Internorga 2024, das Essen von Morgen serviert von KI

Ein Besuch der Internationalen Fachmesse für Gastronomie und Hotellerie in Hamburg, Internorga, gleicht einem Blick in die Kristallkugel. Lebensmittelmagazin.de fuhr an die Alster.

Mehr als 1.000 Aussteller aus dem weiten Spektrum des Gastro- und Lebensmittelbereichs präsentierten sich vom 8. bis zum 12. März auf den 65.000 Quadratmetern der Messe Hamburg. Die Internorga ist bekannt dafür, den Schwerpunkt vor allem auf progressive Wege und Alternativen zu legen, zum Beispiel für tierische Proteine. Auch der technische Fortschritt als Antwort auf den Post-Corona-Personalmangel war in diesem Jahr allgegenwärtig.

Auf der Internorga werden jedes Jahr die neuesten technischen Fortschritte präsentiert und von den Gästen getestet.
Foto: Hamburg Messe und Congress/Rene Zieger

Niedlich & praktisch

Waren sie vor wenigen Jahren noch das Spektakel auf der Internorga, so sieht man sie inzwischen in größeren Hotels die Hotelflure saugen oder in Restaurants die Teller abräumen – Roboter, mit und ohne niedlichem Gesicht. Sebastian Krach von Giobotics rechnete auf der Messe vor, dass Reinigungsroboter, die rund 1.000 Quadratmeter Fläche pro Stunde schaffen, trotz der hohen Investition von 19.000 Euro bei Kosten von unter fünf Euro pro Stunde bleiben, Ersatzteile eingerechnet. Schon beinahe selbstverständlich surrten sie auch dieses Jahr durch die Hallen.

Künstlich & intelligent

Ein Fokus der Messe waren Programmier-Start-ups, deren Produkte weitaus mehr können als Buchhaltung und Kassensysteme. Von Delicious Data kennen Brancheninterne eine Software für Systemgastronomien wie Mensen oder Kantinen, mit deren Hilfe die Versorgung kontrolliert und organisiert wird. Inzwischen spezialisiert sich das Unternehmen im Hinblick auf den Foodtrend „Snackification” zunehmend auf Foodautomaten. In diesem Bereich sorgt ihre Software dafür, dass die Betreiber der Automaten immer sehen können, was sie wann nachliefern müssen. So erhalten Kundinnen und Kunden stets frische Zwischenmahlzeiten, Sandwiches und Co. in bester Qualität. Dafür kam das Unternehmen unter die Top drei des Internorga-Zukunftspreises.

Technische Zaubereien

Im gesonderten AI-Center (AI – artificial intelligence) versammelten sich diverse Start-ups, die mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten eindrucksvoll für nahezu jedes Problem eine technische Lösung demonstrierten.

So nutzt Axino künstliche Intelligenz zur Bestimmung von Temperatur und Qualität von Lebensmitteln. Das garantiert nicht nur Lebensmittelsicherheit durch die kontrollierte Kühlkette ohne manuelle Stichproben, sondern optimiert gleichzeitig den Energieverbrauch, beispielsweise zur Kühlung. Schöner Nebeneffekt: die Lebensmittelverluste in der Gastronomie können so reduziert werden.

JOBMATCH.ME hingegen lässt Arbeitgebende und -nehmende vornehmlich aus dem Gastrobereich miteinander „tindern”, also ähnlich wie die Dating-App informell einander beschnuppern, und auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten abklopfen. Bewerbung und Lebenslauf sind somit nachrangig.

Besonders beeindruckte auf der Messe DOOH von APPRISIFY: Bei dieser digitalen Out-of-Home-Werbung werden Fensterscheiben mit Hilfe von KI in Bildschirme für Werbeclips verwandelt. Während man also im Café die Aussicht genießt, liest man draußen gleichzeitig die Speisekarte. Die Einsatzmöglichkeiten dafür wären unzählig.

Von außen Werbung und von innen Fenster, das bietet DOOH von APPRISIFY.
Von außen Werbung und von innen Fenster, das bietet DOOH von APPRISIFY.
Foto: Hamburg Messe und Congress/Rene Zieger

Einem technischen Zaubertrick gleich kommt die Kasse des Start-ups Visiolab. Man stellt einen Menüteller, wie man ihn in jeder Kantine bekommt, auf ein Tablett unter eine Kamera und diese erkennt mit 99,5-prozentiger Sicherheit das Gericht und rechnet ab.

Auch die großen Unternehmen sehen inzwischen den Mehrwert dieser digitalen Lösungen und so fand man auf dem großen Stand von Coca-Cola den Heidelberger Start-up Gastronaut, der gängige Tischreservierungsportale mit seinen technischen Möglichkeiten überholt. Egal ob expliziter Fensterplatz oder frische Blumen auf dem Tisch oder auf die Schnelle noch ein Geburtstagsgeschenk – die App erfüllt Gästen alle möglichen Extrawünsche und beschert so den Gastronominnen und Gastronomen zusätzlichen Umsatz.

