Wir besuchen mit Kantine Zukunft die Erzeugerbetriebe in Brandenburg

Mit Kantine Zukunft auf Landpartie 

Das Kreuzberger Projekt Kantine Zukunft fährt ein- bis zweimal im Jahr mit Berliner Gemeinschaftsgastronominnen und -gastronomen raus nach Brandenburg zu den landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben. Lebensmittelmagazin.de folgte der Einladung zum Kälbchenstreicheln.

In der Ferne ist das Gewitter schon längst vorher abzusehen: wenige Augenblicke später regnet und donnert es und die Exkursionsgruppe der Kantine Zukunft trifft sich unter dem Blechdach der Fleischerei des Demeterhofs Kuhhorst in Brandenburg. Eine halbe Stunde lang erleben die Berliner Gastronominnen und Gastronomen Wolkenbruch über der Weide. Schwalben fliegen tief zwischen den Menschen hin und her und scheinen jedem einzelnen Tropfen auszuweichen.

Irgendwann holt Fleischer Helge – im Rammstein T-Shirt – einen Teller mit aufgeschnittener Knackwurst zum Verkosten. Zuvor beschrieb er den interessierten Besucherinnen und Besuchern, wie sie in der Baracke der ehemaligen Käserei heute zum einen Geflügel wie Gänse, Enten und Hühner schlachten sowie geteilte Rinder und Schweine verarbeiten. Alle zwei bis drei Wochen werde ein Rind geschlachtet und wöchentlich ein Schwein.

Knackwurst zum Verkosten.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Hauptstadtprojekt Kantine Zukunft

17 Millionen Menschen gehen bundesweit mittags zur Gemeinschaftsverpflegung. Das bedeutet, jeder fünfte nimmt sein Mittagessen in der Kita, in der Schule, in der Mensa oder Kantine ein.

Seit 2020 unterstützt das Projekt „Kantine Zukunft“ mit acht Coaches die Köche und Köchinnen in der Hauptstadt dabei, ein ökologisch nachhaltigeres und gleichzeitig gesundes Speisenangebot anzubieten. Finanzielle Förderung erhalten sie dafür vom Berliner Senat. Die ersten Kantinen, die mit Hilfe von Kantine Zukunft dem Wandel durchzogen, waren direkt die Mammutkantinen der Berliner Stadtreinigung, des Wasserwerkes und der Kitas der Arbeiterwohlfahrtsorganisation. 

Schmecken muss es trotzdem

Der Benefit für die Umwelt liegt vor allem beim Schwerpunkt auf saisonale und regionale Bioprodukte. Pressesprecherin Julia Ziemann erläutert dazu: „Die Umstellung kollidiert zwangsläufig mit dem hohen Preis für Biofleisch und -fisch beim zumeist eng kalkulierten Budget von Kantinen. Dementsprechend reduzieren wir den Fleisch- bzw. Fischanteil, möglicherweise sukzessive vom täglichen Anteil auf höchstens ein, zweimal die Woche.” 

Kantinen-Treff in der Trainingsküche von Kantine Zukunft.
Foto: Kantine Zukunft

Wichtig ist es für die Kochtrainerinnen und -trainer von Kantine Zukunft, den Gästen der Kantinen das vegetarische oder zumindest mit Gemüse angereicherte Gericht im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. „Insbesondere seit Corona und dem Homeoffice besteht die neue Herausforderung als Kantine, die Nachfrage in Konkurrenz zum heimischen Kühlschrank zu generieren”, meint Ziemann. Dafür bietet Kantine Zukunft eine Datenbank für seine teilnehmenden Kantinen, aus der sie Rezeptinspirationen für die Speisepläne ziehen können. Ein Schwerpunkt liegt auf alternativen Veggigerichten, die im besten Fall das Fleisch gar nicht vermissen lassen. „Wir haben beispielsweise ein Rezept für sogenannte Lagerfeuerwurst aus Räuchertofu, Kidneybohnen und Majoran. Schmeckt wie Leberwurst und die Kids stehen drauf,“ meint Ziemann. Im Herbst erscheint das erste Kochbuch von Kantine Zukunft unter dem vielversprechenden Titel „Currywurst und Grünzeug”.

Alles Kopfsache

Während bei Kindern in der Kita bis hin zu jungen Erwachsenen, beispielsweise in der Uni-Mensa, die Bereitschaft und Offenheit für vegetarisches Essen unproblematisch sei, wäre das Risiko der Abschreckung bei Erwachsenen, etwa in der Seniorenverpflegung, weitaus höher. Das liege aber nicht etwa am Geschmack, sondern in erster Linie am Mindset. „Wichtig ist, wie man es verkauft. Vegetarische Suppe klingt wesentlich negativer als Eintopf vom mediterranen Sommergemüse”, erklärt Julia Ziemann. 

