Frankfurter Grüne Soße – Sieben Kräuter müsst ihr sein

Ob mit Ei und Pellkartoffeln oder Schnitzel und Bratkartoffeln – Grüne Soße gehört zu den kulinarischen Highlights der Mainmetropole. Wie streng jedoch die Auflagen der dazugehörigen geschützten geografischen Angabe sind, erfährt Lebensmittelmagazin.de während der Audienz bei der Grüne-Soße-Königin.

Während Petersilie und Schnittlauch, vielleicht noch Kerbel und Kresse landläufig bekannt sein dürften, könnte das bei Sauerampfer, Borretsch und Pimpinelle schon weitaus weniger der Fall sein. Aber das sind exakt die sieben Kräuter, die in eine Frankfurter Grüne Soße gehören. Während es in Nordhessen schon mal vorkommt, dass Dill in der Grünen Soße landet, ist für die geschützte geografische Angabe (g. g. A.) festgelegt, welche Kräuter zu welchen Anteilen in den Kräuterbündeln und fertigen Frankfurter Grünen Soßen auf den Wochenmärkten und Restaurants vorkommen müssen.

Königliche Audienz

Angela Jung arbeitet zusammen mit ihrem Mann in der Gemüsegärtnerei im Frankfurter Stadtteil Oberrad, der an die Nachbarstadt Offenbach angrenzt. Sie ist nicht nur Gärtnerin, sondern auch amtierende Frankfurter Grüne-Soße-Königin. In dieser Funktion repräsentiert sie in den Medien und auf Volksfesten die regionalen Kräuter-Erzeuger. Um Ostern herum, also zum offiziellen Beginn der Saison, baut die Familie auf ihren Feldern und in den Gewächshäusern die Kräuter für Grüne Soße an. Den Rest des Jahres sind es vor allem andere Gemüsesorten, die dort wachsen und auf dem Frankfurter Wochenmarkt verkauft werden.

Frankfurt oder nicht

Ist schon aufgefallen, dass manchmal von Grüner Soße und manchmal von Frankfurter Grüner Soße die Rede ist? Das ist seitdem g. g. A.-Siegel 2016 ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Die Kräuter sind nicht nur klar festgelegt, sondern auch ihr Volumen, das im Fall von Sauerampfer, Petersilie, Borretsch, Kerbel und Schnittlauch jeweils einen Anteil von zehn bis 30 Prozent haben muss und im Fall von Kresse und Pimpinelle bei drei bis 30 Prozent liegt.

Was wesentlich gravierendere Auswirkungen für die Erzeuger hat, ist die Tatsache, dass das g. g. A.-Siegel vorsieht, dass die Kräuter allesamt aus dem Großraum Frankfurt, bzw. aus Oberrad und den angrenzenden Gemeinden kommen müssen. Das bedeutet, dass die Bauern und Gärtner, zu denen auch die Gärtnerei Jung gehört, die Kräuterbündel für Grüne Soße lediglich im Teilerwerb produzieren und hierfür Kräuter dazu kaufen müssen. „De facto sind es zwei Anbieter, welche die sieben Kräuter hier im Vollerwerb anbauen und für die ist das Siegel der geschützten geografischen Angabe natürlich sehr gut, um sich abzusetzen“, meint die Gärtnerin. Davon abgesehen ist der Aufwand auch wesentlich größer, da beispielsweise für den Besuch der/des Kontrolleurin/Kontrolleurs ein- bis zweimal pro Jahr jeder einzelne Arbeitsschritt ordentlich dokumentiert werden muss.

Komplizierter ist es vielleicht für die Frankfurter Gastronomie: Internationale Besucher:innen kommen in die Stadt und möchten dort selbstverständlich Frankfurter Grüne Soße probieren. Die Gastwirt:innen sollten nur aufpassen, wenn sie in ihre Speisekarten Frankfurter Grüne Soße schreiben und dann bei Kontrollen den Nachweis über die Herkunft der Kräuter erbringen müssen. „Theoretisch müssten die Lokale zwei Speisekarten dafür parat haben, in denen jeweils Grüne Soße oder Frankfurter Grüne Soße aufgeführt wird. Die Frage ist natürlich, ob der Unterschied für die Gäste relevant ist, beziehungsweise überhaupt von ihnen bemerkt wird. Am Geschmack ändert das jedenfalls nichts“, erklärt Angela Jung.

