Heute beginnen die Olympischen Spiele in Paris. Grund genug, einen Blick auf die französische Küche und ihre Highlights zu werfen.
Während in Paris die heilige Flamme entzündet wird, schließt in Berlin eine Institution des Savoirs Vivre für immer seine Tore: 28 Jahren war die Galeries Lafayette nicht nur Adresse für exklusive Mode und Accessoires, sondern auch kulinarischer Tempel mit allerlei Köstlichkeiten, die man sonst nur in Frankreich erhält. Doch was macht die französische Küche so besonders?
Gehobene französische Küche: La Haute Cuisine
Die französische Haute Cuisine, die gehobene Küche, ist auf den Einfluss von Catherine de Médici und ihren italienischen Köchen zurückzuführen, die im 16. Jahrhundert am Hof Tischsitten und feines aufwändiges Essen etablierte. Ebenso erwähnenswert ist Auguste Escoffier, der mit seinem Buch „Le Guide Culinaire“ das Standardwerk der modernen Haute Cuisine als Basis und Systematik mit all ihren Saucen, Garmethoden und Gängen verfasste.
Passend zu den fünf olympischen Ringen haben wir nachfolgend fünf gute kulinarische Gründe aufgelistet, um sich in den Zug in die Metropole an der Seine zu setzen.
Rouge ou blanc?
Auch wenn es nicht das Ursprungsland des Weinbaus ist, so gilt es vielleicht als das qualitativ bedeutendste Weinland. Man denke nicht nur an Champagner, sondern auch an die klassischen Spitzenweine aus dem Bordeaux oder Burgund. Zwar sieht man bei der Produktion einen rückläufigen Trend, dennoch gilt Frankreich zusammen mit Italien als größter Weinproduzent mit 48 Millionen Hektolitern im vergangenen Jahr.
Die Griechen brachten den Weinbau nach Marseille und legten hier Weinberge an. Die lokalen Kelten lernten zunächst von den Griechen und lagerten dann aber den Wein im Gegensatz zu den Griechen und später auch den Römern nicht in Amphoren, sondern schon in Holzfässern.
Wichtig für den französischen Weinbau war im Mittelalter Karl der Große. Mit Länderschenkungen vor allem an Klöster förderte er den Weinbau in seinem Reich, insbesondere um das Verständnis der Wichtigkeit des Terroirs (Beschaffenheit des Bodens auf dem die Weinreben wachsen) zu erhöhen. Die bekanntesten internationalen Rebsorten haben ihren Ursprung in Frankreich, wie Chardonnay, Sauvignon Blanc, Pinot Noir und Merlot. Während die Weingebiete in der Provence und des Longedoc-Rousillon im mediterranen Klima liegen und das Bordeaux am warmen Golf von Biscaya, sind die Regionen des Elsass und Lothringen vom kühleren Kontinentalklima geprägt. Dies sorgt unabhängig von Rebsorten für eine spannende Vielfalt im Weinangebot und lädt ein zum entdecken und vergleichen.
Stangenbrot für den Frieden
Neben Barrett, Matrosenshirt und filterlosen Gitanes gehört das Baguette zu den Klischee-Paraphernalia eines Franzosen, klassisch unter den Arm geklemmt. Ob das so der Realität entspricht, mag zweifelhaft sein. Tatsache ist, dass rund sechs Milliarden Baguettes pro Jahr verzehrt werden.
Auch hier ist der Ursprung im Unklaren, beziehungsweise lässt sich ähnlich dem Croissant nach Österreich zurückführen. So soll auch schon während der Französischen Revolution Brot als „Flute” verkauft worden sein. Populär wurde das Baguette unter anderem während des Pariser Metro-Baus um 1900. Zwischen den Bauarbeitern aus den verschiedenen Provinzen, insbesondere der Auvergne und der Bretagne, soll es regelmäßig zum Krach Untertage gekommen sein. Da jeder Bauarbeiter über ein gutes, scharfes Messer verfügte, mit dem man sich in den Pausen zur Mahlzeit eine Scheibe vom runden kompakten Brot runterschnitt, artete dieser Krach bisweilen in eine handfeste Messerstecherei aus. Um auf der Baustelle ein Messerverbot durchsetzen zu können, ordnete der Bauingenieur der Metro, Fulgence Bienvenüe, bei den Pariser Bäckereien an, das Brot, Grundnahrungsmittel der Bauarbeiter, nicht mehr rund, sondern lang bei gleichem Gewicht zu backen. So konnten sie es mühelos abbrechen. 1993 wurde dann durch einen Erlass die Herstellungsnorm für das „Baguette de tradition française“ festgelegt. Es wurde beschlossen, dass nur Weizenmehl, Wasser, Hefe oder Sauerteig und Salz zur Herstellung des Baguettes verwendet werden dürfen. Nur einige wenige Zusatzstoffe, wie Bohnenmehl oder Sojamehl, sind darüber hinaus in sehr begrenzten Mengen zugelassen. Inzwischen steht das Baguette auf der Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes.
Alles Käse
„Wie kann man ein Land regieren, das mehr als 365 verschiedene Käsesorten hat”, soll angeblich Charles de Gaulle so oder so ähnlich gesagt haben. 45 Käsespezialitäten davon genießen das AOP-Siegel, Appellation d’Origine Protégée. Roquefort, Blauschimmelkäse aus dem gleichnamigen okzitanischen Roquefort-sur-Soulzon erhielt die geschützte Herkunftsbezeichnung 1925 als erster Käse.
