Die jüdische Gemeinde Berlin feierte den Auftakt der jüdischen Kulturtage mit einem koscheren Streetfood Festival. Lebensmittelmagazin.de hat sich dort umgeschaut.
„Kann man angesichts der aktuellen politischen Situation jüdische Kulturtage abhalten und einfach weiterfeiern? Wir nehmen uns ein Beispiel am israelischen Unabhängigkeitstag, dem auch der Jom haZikaron vorausgeht, der Gedenktag für die Gefallenen der Feldzüge Israels und die Opfer der Akte des Hasses. Wir sagen ja und halten die Fahne weiter hoch, um die Vielfalt jüdischen Lebens zu zeigen”, erklärte Dr. Gideon Joffe, Präsident der jüdischen Gemeinde zu Berlin, auf der Eröffnung.
Koscheres Streetfood Festival: Erstmal was essen
Mit Blick auf die 37. jüdischen Kulturtage Berlin öffnete vergangenes Wochenende die Neue Synagoge in Berlin-Mitte ihre Tore zum dritten koscheren Streetfood Festival, um im Innenhof ihren Gästen Spaß und Unterhaltung für Groß und Klein, sowie ein reichhaltiges, buntes kulinarisches Angebot zu präsentieren. Über den Auftakt mit einem Streetfood Festival meint er: „Das ist wie an einem schönen Abend. Erst isst man gemeinsam was Nettes zusammen, und dann erlebt man Kultur.” Zum Essen gab es auf der Bühne Live-Musik, zum Beispiel von einer Brassband und einem Kinderchor. Berliner Gastronominnen und Gastronomen mit Abstammungen aus unterschiedlichen Ländern, etwa der Türkei, Japan, Usbekistan aber natürlich auch Israel, boten ihre Köstlichkeiten in 30 Buden an, zehn mehr als noch im vergangenen Jahr.
Ausgekocht und abgebrannt
Allen gemein war, dass das Speiseangebot koscher war. Das ist insofern spannend, als dass etliche der Restaurants in Berlin mit israelischer Küche nicht koscher vom Rabbi zertifiziert sind. Das kann möglicherweise bedeuten, dass sie nicht unbedingt die jüdischen Speisegesetze einhalten. Der Präsident der jüdischen Gemeinde erläuterte: „Der Ursprung aller jüdischen Speisegesetze, Kaschrut, ist das Verbot von Menschenopfern, das vor über 4.000 Jahren in nahezu allen Kulturen praktiziert wurde. Gott hielt Abraham davon ab, seinen Sohn Isaak zu opfern. Später kamen weitere Speisegesetze hinzu, etwa nach dem Auszug aus Ägypten.”
Um die vielen Büdchen für das Festival entsprechend vorzubereiten, musste der Rabbi mit seinen Helfern, den Maschgiachs, alles „koschern“. Am „Frag den Rabbi”-Stand erklärte Rabbi Shlomo Afanasev geduldig, was das konkret bedeutete. Sein Arbeitstag begann gegen 4 Uhr morgens. „Was man vorbereiten konnte, haben wir seit Anfang der Woche bereits gemacht”. So wäre der Sushistand bereits am Dienstag fertig gewesen. Sämtliches Geschirr musste behandelt werden, um zu gewährleisten, dass alle diese Dinge nicht mit nicht-koscheren Lebensmitteln in Kontakt kamen. Man denke dabei etwa an Fleisch, das nicht von rituell geschächteten Tieren stammt bzw. religiös unreinen Tieren wie etwa dem Schwein. Dafür mussten Oberflächen und Utensilien, wie Küchenmesser, zuerst geputzt und dann mit kochend heißem Wasser gereinigt werden. Außerdem mussten Öfen und Kochstellen bzw. Kochgeschirr ausgebrannt werden. Das bedeutete im Fall von Töpfen, dass sie bei 100 bis 150 Grad mit Wasser ausgekocht wurden. „Bei Grills müssen wir mit offenem Feuer bei glühend heißer Temperatur ran, sodass alle potenziell daran hängenden Fette und sonstige Stoffe weggebrannt werden“, betonte der Rabbi.
Auch wenn Gemüse und Kräuter unbedenklich sind, so mussten die Maschgiachs sie beispielsweise auf Insekten untersuchen, die sich darunter verirrt haben könnten. Dafür schauten sie sich das Waschwasser an, und dann wurde so lange gewaschen, bis alles rein war. „Für getrocknete Kräuter und Gewürze gilt dies allerdings nicht, die sind koscher”, meinte der Rabbi.
Das koschere Streetfood Festival in Berlin
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Streng getrennt
Ein weiteres prominentes Speisegesetz, dass in den Kontext fällt, ist die strenge Trennung von Milch und Fleisch, weswegen in der koscheren Küche auf geteiltes Geschirr und Arbeitsfläche geachtet wird. Aber wie ist das beim Verzehr von Milch und Fleisch, abgesehen davon, dass sie eben nicht zusammen verzehrt werden, wie beim Cheeseburger. Avi Toubiana ist Intendant der Jüdischen Kulturtage, er erläuterte: „Solche Gesetze werden zwischen den einzelnen jüdischen Gruppen unterschiedlich interpretiert. Ich bin sephardischer Jude und muss nach dem Verzehr von Milchprodukten eine Stunde warten, bevor ich Fleisch esse. Nach dem Verzehr von Fleisch muss ich allerdings sechs Stunden warten, bevor ich wieder Milch zu mir nehme.”
Allerlei Köstlichkeiten
Das wäre im Falle eines Malabi eine große Herausforderung gewesen: Den israelischen Milchpudding mit Kokosnuss, Rosenwasser, Granatapfelsirup und Pistazien hatten sich vor allem Kinder am Stand von Yahelis geholt. Beim Stand des Restaurants Maseltopf gab es unter anderem den israelischen Frühstücksklassiker Sabich, Pitabrot mit Ei, Gemüse und Tahini und passend zum sommerlichen Wetter Zitronen-Minz-Limonade.
Stand des Restaurants Maseltopf
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Dass die Verbundenheit der jüdischen Küche über den Nahen Osten hinausgeht, zeigten die Stände von Chaikhana, die mit zentralasiatischen Köstlichkeiten wie Plov, eine deftige Reispfanne, oder Manty, gefüllte Teigtaschen, das Speisenangebot bereicherten.
Plov (eine deftige Reispfanne) und Manty (gefüllte Teigtaschen)
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Dass koscher auch im alltäglichen Leben funktioniert, demonstrierten eindrucksvoll die Stände mit Donuts, Pokébowls und Sushi. Und auch das Seniorenheim Hannover war dabei – mit einer koscheren Currywurst mit Pommes.
Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de