Die sieben Kräuter für Frankfurter Grüne Soße.
Sieben Kräuter machen die traditionelle Soße aus: Sauerampfer, Petersilie, Borretsch, Kerbel, Schnittlauch, Kresse und Pimpinelle.
Foto: Gärtnerei Jung

Ganz nach Gusto

Apropos Geschmack, während die Kräuter in Frankfurt obligat sind, folgt das Soßenrezept trotz geschützter geographischer Angabe dem individuellen Gusto. Die Frankfurter Grüne-Soße-Königin präsentiert ihr eigenes: „Wir verkaufen die Grüne Soße ja auch fertig abgefüllt auf dem Markt. Dafür wird ein Teil der Kräuter im Mixer mit saurer Sahne zerkleinert. Wer es leichter haben möchte, kann beispielsweise auf Joghurt ausweichen. Die Soße muss für mich eine schöne grüne Farbe haben. Der andere Teil der Kräuter wird fein gehackt und drunter gerührt, dazu kommen klein gehackte hartgekochte Eier, Senf, Salz, Pfeffer und ein Schuss Essig. Was ich selber ganz schlimm finde, ist, wenn Mayo dazu kommt.“ Ein alternatives Grüne-Soße-Rezept einer mittelhessischen Bekannten beinhaltet noch klein gehackte Essiggurken und einen finalen Schuss Maggi. Beides stößt ebenfalls auf vehemente Ablehnung ihrer Majestät.

Auch die Herkunft der Frankfurter Spezialität liegt im Dunkeln. Fest steht nur, dass die Geschichte, die Frankfurter Grüne Soße sei eine Erfindung von Johann Wolfgang von Goethes Mutter, Frau Aja, ein Märchen ist, dass man gerne Tourist:innen erzählt. Immerhin ist wohl gesichert überliefert, dass sie die Leibspeise des großen Dichters war.

Bei der Gelegenheit verweist sie auf das jährliche Grüne-Soße-Festival auf dem Frankfurter Rossmarkt von Ende Juni bis Mitte Juli, bei dem die lokalen Restaurants und Caterer ihre Versionen der Frankfurter Grünen Soße präsentieren. Interessierte können sich hier Slots erkaufen, bei denen sie verkosten und abstimmen können. Der diesjährige Gewinner waren die Römerberg-Profis. „Die Grüne Soße ist auf jeden Fall momentan ein großer Hype, man bekommt die Kräuter auch in Form von Pasta, Salz und auch Schnaps. Besonders empfehlenswert aber ist das Grüne-Soße-Eis in der Oberrader Eisdiele La dolce Vita, unweit des Grüne-Soße-Denkmals“, meint die Königin.

Nachwuchssorgen

Trotz des Hypes kämpfen Gärtnereien wie die von Familie Jung mit Nachwuchsproblemen. Die Felder von Frankfurt Oberrad haben eine wichtige Funktion als Grüngürtel und Frischluftschneise von Frankfurt. Statt mit Erntemaschine fährt ein alter Traktor über die Felder. Vieles ist noch Handarbeit, wie etwa Unkraut jäten oder Kräuter säen.

Angela Jung erklärt: „Während Sauerampfer und Schnittlauch nur einmal und Pimpinelle zweimal pro Jahr ausgesät werden müssen, sind das schon bei Kabel, Borretsch und Petersilie alle vier Wochen und Kresse wird zweimal pro Woche ausgesät. Die letzte Saat ist Ende August, die dann im Frühjahr zu Ostern aufkeimt. Zu Coronazeiten boomte das Wochenmarktgeschäft, sodass wir auch Verkäufer aus anderen Branchen angestellt hatten. Da bekam ich dann schon mal nachts um 4 Uhr eine SMS mit der Krankmeldung; wann soll ich dann bitteschön Ersatz organisieren? In meiner Erinnerung musste ich die Arbeit wegen Krankheit niemals ausfallen lassen, außer bei einem Kreuzbandriss.“ Es scheint, dass man für diese besondere körperliche Arbeit, die fast gänzlich an der frischen Luft stattfindet, die familiäre Bindung benötigt, die ein solches Commitment aufkommen lässt.

Grüne Soße mit Kartoffeln und Eiern gibt es als Mahlzeit bei der Metzgerei Hoos.
Grüne Soße mit Kartoffeln und Eiern gibt es als Mahlzeit bei der Metzgerei Hoos.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Heiß auf Eis

Für den morgigen Tag ist Regen angekündigt, optimal, da auf den Feldern hinterm Haus Kräuter ausgesät wurden, dafür ist es heute umso schwüler. Das Grüne-Soße-Eis ist herrlich erfrischend auf dem Weg zum eigens für die Frankfurter Spezialität errichteten Denkmal, das laut der Königin alle Oberrader schrecklich finden. Sieben Gewächshäuser in unterschiedlichen Grüntönen repräsentieren die sieben Kräuter, welche zur Sicherheit auch noch auf dem Gewächshausboden geschrieben wurden.

Zum verspäteten Mittagessen geht es in die Kleinmarkthalle zwischen Konstabler- und Hauptwache. Bei der Metzgerei Hoos steht, Grüne Soße auf der Speisekarte. Zusammen mit Kartöffelchen und hartgekochten Eiern hat man ein leichtes, aber vor allem köstliches Mittagessen, perfekt für heiße Tage. Umso größer war die Überraschung, dass außer der sauren Sahne und den klein gehackten Eiern auch ein bisschen Mayonnaise in der Grünen Soße enthalten war. So schlecht schmeckte das gar nicht, liebe Königin!

Artikel-Teaserbild (oben): Fanfo – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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