Gerichte auf Basis von Getreide und Hülsenfrüchten bieten das bestmögliche Spektrum an Proteinen, womit man auch ernährungsphysiologisch auf bestem Posten sei. „In der Kita funktioniert beispielsweise Konfetti-Reis hervorragend, der neben Reis oder Gerste und Bohnen noch buntes geraspeltes Gemüse enthält.“

Kantine Zukunft nach Berliner Methode

Vorgabe für das Konzept der Kantine Zukunft ist die sogenannte Berliner Methode. Zusammengefasst bedeutet das eine überwiegend pflanzliche Kost, ohne Hilfsmittel verarbeitet, unter Berücksichtigung der Jahreszeiten und des regionalen Angebots. In Kindergärten meint das beispielsweise, dass nicht ganzjährig den Kindern Tomaten und Gurken, in Deutschland klassische Sommergemüse, als Snacks gereicht werden, sondern in der kalten Jahreszeit beispielsweise Möhren und Kohlrabi als entsprechendes Gemüse.

Ein Auszug aus der „Berliner Methode“ der Kantine Zukunft.
Screenshot von www.kantine-zukunft.de/berliner-methode

Als Hilfsmittel werden gekörnte Brühe oder Soßenbinder angesehen. „Auf die Mengen, die man in einer Großküche braucht, ist gekörnte Brühe ein teurer Posten. Hier können wir den Köchinnen und Köchen zeigen, dass rohes, püriertes Gemüse mit der dementsprechenden Menge Salz ebenso gut haltbar ist und als Gemüsebrühe verwendet werden kann. Auch der Soßenbinder ist letzten Endes ein Erfolgsprodukt des Marketings, nichts ist einfacher als eine Mehlschwitze”, gibt Julia Ziemann zu bedenken.

Landleben

Der Demeterhof Kuhhorst liegt im grünen Nirgendwo irgendwo bei Fehrbellin, die Schauspielerin Katja Riemann wohnt um die Ecke und ansonsten sagen sich hier Fuchs und Has gute Nacht. Demeter bedeutet, dass die Standards noch mal höher liegen als beim konventionellen Biolandbau. Kühe tragen noch ihre Hörner und haben die Möglichkeit auf der Weide zu grasen.

Zu Besuch auf dem Demeterhof Kuhhorst.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Über 90 Menschen arbeiten auf dem Hof, wobei die Mehrheit von ihnen körperlich oder geistig beeinträchtigt ist. Sie arbeiten im Rahmen von Werkstätten hier, manche wohnen auch auf dem Hof. Für viele von ihnen ist es gerade die Arbeit mit Tieren, die den Arbeitsplatz reizvoll macht. Apropos, 70 Schweine und 240 Rinder leben ebenfalls auf dem Hof. Bei den Rindern fokussiert es sich auf die Jungtierhaltung, die Milchwirtschaft wird zum Ende des Jahres aus wirtschaftlichen Gründen abgeschafft. 

In der Nacht wurde ein Kälbchen geboren, dessen Mutter allerdings Euterschwierigkeiten hat, so dass dem Kälbchen wohl die Handaufzucht bevorsteht. Unter den Besucherinnen und Besuchern gibt es vermutlich nicht wenige, die dem entzückenden Tierchen gerne zumindest kurzfristig ein liebevolles Heim geboten hätten.

Darüber hinaus stehen auf der Weide Hühnermobile mit je 350 Vögeln auf einer Fläche, die konventionell für 1000 Tiere vorgesehen ist. Die ausgewachsenen Tiere können unter freiem Himmel auf der Weide picken und scharren.

Alles wächst und gedeiht 

Auf 650 Hektar werden Kartoffeln angebaut und im überschaubaren Rahmen Obst und Gemüse, wie Kürbisse aber auch Paprika und Auberginen unter Folien. 

Auf dem Hof Kuhhorst wird vor allem im Rahmen von Kreislaufwirtschaft angebaut und gearbeitet, etwa das Viehfutter. Es gibt aber auch externe Kreisläufe, so findet das benutzte Stroh als Substrat für Pilze auf einem anderen Hof noch Verwendung.

Die landwirtschaftlichen Produkte wie Fleisch und Wurstwaren werden an die Gastronomie verkauft, im Onlineshop bzw. im Hofladen können auch Privathaushalte einkaufen. Langfristige Verträge mit den Gemeinschaftsgastronomien würden mehr wirtschaftliche Planungssicherheit für die Landwirte bedeuten. „Die regionalen Biolieferketten sind definitiv noch ausbaufähig. Hier Bewusstsein zu schaffen und Nachfrage zu generieren, ist wichtiger Teil unserer Arbeit“, gibt Julia Ziemann von Kantine Zukunft zu bedenken.

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert