Waren die Augen größer als der Magen? Übriggebliebenes Gemüse lässt sich auf einfache und leckere Art haltbar machen. Lebensmittelmagazin.de hat dafür einen Workshop zur Fermentation im Rahmen der Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ besucht.
Vis-à-vis des beschaulichen Körnerparks in Berlin-Neukölln luden Eva Hage von der Verbraucherzentrale Berlin und Rosa Natterer vom dortigen Nachbarschaftshaus in eben dieses zum kostenlosen Workshop über Fermentation ein. Der Workshop war Teil der Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“, die jährlich vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) initiiert wird und dieses Jahr vom 29. September bis 6. Oktober 2023 stattfand.
Bevor es umkommt
Knapp die Hälfte aller Lebensmittelabfälle, immerhin 78 Kilogramm pro Kopf/Jahr in deutschen Privathaushalten wären vermeidbar, 35 Prozent davon sind Obst und Gemüse. Um übriggebliebenes Gemüse vor dem Vergammeln und dem Weg in die Tonne zu bewahren, etwa vor dem Urlaub, empfehlen die Expertinnen Hage und Natterer, es durch Milchsäurefermentation haltbar zu machen. Im Nachbarschaftshaus gibt es für derartige Fälle allerdings noch eine andere interessante Alternative – einen Tauschkühlschrank. An der Tür hängen Zettel mit genauen Instruktionen über Zustand und Art der erlaubten Tauschlebensmittel.
Die 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops, teilweise schon mit Einmachgläsern und Gemüse ausgestattet, hatten allerdings schon mehr oder weniger einen Fermentationshintergrund und zeigten sich vor allem begeistert von Kimchi, dem Milchsäure-Nonplusultra aus Korea. Die meisten wollten dementsprechend ihre Kenntnisse ausbauen und das optimale Kimchirezept mitnehmen. Dabei ist das Grundprinzip denkbar einfach: Man nehme Gemüse, frei von matschigen oder gar schimmligen Stellen. Dazu kommen Einmachgläser. Hier hatten die Lebensmittelretterinnen ein Anliegen zur nicht zu unterschätzenden Sicherheit: „Bitte benutzt Gläser mit Drahtbügeln und Gummiringen. Während dem Fermentation entsteht Kohlenstoffdioxid das durch den Gummiring einfach entweichen kann, während von außen nichts eindringt. Festverschraubte Gläser lassen keinen Druckabbau zu, sodass hier im Zweifelsfall die Gläser aufgrund des Überdrucks explodieren können.“ Darüber hinaus wird Salz und Geduld benötigt. Die Milchsäurebakterien gibt es frei Haus, sie sind quasi überall, in der Luft, an den Händen, am Gemüse. Diese wandeln im Gemüse enthaltene Einfachzucker wie Glukose zu Milchsäure um. In diesem sauren Milieu bei einem pH-Wert von ungefähr 3,5 bis 3,8 überleben die meisten anderen Bakterienstämme nicht mehr.
Nasses oder trockenes Vergnügen
Das Gemüse wird nach Gusto, aus praktischen Gründen aber möglichst klein, geschnitten. Für die weitere Präparation gibt es zwei Alternativen: Bei der „nassen“ Fermentation wird das Gemüse mit zwei- bis dreiprozentiger Salzlake aufgegossen. Bei der „trockenen“ Fermentation wird das Gemüse gewogen und mit zwei bis drei Prozent Salz für fünf bis zehn Minuten geknetet oder für zwei Stunden einfach stehen gelassen. Hier tritt dann der Saft als Lake aus. „Sollte der Gemüsesaft nicht ausreichen, gießt man einfach mit Salzlake auf“, riet Eva Hage. Zum Salz hatten die Frauen noch einen Tipp: „Bitte nehmt reines Salz ohne Jod oder Rieselhilfe. Solche Stoffe können sich geschmacklich negativ auswirken in Verbindung mit dem Gemüse.“
Die gefüllten Gläser sollten dann für fünf bis sieben Tage bei Raumtemperatur stehen und danach für drei Wochen im Keller oder dem obersten Fach im Kühlschrank gelagert werden. Kühlere Temperaturen verlangsamen den Fermentationsprozess. Das Gemüse sollte vorher ordentlich ins Glas gequetscht werden, um möglichst den Sauerstoff zwischen dem Gemüse zu verdrängen. Die Fermentationsfachfrauen erklärten dazu: „Schimmel braucht Sauerstoff. Aber auch die Fermentation verbraucht den Sauerstoff im Glas. Trotzdem sollte man sich die Gläser aufmerksam anschauen. Es gibt nämlich Unterschiede. Ein milchiger, alles bedeckender Schleier mit hefigem Geruch, sind sogenannte Kahmhefen. Diese kann man abschöpfen und wenn der Geschmack des Gemüses in Ordnung ist, bedenkenlos essen. Richtiger Schimmel blüht geradezu punktuell, mit schwarzen oder grauen Haaren. In dem Fall muss man das Gemüse aus dem Glas komplett entsorgen.“ Nach der Wartezeit sollte das Glas, nachdem es geöffnet wurde, im Kühlschrank aufbewahrt und das Innere möglichst schnellst verzehrt werden. Den Saft empfahlen die Damen übrigens nicht wegzukippen, sondern wie Essig in der Küche zu verwenden.
