Foto vom Hamburger Fischmarkt

Für Frühaufsteher: der Hamburger Fischmarkt

Zu den Highlights der Hansestadt gehört sonntagmorgens der Hamburger Fischmarkt in Altona. Lebensmittelmagazin.de hat sich den Wecker gestellt.

Zwischen dem Junggesellenabschied, der seinen Reeperbahnbummel mit einem Frühstück abschließt und der kollektiv in signalfarbene Funktionsjacken gehüllten Gruppe von Seniorinnen und Senioren, tummelt sich allerhand Volk in Herrgottsfrühe auf dem Fischmarkt in Hamburg-Altona direkt am Elbufer.

Schreihälse

Bananen-Fred auf dem Hamburger Fischmarkt
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

„Na Rotkäppchen, möchtest du auch so eine schöne Tasche für dich?”, ruft Bananen-Fred einer Besucherin zu. Die Marktschreier sind die Highlights des Hamburger Fischmarkts. Bananen-Fred bringt seine prallen Einkaufstaschen mit Obst unter die Leute und nimmt bei der Gelegenheit den einen oder die andere zärtlich-frech Hops. Noch deftiger in der Wortwahl fällt zur großen Belustigung der Besucherinnen und Besucher der Schlagabtausch zwischen den Marktschreiern selber aus – egal ob Blumen, Süßigkeiten oder Räucherfisch. Besonders viel Zulauf hat der holländische Blumenkönig direkt vor der Fischhalle. Mit charmantem holländischem Akzent und übelsten Altherrensprüchen, etwa über die Unterwäsche seiner Kundinnen, bringt er seine Topfpflanzen unter die Leute.

Holländischer Blumenkönig auf dem Hamburger Fischmarkt
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Franzbrötchen für die Mächtigen

Mitten auf dem Fischmarkt steht Bäckerin Hansen mit Kostproben einer besonderen Hamburger Delikatesse auf ihrem Tablett. Was anderswo wie ein überfahrenes Croissant ausschaut, offenbart hier, warum die Hanseaten so verrückt nach Franzbrötchen sind, zartblättrig und mit lieblicher Zimtnote.

Bäckerin Hansen verkauft köstliche Zimtbrötchen
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Auf den Scherz, ob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei seinem Besuch vor wenigen Wochen die Gelegenheit nutzte, ihre Franzbrötchen zu probieren, antwortete die Bäckerin ungerührt: „Er hat sich sogar ein paar davon und Brot für den Elyseepalast einpacken lassen.” Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz trafen sich in dessen Heimatstadt Hamburg und beide bissen medienwirksam ins Fischbrötchen mit Bismarckhering. Die gute Frau konnte sogar noch einen draufsetzen: Ihre Schwägerin sei Personenschützerin beim kanadischen Premier Justin Trudeau und wann immer sie mit diesem in Deutschland ist, würde sie Schwarzbrot mit nach Ottawa nehmen. 

Hamburg, das Tor zur Welt

Besucherinnen und Besucher kommen aus der ganzen Welt hierher, berichten die Marktleute. Aus Brasilien oder Australien beispielsweise. Und wie der französische Präsident, sollten sich alle die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auf dem Fischmarkt Fischbrötchen als typisch norddeutschen Snack zu genießen. Zumindest, sofern man um diese Uhrzeit bereits in der Lage ist, Matjes-, Räucher-, Bismarck- oder Brathering zu essen.

Keine krosse Krabbe

Neben den Fischbrötchen liegt in der Auslage eine weitere Köstlichkeit, die dieses Jahr allerdings Grund zur Sorge bietet. Brötchen mit Nordseekrabben kosten mehr als das Doppelte wie Matjes und Co. Der Fischhändler von Urthel ruft über die Theke hinweg: „Es gibt keine Krabben mehr, deswegen sind die übrigens so furchtbar teuer. Hier auf dem Fischmarkt kosten sie 10 Euro, drüben auf den Landungsbrücken bezahlt man schon 15 Euro.” Also sollte man das Krabbenbrötchen mit besonderem Bewusstsein genießen, als hochpreisige Spezialität. Es schmeckt köstlich, mit etwasMayonnaise und im jakobsmuschelförmigen Brötchen.

