnaroli Konkurrenz machen möchte. Abgesehen davon, dass Wildreis im Bereich Proteine und Ballaststoffe punkten kann, haben die Crackers und der Salat auch geschmacklich überzeugt.
Offenheit gegenüber Neuem gab es auch anderweitig zu spüren. Die Italiener können aufgrund ihrer Rohstoffe auf eine andere Milch-Alternative zu unserem Haferdrink zugreifen: Mandeldrink, sehr gehaltvoll, lecker und in diesem Fall eben auch regional und Bio-zertifiziert von der Firma Policom in Calabrien.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Nachhaltig lecker
Ebenfalls regional und nicht nur sympathisch, sondern auch richtig köstlich, waren die Haselnüsse von nocciole.it aus der Toskana. Mit ihren Cremes und Schokoladen konnte das Unternehmen zumindest vom Genuss her dem großen Schoko-Nuss-Giganten Paroli bieten.
Innovationsgeist bleibt nicht allein den Start-ups vorbehalten: Das Unternehmen Agromonte, dessen Passata (eine dicke Tomatensauce, die wegen ihrer süßen und cremigen Textur als Grundlage für Suppen und traditionelle Soßen verwendet wird) man auch in den Regalen deutscher Supermärkte findet, baut seine Kirschtomaten biozertifiziert in einer Kreislaufwirtschaft auf Sizilien an. Der Geschäftsführer gibt zu bedenken: „Kein Landwirt hat ein Interesse daran, seinen Boden oder sein Wasser zu schädigen. Bei uns wird alles weiterverwertet. Das Wasser bei der Produktion wird nicht weggeschüttet, sondern aufbereitet und auch die Überreste nach dem Passieren finden dann immer noch als Viehfutter Verwendung.“
Apropos Viehfutter, ein anderes Beispiel für technische Revolution in der traditionellen Landwirtschaft zeigte das Unternehmen La Dispensa aus Paestum mit seinen Büffeljoghurt-Zubereitungen und Desserts. Bei diesen Produkten konnte man per QR-Code und Blockchain-Technologie den Becher quasi in den Kuhstall zurückverfolgen – so geht Transparenz.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Fleischalternative ist nicht gleich Fleischalternative
Einen Unterschied der TUTTOFOOD zu sonstigen Lebensmittelmessen der jüngsten Vergangenheit gab es aber: Fleischalternativen, etwa auf Soja- oder Erbsenproteinbasis, musste man suchen. Und diejenigen, die man fand, stammten mehr oder weniger komplett aus dem Ausland. Beim spanische Unternehmen Heüra waren die Produkte, wie Burger Patties oder Chicken Nuggets nicht nur lecker und saftig, das Unternehmen konnte außerdem mit einem Nutri-Score A werben.
Von italienischer Seite aus scheint man sich dem Thema anders zu nähern. Das Unternehmen Puglia Kitchen zum Beispiel bietet typische Fleischgerichte wie Burger oder etwa italienische Lasagne und Cannelloni etc. als „Fleischrezept“, aber auf Gemüsebasis an. Heißt, der Geschmack selber kommt vom Gemüse wie Cime de Rapa, ein lokaler Stängelkohl, oder eben Auberginen und Pilzen und versucht nicht, Fleisch nachzuahmen. Aber die äußere Form sieht dem tierischen Original doch ähnlich. Auf Nachfrage bestätigte eine Italienerin, dass man in den Supermärkten inzwischen auch „konventionelle“ Fleischalternativen findet. Auf die Frage wie diese ankämen, zuckte sie aber mit den Schultern.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Wir sind die Roboter
Fast hätte man sie vermisst, aber nein, sie waren auch auf der TUTTOFOOD: Roboter. Hier in Italien fehlen ebenfalls Arbeitskräfte, die durch Technologie ersetzt werden sollen. Im beinahe maschinengewehrartigem Takt räumte ein hydraulischer Roboterarm mit optischem Sensor der italienischen Firma B.mec die Päckchen von A nach B auf einem Fließband. Ein paar Meter weiter standen seine Brüder und Schwestern und demonstrierten, wie sie Snacks anbieten, Tabletts wegräumen und Informationen geben können. Roboter scheinen wohl doch ein erheblicher Teil der nahen Zukunft zu werden.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de