Kühlschrank auf Wanderschaft

Bis zur Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ im September ist noch etwas Zeit, aber das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stimmt bereits jetzt auf das Thema Lebensmittelverluste ein – mit einem gewaltigen Kühlschrank auf Wanderschaft. Lebensmittelmagazin.de hat sich das in Berlin mal angeschaut.

Man könnte Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür tadeln, dass er in der prallen Sommerhitze einfach die Kühlschranktür offenlässt und damit kein gutes Vorbild in Sachen Energieverschwendung ist. Aber es ist ja für den guten Zweck. Von Mitte August bis in den November wandert der Riesenkühlschrank durch die Bundesrepublik, mit der Absicht, Verbraucherinnen und Verbrauchern Tipps und Informationen rund um die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung im Alltag zu vermitteln.

Der Riesen-Kühlschrank gegen Lebensmittelverschwendung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Der Riesen-Kühlschrank gegen Lebensmittelverschwendung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Weniger Lebensmittelabfall

Das erklärte Ziel von Özdemir ist, die Lebensmittelverluste „bis zum Jahr 2030 zu halbieren.” Rund 60 Prozent der rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle stammen laut BMEL aus Privathaushalten. Darunter fällt allerdings auch schwer Vermeidbares, wie Kartoffelschalen und Kaffeesatz, wobei letzterer ja hervorragender Rhododendron-Dünger sein soll. Der Kühlschrank als Kühl- und Lagerort für Lebensmittel ist dabei zentraler Dreh- und Angelpunkt. Wie bei vielen Haushalten üblich ist die Außenseite des XXL-Kühlschranks dekoriert mit hilfreichen Tipps. Im Inneren können Verbraucherinnen und Verbraucher Best-Practice-Beispiele sehen, wie sie ihre Lebensmittel optimal im Kühlschrank lagern. Neben dem Kühlschrank sitzen im Berliner Gleisdreieckpark die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Verbraucherzentrale, beantworten Fragen von Interessierten und verteilen Broschüren und Gimmicks.

Drei Säulen

Sie erklären die drei Säulen im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung zu Hause:

  1. vorher planen
  2. optimal lagern
  3. Reste verwerten

Zur optimalen Planung gibt es einen Einkaufszettelblog zum Mitnehmen. Vielleicht ist es rein subjektiv, aber liegt dieser nicht im Zweifelsfall doch meistens zu Hause vergessen auf dem Tisch? Wichtiger sei vor dem Einkauf auch, sich einen Überblick über bereits vorhandene Lebensmittel zu verschaffen, um zu vermeiden, doppelt einzukaufen. Außerdem sollte man im Zweifelsfall vor dem Einkaufen eine Kleinigkeit essen, um sogenannte Hungerkäufe zu vermeiden, die auch gut ins Geld gehen können. Sollte sich wider Erwarten doch der ein oder andere Joghurt noch im Kühlschrank befunden haben, verteilen die Damen der Verbraucherzentrale pinke Sticker, die optisch, beispielsweise auf älteren Joghurtbechern, aus dem Kühlschrank hervorstechen sollen, damit diese nicht vergessen, sondern zuerst verbraucht werden. „Das ist vor allem in WGs sinnvoll, wo meistens ja doch irgendwie alle durcheinander einkaufen”, gibt Judith Schryro von der Verbraucherzentrale zu bedenken.

Gespräche unter Lebensmitteln im Kühlschrank

Ausgesprochen witzig ausgearbeitet haben die Zuständigen im Auftrag des Bundesministeriums die Frage, was überhaupt in den Kühlschrank gehört: Wenn Apfel und Blaubeeren miteinander diskutieren, welche Gase (Ethylen) der Apfel absondert, die das andere Obst und Gemüse schneller reifen und vergammeln lassen. „Es geht nicht darum, mal eine verdorbene Blaubeere zu erwischen, da passiert nichts, aber wenn man über längeren Zeitraum regelmäßig beispielsweise verschimmeltes Obst und Gemüse zu sich nimmt, können die Gifte zu Leber- und Nierenschäden führen”, erklärt die Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale. Früher hätte man Schimmel großzügig abgeschnitten – davon sieht man heute ab, da schwer einzuschätzen sei, inwiefern sich weiterer Pilzbefall im Lebensmittel bereits unsichtbar verbreitet hat, auch bei Marmeladen zum Beispiel.