Schon bei Plinius in dessen Historia naturalis finden sich Verweise auf die Spezialität: Schafskäse, der mit dem in den lokalen Höhlen natürlich vorkommende Schimmelpilz Penicillium Roqueforti geimpft wird. Fast noch berühmter ist der Weißschimmelkäse Camembert, der nur als „Camembert de Normandie” geschützt ist. Als ursprünglich regionale normannische Spezialität soll Kaiser Napoleon III ihn landesweit populär gemacht haben. Hergestellt wird Camembert weltweit. Aber allein beim Vergleich zwischen dem französischen Original und seinem deutschen Pendant tun sich Welten auf. Während der Deutsche zart und mild genossen wird, entwickelt der Normanne mit der Zeit eine würzige Ammoniaknote. Ein literarisches Denkmal für französischen Käse hat Michel Houellebecq in seinem ironischen Werk „Unterwerfung” gebaut:
„Ihre Stimme veränderte sich leicht, ich merkte, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. >Ich liebe Frankreich!<, sagte sie mit erstickter Stimme. >Ich liebe, ich weiß nicht, ich liebe Käse!< >Ich hab welchen!< Wie ein Clown sprang ich auf, um die Atmosphäre aufzulockern, und suchte im Kühlschrank herum. Stimmt, ich hatte Saint-Marcellin, Comte und Bleu des Causses gekauft. Dazu öffnete ich eine Flasche Weißwein. Sie achtete gar nicht darauf.”
Aus „Unterwerfung” von Michel Houellebecq
Lässt sich daraus ein gänzlich anderes Verhältnis zum Käse zwischen den Nationen ableiten? Vielleicht …
Während die Deutschen ihr Käsebrötchen beim Frühstück zur Tasse Kaffee verzehren, wird in Frankreich nach dem Dessert eine mehr oder weniger opulente Käseplatte zum Abschluss eines Abendessens gereicht. Um etwaige interkulturelle Differenzen von vornherein zu vermeiden: Der unbekümmerte Käseanschnitt in Scheiben, wie hierzulande üblich, könnte Unmut verursachen. Das Käse-Schneiden in der französischen Küche entspricht hier mehr dem einer Torte.
Luxus-Hautgout
Wer Weinbergschnecken oder Froschschenkel als kulinarische Herausforderung betrachtet, der hat noch keine Andouillette gekostet. Beim Angebot sollte man darauf achten, dass diese besondere Wurst das Siegel „AAAAA” trägt, das Siegel der in den 60er Jahren von fünf Gourmetkritikern gegründete „Association amicale des amateurs d’andouillettes authentiques“. Ursprünglich stammt die Wurst aus Troyes in der Champagne, wird aber heute im ganzen Land hergestellt. Gegrillt und aufgeschnitten sieht sie wunderschön aus, zartrosa und feinblättrig wie die Blütenblätter einer Rose. Dafür haut der Geruch einen um, zwar nicht übermäßig penetrant, der Gedanke lässt aber an das Gegenteil von Essen denken. Dafür ist der Geschmack weitaus angenehmer. Innereien, vor allem Darm und feingeschnittener Magen vom Schwein, werden sorgfältig gereinigt und nur zurückhaltend gewürzt um eben dieses eigentliche Aroma zu unterstützen. Serviert wird sie zum Beispiel an edlem Mesclun, zartem Wildsalat und mit einer spezifischen Senfsauce mit Zwiebeln und Creme fraîche. Louis XIV und Napoleon Bonaparte sollen sie bereits genossen haben. Ihre erste offizielle Erwähnung war 1590, sie lässt sich aber möglicherweise bis zu den Gallo-Romanen zurückverfolgen.
Süß oder herzhaft
Zu guter Letzt noch etwas Süßes, das auch bei uns auf Kirmes und Weihnachtsmärkten heiß begehrt ist: Crepes, hauchdünn im Vergleich zum Pfannkuchen. Ihren Ursprung haben sie in der Bretagne. Dort heißen sie mit Buchweizenmehl gemacht Galettes. Eine schöne Tradition ist es, am 2. Februar, Mariä Lichtmess, genau 40 Tage nach Weihnachten, Crepes zu essen. Bis zur Feiertagsreform in den 1970er Jahren markierte dieser Feiertag das Ende der Weihnachtszeit und damit auch Ende des Winters. Der goldene Crepe soll dabei die baldige Wiederkunft der Sonne symbolisieren.
Als Kür eines formvollendeten Kellners kann die Zubereitung am Tisch von Crepes Suzette, Crepes in Orangensauce, gesehen werden. Die durch Grand Marnier hervorgerufene Stichflamme beim Flambieren ist ein garantierter Showeffekt. Ob es sich bei besagter Suzette um die Geliebte des britischen Königs Edward VII, eine Schauspielerin, oder doch um die Tochter eines amerikanischen Multimillionärs handelte, bleibt dabei im Dunkel der Geschichte verborgen.
Crepes können herzhaft aber auch zur kompletten Mahlzeit dienen, etwa mit Creme fraîche und Andouillette belegt, vorneweg ein paar Austern aus Cancale, dazu Cidre brut aus der für die Normandie typischen Tasse und das Ganze am besten in einem Restaurant in St. Malo mit Blick auf den Ärmelkanal. Essen wie Gott in Frankreich eben.
Artikel-Teaserbild (oben): RossHelen