Am 11. November feiern vor allem die Kinder in den katholischen Gegenden St. Martin. Nach Laternenumzug, Martinsspiel und -feuer erhalten sie oft eine Papiertüte, in der, neben Mandarinen, Walnüssen und Schokotalern, obligatorisch ein Weckmann steckt. Lebensmittelmagazin war am Niederrhein beim Handwerksbäcker.
Schon jetzt liegen sie in den Auslagen von Bäckereien und Konditoreien: mit oder ohne Rosinen und Mandelblättchen, glasiert oder natur, aber meistens mit distinktiver Tonpfeife, die der Weckmann auf seinem Bauch mit einem Ärmchen festhält.
Kann man nicht in der Pfeife rauchen
Dabei ist das gute Stück reine Dekoration. Sämtliche kindliche Versuche, beispielsweise Pfefferminztee aus einem aufgeschnittenen Teebeutel drin zu rauchen, schlugen fehl und sind zur Nachahmung nicht empfohlen. Die Pfeife führt der Weckmann dank der deutschen Tonpfeifenkultur des 17. und 18. Jahrhunderts, die irgendwann von den Meerschaumpfeifen abgelöst wurde. Allerdings werden heute noch traditionell in Bremen zur Schaffermahlzeit, ein Hanseevent, Tonpfeifen geraucht. Diese werden im Westerwald in der letzten deutschen Manufaktur hergestellt.
Sowohl Weckmann, wie auch der alternative Name Stutenkerl, bezeichnet die Art und Form des Gebäcks, nämlich ein Männlein aus einfachem Weizenmehlteig. Als „Gebildebrot“ wurde solches im frühen Mittelalter den Bauern und Kranken als Kommunionsersatz gegeben, die nicht die Eucharistie empfangen konnten. In der osteuropäischen orthodoxen Liturgie ist dieser Brauch bis heute erhalten.
Ritt durch Schnee und Wind
Den Kult um St. Martin gibt es bereits seit dem 4. Jahrhundert nach Christus. Zwei Legenden sind bis heute bekannt, zum einen die berühmte Mantelteilung, bei der Martin, ein junger römischer Soldat, aus dem heutigen Ungarn stammend, trotz des Spotts seiner Kameraden dem erbärmlich frierenden Bettler einen Teil seines Mantels überließ. Dieser offenbarte sich ihm in einem Traum daraufhin als Jesus Christus. Zum anderen kennt man auch heute die Geschichte seiner Bischofsweihe. 371 nach Christus starb der Bischof von Tours und die Bevölkerung, bei der Martin große Popularität genoss, forderte ihn zum neuen Bischof. Martin, der sich des hohen Amtes nicht würdig fühlte, versteckte sich im Gänsestall. Doch das Geschnatter verriet ihn und er wurde als Martin von Tours zum Bischof geweiht.
Frischgebackener Weckmann
In der Bäckerei Tockloth in Neuss Büttgen tragen die großen, anderthalb Pfund (750 g) schweren Weckmänner ihre Pfeife. „Die sollen den Bischofsstab darstellen“, meint Bäcker und Konditor Edmund Tockloth. Seit Mitte September werden saisonbedingt bis Weihnachten Spekulatius circa 10.000 Weckmänner gebacken.
Grundlage hierfür ist ein süßer Hefeteig, wie er auch für Stuten oder Mürbchen, so werden hier im Rheinland Milchbrötchen genannt, verwendet wird. „Mit Butter und Zucker, ohne Schnickschnack“, wie der Bäckermeister verrät.
Für einen Weckmann von einem halben Pfund teilt Tockloth 275 Gramm Teig: „Den Backverlust von 10 bis 15 Prozent muss ich einkalkulieren.“ Der Teig ist trocken, klebt nicht und ist elastisch. „Den habe ich vor einer halben Stunde angesetzt“, erklärt der Bäcker. Die Teigkugel rollt er spindelförmig über die Arbeitsplatte und formt dabei gleich per Handkante den Kopf in einer gleichförmigen, routinierten Bewegung. Der Körper wird flach gedrückt. Mit dem Messer teilt er die Beine und seitlich schräg die Arme ab, der rechte Arm liegt über der Pfeife. Zu 20 Mann auf dem Blech kommen sie in den Backofen, nachdem sie zuvor noch glasiert wurden. „In manchen Bäckereien werden die Weckmänner aus dem Teig ausgestochen, nachdem er zur Platte ausgerollt wurde, aber ehrlich gesagt ist das für mich Kindergarten“, meint Tockloth.
Rosinen kommen nur auf Bestellung in den Teig. Von Rosinen als Dekoration rät der Bäckermeister ganz ab: „Die verbrennen nur und werden bitter.“ Einige der Weckmänner erhalten einen Zuckerguss aus geschmolzenem Fondant, der noch mit gerösteten Mandelblättchen garniert wird.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Goldenes Handwerk
Bis Weihnachten liegen die Herrschaften in der Auslage seiner Bäckerei. Weckmänner sind für ihn noch ein echtes Handwerksprodukt, das industriell nicht nachgeahmt werden kann.
Seit Mitte der 80er Jahre backt Edmund Tockloth in Büttgen und führt die eigene Bäckerei seit 1993. Allnächtlich um 1 Uhr beginnt sein Tagewerk, damit morgens um 7 Uhr die Backwaren frisch ausliegen, da viele bereits auf dem Weg zur Arbeit bei ihm einkaufen.
Aber auch Edmund Tockloth sieht die aktuellen Herausforderungen, wie viele andere Handwerksbäckereien auch. Angesichts der allgemeinen Inflation wird öfter ausgerechnet beim Essen gespart und auf günstigere Alternativen zurückgegriffen.
Andererseits gibt es durchaus Nachwuchssorgen: Der letzte Lehrling hat vor zwei Jahren seine Lehre abgeschlossen, ein junger Mann aus Guinea.
Wer nicht genug vom Weckmann haben kann: Zum Nikolaus am 6. Dezember freuen sich nicht nur Kinder über einen Weckmann im Nikolausstiefel.
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