eine Wunderkerze zum Jahreswechsel anzünden

Auf ein Neues: die guten Vorsätze

Wie erfolgreich waren die Vorsätze für dieses Jahr? Gerade jetzt zum Jahreswechsel ist für viele der Zeitpunkt eines Neuanfangs gekommen, oft betreffen die Wünsche die eigene Gesundheit. Lebensmittelmagazin.de hat sich mit einer Ernährungswissenschaftlerin unterhalten.

Bastienne Neumann beschäftigt sich schon fast ihr gesamtes Leben mit Ernährung. Denn bereits in der Grundschule trainierte sie als Judoka auf Leistungssportniveau.

Essen im Lebenslauf

Für die damals Sechsjährige bestand damit einhergehend immer schon der Druck Gewicht zu halten, abzunehmen, zuzunehmen – je nachdem in welcher Gewichtsklasse der Trainer sie sah. Dafür ergriff sie Maßnahmen, wie beispielsweise das Schulbrot zu entsorgen. Mit 16 Jahren bekam sie einen Kreuzbandriss, ein Jahr Trainingsausfall, dann noch eine zweite Operation mit langfristiger Trainingspause, noch eine dritte, bis zur finalen Erkenntnis, dass sie mit dem Knie nie wieder Judo auf dem früheren Niveau trainieren könnte. „Ich erlebte in diesen Jahren das erste Mal, keine Kontrolle mehr über mein Essen halten zu müssen. Ich kannte Essen bis dahin auch nur als Instrument zur Gewichtsregulierung.” Ohne Sport und die dazu notwendige Essensregulierung nahm sie sukzessive 25 Kilogramm zu. Nach dem Abitur entschied sie sich ihr Hauptproblem zum Lebensmittelpunkt zu ändern und zog von Lübeck nach Stuttgart, wo man, ihrer Meinung nach, am besten Ernährungswissenschaften studieren konnte. Hier konnte sie ihre bisherigen Kenntnisse über Ernährung vervollständigen und vertiefen, etwa die biochemischen Prozesse im menschlichen Körper. Nur, wie sie die theoretischen Kenntnisse praktisch anwenden konnte, hat sich ihr bis dahin nicht erschlossen. Genau genommen bis zu dem Zeitpunkt, als sie die Ernährungspsychologie entdeckte, eine bis dahin eher kleine, unscheinbare Disziplin innerhalb des Instituts. „Zwar nur ein kleines Fach, aber für mich das fehlende Puzzleteil”, resümiert sie. So gehörte Essen für sie beispielsweise zur Belohnung nach Wettkämpfen, eine Erkenntnis die im Leben eine wichtige Rolle spielt. Bereits vor Studiumsende begann sie 2017 ihren Podcast „Ernährungspsychologie leicht gemacht”, der sie mit immerhin fünf Millionen Downloads an die Spitze der Ernährungspodcasts brachte.

Gesünder essen und mehr Sport

Laut Statista kommen direkt nach „mehr Geld sparen”, „mehr Sport machen” und „gesündere Ernährung“ auf die Vorsatzliste des Durchschnittsdeutschen für das Jahr 2024. Die Expertin sieht die Gründe hierfür einerseits unter ästhetischen Gesichtspunkten, damit die Kleidung wieder besser passt oder man sich als attraktiver empfindet. Andererseits mögen auch gesundheitliche Gründe vorliegen, die Angst vor ernährungsbedingten Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die zu ergreifenden Maßnahmen umfassen häufig Diäten. „Beliebt sind momentan beispielsweise Intervallfasten, Low Carb, aber auch Kalorienzählen oder einfach FDH, also weniger essen”, zählt Bastienne Neumann auf. Als Alternative dazu sieht sie die intuitive Ernährung, bei der man auf seinen Körper hört und das isst, was der Körper braucht und zwar so viel, bis man satt ist. Sie gibt aber zu bedenken: „Dazu gehört dann die Selbstanalyse, inwiefern es zum Beispiel der Körper oder vielleicht doch eher die Seele ist, die nach Essen verlangt. Im Zweifelsfall kann eine Psychologin oder ein Psychologe dabei helfen zu erkennen, ob Ernährung als Pflaster dient, und die Wunden darunter etwas ganz anderes sind, etwa auf traumatischen Erfahrungen beruhen.“ Vorsätze können natürlich auch weitaus kleiner ausfallen: etwa kein Fleisch oder kein rotes Fleisch zu essen oder Verzicht auf Zucker oder Alkohol.