Fermentieren in Praxis
Bevor es ans Schnippeln ging, wurde noch der gesundheitliche Aspekt besprochen, bzw. die Bedeutung der Milchsäurebakterien für den Darm. Die Kursleiterinnen erklärten, dass man es am Anfang vorsichtig mit dem Verzehr angehen lassen und nicht übertreiben sollte wegen der durchschlagenden Wirkung. Gleichzeitig wies Eva Hage aber auch darauf hin, dass Sauerkraut im Handel, wenn es nicht explizit auf der Verpackung steht, durch die Pasteurisierung, also Erhitzung, kaum noch aktive Milchsäurebakterien enthält. Was auch die Frage aufwarf, wie man mit Sauerkraut umgehen sollte, das im klassischen Essen schon erhitzt wurde. Die Damen empfahlen ein vorsichtiges Aufwärmen, denn: „Bei 80 Grad ist der Großteil der Milchsäurebakterien tot.“
Bei der anschließend praktischen Anwendung wurde vor allem deutlich, dass Milchsäurefermentation variantenreich umgesetzt werden kann. Die Kursleiterinnen hatten einen Tisch voller Gemüse bereitgestellt: alle möglichen Kohlarten von Kohlrabi über Blumenkohl, dazu Möhren, Zwiebeln und Äpfel, wobei letztere zum Abschmecken vom Kimchi waren. Auch Gewürze hatten sie bereitgestellt, zum Beispiel Thymian, Nelken, Ingwer, Chili und Senfsaat. Dazu hatten die Leiterinnen auch noch eine gute Empfehlung: „Befüllt die Gläser zuerst mit den Gewürzen, bevor das Gemüse reinkommt. Sie schwimmen schnell an der Oberfläche und verderben möglicherweise.“ Eine Teilnehmerin machte die spezielle Kimchi-Marinade für den gesamten Kurs. Der Rest erging sich im lustvollem Hacken, Manschen, aber auch farbenfrohem Befüllen der Bügelgläser. Als zusätzliches mentales Training waren die Kenntnisse des Dreisatzes bezüglich der Salzmenge großes Thema innerhalb der Gruppe. Schön, wenn man alt Erlerntes abrufen und anwenden kann. Lebensmittel retten kann so eine Freude bereiten!
Rohkost bevorzugt
Zum Schluss kam noch die Frage auf, welche Gemüsesorten zum Fermentieren geeignet sind. Eva Hage gab zu bedenken: „Ich würde Gemüsesorten nehmen, die man auch als Rohkost verzehren kann, also beispielsweise keine Kartoffeln und Auberginen. Andererseits würde ich auch keine Gurken und Tomaten nehmen, die sind dafür zu weich. Diese kann man trotzdem verarbeiten, sollte sie aber dann im Ganzen belassen.“
Für die Leserinnen und Leser, die jetzt Lust haben Lebensmittel zu retten und eigenes Kimchi zu machen, hier das Rezept:
Pro Person:
1/2 Kohl (z. B. Chinakohl)
Saisonales Gemüse nach Wunsch
Für die Kimchipaste: 1,5 cm Ingwer, 1 Zehe Knoblauch, 1 TL Chili, 1/2 Apfel, 2 TL Reismehl in 50 ml Wasser aufkochen
Zuerst die Zutaten für die Paste pürieren und ruhen lassen. Den Kohl mundgerecht schneiden und auf Wunsch weiteres Gemüse raspeln. Das Gemüse in eine Schüssel geben und mit Salz bestreuen. Es kommen zwei Prozent Salz auf das Gemüse (d. h. das Gewicht des Gemüses wird mit 0,02 multipliziert). Nun das Gemüse mit Salz kneten, bis das Zellwasser austritt. Diese Flüssigkeit hilft, das Gemüse später im Glas vollständig zu bedecken. Nun die vorbereitete Paste dazugeben und nochmals durchkneten. Das Kimchi wird jetzt in ein steriles Glas geschichtet und immer wieder festgedrückt, um Luftblasen zu entfernen. Dabei ca. drei Zentimeter Platz zum Rand lassen, damit beim Fermentieren keine Flüssigkeit überläuft. Am Ende mit einem Hilfsmittel bedecken und festdrücken. Das Glas leicht verschließen. Bei Zimmertemperatur ca. drei bis vier Tage stehen lassen. Danach verzehren oder im Kühlschrank lagern.
Verwendung: Kimchi schmeckt als gesunder Snack, als Brotbelag und auf einem Burger. Auch zum Wokgericht passt es super.
Artikel-Teaserbild (oben): jchizhe – stock.adobe.com