Obst lässt sich vielseitig verarbeiten, nicht nur zu Kompott und Marmelade, sondern es ist auch eine hervorragende Grundlage für Schnaps. Lebensmittelmagazin.de war am Niederrhein in einer Obstbrennerei.
Mitten auf dem Acker am Rande des Dorfes St. Hubert steht die Wackertapp-Mühle. Seit 2016 lebt und brennt Peter Day hier in seiner Schnapsmanufaktur mühle4 – allerdings ohne Lizenz. Peter Days Tagewerk hat aber nichts anrüchig-abenteuerliches.
Hinter Schloss und Riegel
Die ausgebaute Mühle ist eine Verschlussbrennerei. Das bedeutet, dass die Glaskästen rund um die Destille nicht nur stylish und schick sind, sondern zusammen mit dem Vorhängeschloss und den Plomben gewährleisten, dass der Brenner den Alkohol erst in Anwesenheit der zuständigen Zollbeamtin oder des Zollbeamten entnehmen und so jede beliebige Menge brennen kann, auch ohne Lizenz. Dabei umfasst Days Destillieranlage 130 Liter. Im Vergleich dazu benötigt eine Abfindungsbrennerei Brennrechte, die im jeweiligen Zollbezirk weiterverkauft, übertragen oder vererbt werden können. Damit darf man jährlich 300 Liter hochprozentigen Alkohol brennen. „Den Zollbeamten sehe ich hier jede Woche“, meint Peter Day. Ästhetisch besticht die Destille nicht nur durch den Sicherungsglaskubus, sondern auch durch das blankglänzende Gewirr aus Kupferrohren. Zu den Kupferrohren erklärt Day: „Für den Geschmack werden oft die Steine der Früchte, etwa Aprikosen, Marillen oder Pflaumen mitgebrannt. Dabei löst sich die Blausäure aus den Steinen als Cyanidgas. Dieses verbindet sich mit den Kupferionen, die es schwerer werden lässt. Dadurch kann man die Cyanidverbindung ableiten“, erklärt der Schnapsexperte. Die Obststeine geben dem Destillat durch ihre Bitternoten mehr Körper.
Aus der Region
Die Früchte selber, die in der mühle4 gebrannt werden, stammen aus der Niederrhein-Region, mit Ausnahme der sizilianischen Grapefruit und anderen Zitrusfrüchten, sowie den Marillen aus der Wachau. „Dabei muss man interessanterweise feststellen, dass diese Region hier am Niederrhein keine Brenntradition für Obstschnaps hat. Wenn überhaupt, dann wurde hier das hiesige Getreide zu Korn gebrannt“, gibt Peter Day zu bedenken.
Seine Aussage lässt sich ergänzen: Zwar gehören Obstler, Kirschwasser und ähnliche Obstschnäpse in andere deutsche Regionen, aber auch hier schwelgt die Erinnerung für hochprozentige fruchtige Alternativen, wie dem „Aufgesetzten“. Ähnlich wie Rumtopf werden Früchte wie Beeren mit Kandiszucker und Korn in hohen Schraubgläsern zum Durchziehen gelagert. Zucker findet man im Schnaps der mühle4 eher weniger: „Dabei ist es gerade sehr trendig, gesüßte Schnäpse zu trinken. Das österreichische Unternehmen Prinz ist da beispielsweise ganz weit vorne und verkauft das Produkt dann als ‚alte Zwetschge‘“. Die Obstbrände und -geister aus der niederrheinischen Brennerei sind keineswegs süß, hier steht klar das fruchtige Aroma des Schnaps im Vordergrund, bei aller Schärfe vom Alkohol mit 40 Volumenprozent.
Brennbar
Draußen um die Mühle gären gerade zerkleinerte Äpfel und Birnen mit der Hilfe von Hefepilzen als Maische in Tanks. Sobald der Alkoholgehalt bei rund drei bis fünf Volumenprozent liegt, abhängig vom Zuckergehalt der Obstsorte, wird gebrannt. Für einen Obstbrand wird diese Maische vollständig bei 110 Grad Celsius erhitzt. Alkohol und Wasser verdampfen und der Wasserdampf treibt den Alkohol unter Druck nach oben, bzw. in abführende Röhren. Hier trifft das Gemisch auf einen Kondensator, das ist eine kühlere Stelle, die etwa 79 Grad hat. Da der Siedepunkt von Alkohol bei 78,3 Grad liegt, kondensiert hier lediglich das Wasser und trennt sich, während der Alkoholdampf erst an einem wesentlich kühleren Kondensator niederschlägt. Day erklärt: „Dabei entstehen beim Brennvorgang zunächst als Vorlauf Methanol und andere schädliche Alkoholverbindungen. Als Brennmeister ist es die Aufgabe, Methanol sensorisch, also vom Geruch her, wahrzunehmen und abzuführen. Im Falle einer Methanol-Vergiftung bekommt der Patient übrigens Ethanol verabreicht, weil die Leber diesen bei der Verarbeitung priorisiert. Methanol entsteht vor allem bei hohem Pektingehalt, wenn also in der Maische viele Kerngehäuse, Äste und Blätter enthalten sind. Dementsprechend ist es wichtig, sauber zu arbeiten, das heißt, dafür zu sorgen, dass keine Stiele etc. in die Maische gelangen. Auch schimmliges Obst und braune Stellen haben nichts darin verloren, die sorgen für unangenehme Geschmacksnoten“. Auch den Nachlauf muss er absondern, dieser ist zwar nicht giftig, aber die schweren Alkohole geben dem Brand verkochte Noten. Die Alkoholmenge, die beim Brennen entsteht, ist amtlich von sogenannten Ausbeutesätzen erfasst. So ist beispielsweise bei Zwetschgen vier Prozent festgelegt.
Schnapsideen
Anders funktioniert es beim Geist, hier werden zunächst die Früchte in beliebiger Menge von hochprozentigem Alkohol mazeriert, also eingelegt, und dieser wird dann destilliert. An der Alkoholmenge ändert sich dabei nichts. Neben Früchten wie Apfel, Birne, Mirabelle, Zwetschge oder Quitte brennt Peter Day auch Korn aus Getreide. Mit dem preiswerten Gesöff, das als Fako (Korn mit Orangenlimonade) in dem unappetitlichen Kneipenhorrorfilm „Der goldene Handschuh“ von Fatih Akin zweifelhafte Popularität genießt, hat sein Korn allerdings wenig gemein. Dieser ist ganz edel fassgelagert.
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