Neues Jahr – neues Ich

In der neuen Podcast-Folge von „Ernährung Plus – der Foodcast“ erklärt Bastienne Neumann, was es mit den Neujahrsvorsätzen auf sich hat und warum diese häufig auch etwas mit einer Ernährungsumstellung zu tun haben. Die Expertin spricht darüber, wie man seinen inneren Schweinhund überwinden kann, dass Genuss nie zu kurz kommen darf und wie man mit Hilfe der SMART-Regel seine Vorsätzen nicht nur zur Umsetzung, sondern vor allem zum Erfolg bringen kann. Der Podcast steht bei Spotify (https://open.spotify.com/episode/5B4MqyjecTke7DtyPC9hMK), Apple Podcasts (https://podnews.de/32-neues-jahr-neues-ich/) oder bei allen weiteren gängigen Podcast- und Streaming-Plattformen online.

Smarte Option

Grundsätzlich empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin, Vorsätze nicht als Zwang aufzufassen. Ausnahme hierbei kann allerdings etwa eine medizinische Diagnose vom Arzt sein, und man nutzt in diesem Zusammenhang den Jahresbeginn als ermutigenden Anlauf der Therapie. Außerdem seien die Vorsätze bisweilen überladen, zehn Kilogramm in wenigen Monaten abzunehmen, ergebe nicht viel Sinn, meint die Podcasterin. Sie empfiehlt ein, zwei Vorsätze zu formulieren, die man auch durchhalten möchte und kann. Um am Ball zu bleiben und zur Motivation sollte man sich Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis suchen. „Noch besser ist es, wenn man einen Freund oder eine Freundin mit ähnlichen Zielen findet, quasi als Schicksalspartner, mit dem man die Vorsätze gemeinsam durchzieht”, empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin. Auch spezifische Gruppen in den sozialen Medien können möglicherweise helfen, einen Schicksalsbuddy zu finden.

Schön und gut, aber wie formuliert man im Idealfall einen Vorsatz? Die Podcasterin empfiehlt dazu die SMART-Formel, die nicht nur smart ist, sondern auch ein Akronym für: Spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminierbar. Dabei bedeutet spezifisch, dass man nicht nur sagt „ich bewege mich irgendwie”, sondern konkret wird, etwa mit Schwimmen, Joggen oder Fitnessstudio. Messbar heißt in dem Zusammenhang, wie oft plane ich etwas durchzuführen, am Wochenende oder dreimal die Woche? Attraktiv bedeutet schlichtweg: „habe ich Bock darauf?” Die Nudel-Liebhaberin sollte beispielsweise nicht unbedingt Low Carb machen, sondern vielleicht lieber versuchen auf Vollkornnudeln umzusteigen, die besser sättigen. In dem Zusammenhang gibt Bastienne Neumann zu bedenken, dass gerade bei Pastagerichten weniger die Nudeln das große Problem sind, sondern die Soßen, wie etwa eine deftige Käse-Sahne-Soße. Ähnliches gilt im Übrigen auch für Dressings bei Salaten. In diesem Kontext erwähnt sie außerdem noch das Konzept Volumetrics, bei dem Lebensmittel mit höherer Kaloriendichte wie Nudeln andere Lebensmittel mit niedriger Dichte wie Gemüse beigefügt werden, um den Grundgehalt zu senken. Realisierbar bedeutet, keine zu hohen Ziele anzulegen, etwa zehn Kilogramm im Januar abzunehmen oder im März schon am Marathon teilnehmen zu können. Stattdessen wäre möglicherweise ein zehn Kilometer-Volkslauf im Mai weitaus zielführender. Terminierbar bedeutet, sich einen konkreten Zeitpunkt auszusuchen, bis wann man seine Ziele erreicht haben möchte. Hilfreich sei es zudem, sich Zwischenziele zu setzen um die Strategie zu rekapitulieren.