Geschichten auf Knopfdruck.
Geschichten auf Knopfdruck.
Fotos: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Unmittelbare Gefahr kann wiederum vom Verzehr von Lebensmitteln mit abgelaufenem Verbrauchsdatum ausgehen. Den Dialog dazu führen Frischkäse und Hackfleisch. Der Frischkäse hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum, also eine garantierte Qualität bis zu eben jenem Datum, kann aber darüber hinaus möglicherweise noch verzehrfähig sein. Hier bietet es sich an, bei abgelaufenem Datum zuerst den Frischkäse genau anzuschauen, zu riechen und zu probieren, um über die Qualität zu entscheiden. Bei empfindlichen Lebensmitteln, wie Meeresfrüchten, Fisch oder rohem Fleisch sollten diese bei abgelaufenem Verbrauchsdatum nicht mehr verzehrt werden. Die bakterielle Entwicklung kann schädlich sein, lange bevor man etwas riecht oder sieht.

Gummimöhrchen

Apropos Haltbarkeit, die Besucherinnen und Besucher haben die Gelegenheit, hier am Beispiel des XXL-Kühlschrank nachzuvollziehen, wo genau was am besten hinkommt. Abgesehen von den bereits erwähnten Äpfeln, raten die Expertinnen ab, wasserreiches Obst und Gemüse wie Gurken und Tomaten im Kühlschrank zu lagern, da sie hier schneller verderben. Auch exotische Früchte bevorzugen eher die Wärme außerhalb des Kühlschranks. Eine schöne wichtige Information ist z. B. auch über Möhren, die ja sehr schnell gummiartig werden, diese entweder direkt im Wasser stehend zu lagern oder im Kühlschrank in ein feuchtes Tuch eingeschlagen. „Auf jeden Fall auch raus aus der Plastikverpackung”, rät Judith Schryro. Wenn die Möhren bereits gummiartig sind, sollte man sie in jedem Fall in Wasser einlegen, damit man sie noch weiterverarbeiten kann.

Gekochte Speisen am besten im obersten Fach im Kühlschrank aufbewahren.
Gekochte Speisen am besten im obersten Fach im Kühlschrank aufbewahren.
Fotos: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Das Beste für die Reste

Damit Gerichte nicht in den Müll wandern, plädieren die Expertinnen dafür, eine Reste-Esskultur mit Mehrweggeschirr zu etablieren. Besonders heißer Tipp, die Pizza, die gestern Abend zu viel war und übrigblieb, wird trocken in der Pfanne erhitzt noch mal besonders knusprig. „Der Tipp funktioniert auch, wenn die Pizza vom Lieferservice bereits zu kalt angekommen ist”, empfiehlt die Expertin von der Verbraucherzentrale.

Der XXL-Kühlschrank des BMEL: Unterwegs in ganz Deutschland.
Der XXL-Kühlschrank des BMEL: Unterwegs in ganz Deutschland.
Fotos: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Der XXL-Kühlschrank blieb übrigens nur wenige Tage in Berlin, ausgerechnet zur allerbesten Ferienzeit, bevor er nach Halle an der Saale weiterreiste. Die nächsten Stationen im Überblick:

  • Saarbrücken (27.-30.8.)
  • Mönchengladbach (4.-7.9.)
  • Mainz (9.-12.9.)
  • Lüneburg (16.-19.9.)
  • Bonn (27.-30.9.)
  • Nürnberg (8.-11.10.)
  • Erfurt (14.-17.10.),
  • Chemnitz (November)

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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