Ein Krabbenbrötchen kostet dieses Jahr 10 Euro.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Aber was bedeutet es, dass es keine Nordseekrabben mehr geben soll? Sind Krabben etwa das nächste unwiederbringliche Opfer vom Klimawandel? Klaus Ubl, Pressesprecher vom deutschen Fischereiverband, gibt diesbezüglich schon mal halbwegs Entwarnung: „Der Nordseekrabbe geht es grundsätzlich noch gut. Die letzte Krabben-Hauptsaison von Anfang September bis Dezember war unterdurchschnittlich und auch der Fang danach ist eben nicht der Rede wert. Aktuell sind die Kühllager beinahe leer, was für die Teuerung sorgt. Krabben sind aber kurzlebige Tiere, sodass wir dem neuen Jahrgang in der nächsten Saison trotzdem gespannt entgegenblicken können.”

Auch Philipp Oberdörffer von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen bestätigt, dass der Krabbenfang Schwankungen ausgesetzt ist. „Nicht nur, dass die Krabbe einen meist einjährigen Lebenszyklus hat, sie ist außerdem Nahrungsgrundlage von sehr vielen anderen Tieren. Seit 2017 nehmen die Wittlingsbestände in der Nordsee zu, was Einfluss auf die Krabbenpopulation hat. In den Jahren davor waren die Fangmengen derart enorm, dass die Preise in den Keller gingen, so dass die Fangtour sich kaum lohnte. Konnten die europäischen Fischer 2018 noch einen Überschuss von Dreiviertel der durchschnittlichen Fangmenge, insgesamt 47.000 Tonnen, einholen, liegt die letzte Fangmenge unterdurchschnittlich bei schätzungsweise 16.000 bis 17.000 Tonnen.” Aber auch Oberdörffer bilanziert: „Der Krabbenfang unterlag schon immer Schwankungen und jede Saison ist eine neue Art Wundertüte”. Mit Blick auf den Klimawandel gibt er trotzdem zu bedenken: „Innerhalb der letzten 30 Jahre ist die Wassertemperatur der Nordsee um anderthalb bis zwei Grad Celsius gestiegen. Die eiertragenden Krabbenweibchen mögen die warmen Winter nicht, die Synchronität der schlüpfenden Eier wird dadurch gestört.“ Das alles sei aber noch kein Grund zur Sorge und er hofftauf zukünftige ertragreichere Fangsaisons.

Wer ein Getränk zum Krabbenbrötchen möchte, bekommt in der riesigen Fischauktionshalle ein Bier beim Frühschoppen mit gut gelauntem Konzert. So spielt an diesem Sonntagmorgen die Band Sixty-5 aus Elmshorn.

Die Band Sixty-5 aus Elmshorn gibt ein Konzert in der Fischauktionshalle des Hamburger Fischmarkts.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

In aller Herrgottsfrühe

Mit dieser Stimmung, die eher an einen Samstagabend auf dem Stadtfest erinnert, stellt sich die Frage: Wieso findet der Fischmarkt ausgerechnet zwischen 5.30 und 9.30 Uhr und nicht zu anständigen sonntäglichen Uhrzeiten statt?

Das Ganze hat einen geschichtlichen Hintergrund, der über 300 Jahre zurückliegt. Aufgrund der mangelhaften Kühlungsmöglichkeiten verdarben den Altonaer Fischern damals ihre Fänge von Samstag auf Montag, sodass sie bei der Stadt diesbezüglich Beschwerde einreichten. Die reagierte mit der „Magistratus Verordnung wegen der Fischer” am 2. Mai 1703. Hier wurde die Marktordnung festgelegt, inklusive der frühen Marktzeiten „bis die Uhr halbe 9 schlug”, damit einerseits der Fisch vor der Mittagshitze bei den Bürgern zu Hause war und anderseits die Fischer anschließend zum Gottesdienst gehen konnten.

Nach dem deutsch-dänischen Krieg 1715, bei dem Altona zerstört wurde, baute Oberpräsident Detlev Christian von Reventlow, der „Neugründer Altonas”, den Fischmarkt aus, sodass hier das Warenangebot, nicht mehr nur Fisch, sondern auch Obst und Gemüse, Fleisch, Wurst und vieles mehr, weitaus vielfältiger war, als auf den Märkten in der Umgebung. 1896 wurde auch der kathedralenähnliche Kuppelbau der Fischauktionshalle in Betrieb genommen.

Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Heute lockt der Hamburger Fischmarkt über eine Millionen Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an, die hier nicht nur das hanseatische Flair, sondern wie der französische Präsident das eine oder andere Fischbrötchen genießen wollen.

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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