Offen für Neues

Aber wie soll man sich für die geeignete Sportart entscheiden, manche moderne Sportarten wie Bouldern sind erst im Laufe der letzten Jahre aufgekommen. Die Expertin rät: „Sofern man nicht auf einen eigenen Erfahrungsschatz bauen kann, könnte es hilfreich sein etwas experimentierfreudiger zu sein. Ein Vorsatz beispielsweise könnte sein, einmal im Monat an einer Probestunde zu einer neuen Sportart teilzunehmen. Außerdem sollte man die Möglichkeit wahrnehmen sich im jeweiligen Umfeld bei Trainerinnen oder Trainern Beratung und Coaching zu suchen. Letzten Endes kann auch die Hausärztin oder der Hausarzt Empfehlungen aussprechen. Die persönliche Erfahrung über den eigenen Körper kann dabei allerdings nur schwer ersetzt werden.”

Bewusster Genuss

Schneller als einem lieb ist hat man den eigenen Vorsatz dann auch gebrochen, was nun? „Haken dahinter und weitermachen”, lautet die Antwort. Im Idealfall lernt man aus solchen „Sündenfällen” und überlegt sich zukünftige Strategien. „Ich bin ein großer Freund davon sich nichts zu verbieten, aber beim Spiel mit dem Feuer die Oberhand zu behalten. Klassisches Beispiel ist Schokolade. Diese kann man ganz bewusst genießen. Wenn man darauf achtet, wie ein Stückchen im Mund schmilzt, was für Gewürze in der Schokolade enthalten sind, wie sich die geschmolzene Schokolade im Mund anfühlt, dann braucht man möglicherweise gar nicht so viel davon.“ Bewusster Genuss ist eine generelle Empfehlung von ihr: „Essen kann man zelebrieren, indem man beispielsweise dabei eine Kerze anzündet. Ausführliches kauen statt hastiges Schlucken ist ebenfalls sehr wichtig. Außerdem lässt sich selbst gekochtes Essen durchaus mehr genießen als Fertiggerichte, wenn man das Bewusstsein entwickelt, wie viel Arbeit und Zuwendung darin steckt.” Dafür hat sie eine schöne Übung: Während man kaut soll man das Besteck beiseitelegen und darauf achten was geschieht. Außerdem sei entscheidend, Hunger nicht mit Durst zu verwechseln. „Viele Menschen trinken grundsätzlich zu wenig, Rennen dafür aber ständig zum Kühlschrank, auch wenn sie eigentlich nur ein Glas Wasser brauchen.”

Dranbleiben

Sündigen ist das eine, Vorsätze vergessen, weil man im üblichen Trott hängt, das andere. „Wer schreibt, der bleibt”, lächelt Bastienne Neumann und empfiehlt, sich eine Notiz zum Vorsatz gut sichtbar dorthin zu hängen, wo man sie tagtäglich sehen kann, etwa auf der Innenseite des Kleiderschranks, wo es auch nicht allgemein sichtbar ist. . Ebenso gut findet man sich möglicherweise nach Wochen und Monaten plötzlich im Leerlauf wieder, die Entwicklung stagniert. „Dran bleiben!”, lautet der Rat. Sich die Ziele wieder vergegenwärtigen, vor allem positiv mit sich selber sprechen und zur Not pausieren bis nächste Woche oder auch nächsten Monat. „Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne”, zitiert sie Hermann Hesse. Gar nichts zu machen, das ist unproduktiv.

Artikel-Teaserbild (oben): maniacvector – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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