Gewinner des Internorga-Zukunftspreises war allerdings das Unternehmen Rational, die mit ihrer ausgeklügelten digitalen Küchentechnik und ihren Kombigargeräten Hightech-Niveau in den professionellen Bereich bringen und dadurch Köchinnen und Köchen erhebliche Entlastung bieten.

Das Unternehmen Rational hat auf der Internorga mit seinen Küchengeräte ein großes Publikum begeistert.
Das Unternehmen Rational hat auf der Internorga mit seinen Küchengeräte ein großes Publikum begeistert.
Foto: Hamburg Messe und Congress/Rolf Otzipka

Das Food-Orakel von Hamburg

Kulinarische Zukunftsperspektiven gehören zur Internorga und stehen seit jeher im Fokus des Pink Cubes. Dieser ist seit elf Jahren feste Instanz der Gastromesse, bei der Foodtrendforscherin Karin Tischer den Fachbesucherinnen und -besuchern Ausblicke in die Kochtöpfe von Morgen beschert. Vieles, was sie in ihrem Vortrag ansprach, fand sich beim anschließenden Rundgang auf der Messe wieder. Unter dem Stichwort „Eatertainment“ stellte sie beispielsweise dar, wie beliebte internationale Standardgerichte, wie Pizza, Pasta, Salat und Burger, durch den Einfluss trendiger Regionalküchen wie dem Orient, Asien, den USA und Kanada bereichert werden. Jetzt gibt es beispielsweise den Burger mit koreanischem Bulgogi.

Dementsprechend boten Hersteller wie Bigfood eine schier unzählbare Menge vornehmlich veganer Soßen an, als Topping für Salate, Burger oder Grillgerichte. Mit ihrer fruchtigen Piri Piri-Schärfe entführten sie wahlweise in die Karibik, erinnerten an chinesische Pflaumensoße mit Zimt und verwöhnten mit Trüffelmayonnaise aus europäischer Haute-Cuisine. Persönlicher Favorit war Dirty Umami, der sich auf Salat bestimmt hervorragend macht.

Die Auswahl an Soßen und Dips von Bigfood war riesig und bot vielen bisher noch unbekannte Geschmacksrichtungen.
Die Auswahl an Soßen und Dips von Bigfood war riesig und bot vielen bisher noch unbekannte Geschmacksrichtungen.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Ein weiterer Trend im Fokus von Karin Tischer war Nachhaltigkeit als inzwischen schon allgegenwärtige Produktions-DNA der Lebensmittelherstellenden. In diesem Kontext präsentierte sie Cashewsaft, der aus der übriggebliebenen Frucht zur Nuss entsteht, die ansonsten nur entsorgt werden würde.

Als Schnittmenge zwischen Nachhaltigkeit und Gesundheit stand Plantarismus als Trend, also der Schwerpunkt auf eine pflanzliche Ernährung. Herausforderung hierbei ist es laut Expertin, den Umami-Geschmack in die Pflanzenkost zu bekommen. Die Lösung hierfür sieht sie im Einsatz von Algen, Pilzen, Hülsenfrüchten und Microgreens, beispielsweise mit der Hilfe von Fermentation. In diesem Zusammenhang nenntsie auch pflanzliche Proteinalternativen, die sich immer besser dem tierischen Vorbild annähern.

Neben schon bekannten Marken wie Planted und Beyond Meat, gab es diverse neue Start-ups zu testen. Das schwedische Unternehmen OMG hat für seine Oh Mungood!-Fleischalternative auf Mungobohnenbasis den Internorga-Zukunftspreis „Nahrung und Getränke” gewonnen. Das pflanzliche Pulled Pork vom Mitbewerber Juicy Marbles konnte nicht nur ebenfalls sehr überzeugen, sondern schafft es auch in die Auswahlliste des Zukunftspreises.

Das Start-up Oh Mungood! gewann mit seiner Mungbohnen-Fleischalternative den Internorga-Zukunftspreis.
Das Start-up Oh Mungood! gewann mit seiner Mungbohnen-Fleischalternative den Internorga-Zukunftspreis.
Foto: Hamburg Messe und Congress/Rene Zieger

Zum Thema Gesundheit nannte Tischer unter anderem den NoLo-Trend, was für keinen (No) oder wenig (Low), Alkohol bzw. Salz, Zucker, Fett bei Lebensmitteln steht. Dazu passten unter anderem die alkoholfreien Spirituosen von Freikopf, die in fancy Farben und Sinnsprüchen wie „Trink als ob es einen Morgen gibt” die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Umso futuristischer mutete dafür der Trend „personalisiertes Essen” an. Karin Tischer stellte die Sushi-Kette YO! vor, bei der vor dem Genuss ein DNA-Test des Gastes gemacht wird, um so ein Menü mit dem jeweils optimalen Nährstoffprofil zu kreieren. Dazu gab es auf der Internorga allerdings kein Beispiel. Klingt ja auch noch sehr nach Star Trek, aber wer weiß, was nächstes Jahr in Hamburg präsentiert wird.

Artikel-Teaserbild (oben): Messe Hamburg und Congress/Rolf Otzipka

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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