Die Spitzengastronomie ist nach wie vor eine Männerdomäne. Eine, die heraussticht, ist TV-Köchin Martina Kömpel. Lebensmittelmagazin.de unterhält sich mit der Gastronomin über ihren nicht geraden Weg an die Spitze.
Wenn Martina Kömpel nicht selbst mit dem Kochlöffel am Herd hantiert, dann kennt man sie vor allem aus dem Fernsehen, wo sie unter anderem beim ARD-Buffet live kocht.
Hinter der Kamera
„Ich mache immer mein eigenes Ding, wie jetzt ein schönes Restaurant zu haben. Das war damals als Jugendliche nicht mein Wunsch, aber heute kann ich mir nichts Anderes vorstellen”, sagt die Köchin. Dass auch der Umweg zum Ziel führt, demonstriert ihre Vita eindrucksvoll: Um ihr Studium der Theaterwissenschaften, Ethnologie und Sozialpsychologie zu finanzieren, arbeitete Martina Kömpel in einer TV-Produktion von ProSieben und das recht erfolgreich. Mit dem Ziel, Filmproduzentin zu werden, konnte sie hier richtig Karriere machen. „Und dann habe ich meinen französischen Mann kennengelernt, bin ihm nach Paris gefolgt und habe erstmal Kinder bekommen”, fasst sie zusammen. Beim Versuch, mit besten Referenzen diesmal in die französische Filmproduktion einzusteigen, musste Martina Kömpel erkennen, was es bedeutet, keine beruflichen Beziehungen zu haben.
Fake it, till you make it
Es war der Satz einer Freundin über ihre Kürbissuppe auf einer Party, der den Beginn dieser besonderen Karriere auslöste: „Die ist so köstlich, warum wirst du nicht Köchin?” Zusammen mit ihrem Mann fand Kömpel eine Stellenausschreibung im 3-Sterne-Restaurant Lucas Carton am Place de la Madeleine im 17. Arrondissement. Praktischerweise musste sie dafür nur die Straße runterlaufen. „Der Chef war von einem Mann ausgegangen, da mein Mann den Termin vereinbart hatte und als er mich sah, war er alles andere als angetan. Außerdem war die Stelle für einen sogenannten Comis ausgeschrieben, einem ausgebildeten Jungkoch, und ich hatte eigentlich noch gar keine Erfahrungen vorzuweisen. Ich hatte mir aber damals in diesem Moment in den Kopf gesetzt, dass ich den Laden nicht verlasse ohne die Stelle zu bekommen. Der Personalmangel musste schon damals enorm gewesen sein. Freitags war das Gespräch, am Dienstag darauf habe ich angefangen – gegen Bezahlung, damals für einen Amateur eher ungewöhnlich.” Unter der Führung von 3-Sterne-Koch Alain Senderens arbeitete die junge Frau mit internationalen Kollegen und lernte dort die fortgeschrittene Arbeit mit Steinbutt und edlen Zutaten wie Hummer und Kaviar kennen. „Ganz en vogue waren damals Hahnenkämme, vermutlich wegen der Konsistenz“, erinnert sie sich.
Wie sich der Beruf als Köchin mit Familienleben unter einen Hut bringen lässt? „Frankreich ist seit jeher vorne mit dabei, was die Kinderbetreuung in Kitas und Krippen angeht. Außerdem ergänzte sich das zeitlich mit dem vormittäglichen Lehrerberuf meines Mannes und im Zweifelsfall waren die Großeltern noch da”, erklärt sich die Köchin. Sie empfiehlt Frauen, die Chance auf einen Chefposten in der Küche zu ergreifen, sollte es sich anbieten, etwa in modern ausgestatteten Küchen von großen Hotels oder auch Altersheimen, wo die klassischen körperlichen Arbeiten vom Schleppen durch Technik erleichtert wird. „Frauen wählen oft Positionen wie die als Patissière. Da sind die Arbeitszeiten besser geregelt als bei den anderen Positionen. Aber mir wäre Patissière zu technisch. Viele Schritte werden vorbereitet und dann vor dem Servieren zusammengesetzt.”
Großer Knall
2005 geschah dann die „große Katastrophe“: Ihr Chef Senderens gab seine Michelin-Sterne zurück, ein Skandal! Er war zu der Erkenntnis gekommen, dass der Aufwand in der Sterne-Küche zu groß sei, allein die Tatsache, dass für einen Gast drei Kellnerinnen oder Kellner zur Verfügung stehen müssen. Fortan ließ er dann mit neuem Konzept Zutaten, die im Einkauf überteuert waren, wie Hummer, einfach weg, und so kostete das Menü dann nur noch 100 statt 500 Euro. Senderens hatte damit großen Erfolg.
Martina Kömpel absolvierte ab 2005 die Ausbildung in der École Supérieure de Cuisine Française – Ferrandi, wo sie die klassische, französische Küche erlernte. 2007 schloss sie ihre Ausbildung innerhalb von zwei Jahren als erste Deutsche mit Diplom, inklusive Gesellen- und Meisterbrief ab. Eine Anstellung in der Küche des Pariser Hotels Ritz unter Michel Roth bot dann die Grundlage, um das Erlernte in der Praxis auszuüben. Nach zwei Jahren gründete sie ihre erste Firma, in der sie vor allem für die Diplomaten in der Stadt das Catering ausrichtete. Parallel dazu kochte sie im deutschen Fernsehen, beim ARD-Buffet oder in der Küchenschlacht als Jurorin.
Alles vor Ort
Seit 2016 führt sie irgendwo im wunderschönen Nirgendwo der zentralfranzösischen Corrèze ihr Restaurant „Les Contes de Bruyeres”, wo sie vor allem mit Produkten der Region arbeitet. „Bei uns auf der Karte findet man Taube gefüllt mit Kohl und Foie Gras, die hier in der Gegend ihre Tradition hat. Der Taubenzüchter wohnt zehn Kilometer weiter entfernt.” Ebenfalls typisches Beispiel ihrer Küche ist ein in Sahne geschmortes Huhn, das mit gebutterten Semmelbröseln serviert wird. Das Huhn kommt natürlich auch vom Bauern um die Ecke und die Steinpilze, die sie in ihrer Küche verwendet, wachsen quasi vor der Haustür. „Eine Sache haben wir jetzt allerdings geändert: Früher hatten wir Menüs mit drei bis fünf Gerichten, jetzt haben wir aufgrund der wirtschaftlichen Situation wieder auf à la carte umgestellt, damit jeder etwas für sich finden kann”, erklärt Martina Kömpel.
Gerade ist sie dabei, ein zweites Lokal „Auberge de Forgès“ mit offener Küche einzurichten, das die Besonderheit eines Brotbackofens aus dem 18. Jahrhundert mitten im Gästeraum hat. „Der ist zwar optimal zum Pizza backen, aber ich möchte dort alles drin machen, außer Pizza. Ich denke an Gerichte, die im Tonkrug mit Gewürzen und Kräutern lange über Nacht bei niedriger Temperatur schmoren, etwa Choux farcis, auf Deutsch würde man Kohlrouladen sagen, oder Boeuf Bourguignon.” Die Keramikerin, die für sie die dazu benötigten Krüge anfertigt, wohnt nur eine Stunde entfernt. Was würde die junge TV-Produktionsassistentin von damals zu diesem Leben heute sagen? „Alles ist gut, so wie es kommt.“
Artikel-Teaserbild (oben): Dionysus – stock.adobe.com