Ist kultiviertes Fleisch die Lösung für die Herausforderungen der modernen Fleischproduktion? Prof. Dr. Mark Post von der Universität Maastricht sprach dazu auf dem Ernährungskongress des Lebensmittelverbands Deutschland. Prof. Post gilt als Pionier auf dem Gebiet des kultivierten Fleisches.
Komplexe Lösungen
„Ich liebe Fleisch, sehe aber auch Probleme”, erklärte Prof. Post. “Der Fleischkonsum und die Fleischproduktion steigen weltweit an, insbesondere in Asien und Afrika.” Er wies darauf hin, dass Fleisch ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung sei, aber auch ressourcenintensiv sein kann. Faktoren wie Treibhausgasemissionen und Landnutzung müssten berücksichtigt werden. Neben landwirtschaftlichen Innovationen könnte kultiviertes Fleisch eine Lösung darstellen.
Was ist kultiviertes Fleisch?
Kultiviertes Fleisch werde aus tierischen Stammzellen gezüchtet. „Wir entnehmen Muskel- und Fettzellen von Tieren und lassen sie in Bioreaktoren wachsen“, erläuterte Post. Diese Zellen vermehrten sich und bilden Muskel- und Fettgewebe, ohne dass ein Tier dafür geschlachtet werden müsse.
Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür war der erste kultivierte Hamburger, den Prof. Post 2013 präsentierte. „Dieser Burger kostete uns damals 250.000 Euro“, erinnerte er sich. „Doch er zeigte, dass es möglich ist, Fleisch ohne Tierhaltung zu produzieren.“
Vom Petri-Schälchen in den Supermarkt
Trotz technologischer Fortschritte stehe kultiviertes Fleisch noch vor Hürden. „Derzeit liegt der Preis für kultiviertes Fleisch bei etwa 1.700 Euro pro Kilogramm“, gab Post zu bedenken. „Wir arbeiten daran, die Kosten zu senken, indem wir teure pharmazeutische durch günstigere und gängigere Inhaltsstoffe ersetzen.“ Zudem betonte er die Notwendigkeit neuer biotechnologischer Verfahren, um die Produktion effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Geschmack ist alles
Ein zentraler Aspekt sei die Qualität des kultivierten Fleisches. „Unsere Muskel- und Fettzellen können Gewebe bilden, das dem von herkömmlichem Fleisch sehr ähnlich ist“, so Post. Durch bestimmte Prozesse könne sogar der Fettgehalt und die Fettsäurezusammensetzung beeinflusst werden, um den Geschmack zu optimieren. „Unsere Tests zeigen, dass das kultivierte Fett inzwischen eine ähnliche Fettsäurezusammensetzung wie tierisches Fett aufweisen kann.“
Die Einführung von kultiviertem Fleisch stoße auf gemischte Reaktionen. „Als wir den ersten kultivierten Burger präsentierten, gab es viele emotionale Reaktionen“, berichtete Post. „Viele sagten ‚Igitt‘, ohne es probiert zu haben.“ Er betonte jedoch, dass solche Reaktionen bei neuen Lebensmitteln nicht ungewöhnlich seien und verwies auf etablierte Produkte wie Weißwurst, deren Herstellung den meisten Konsumenten ebenfalls unbekannt sei.
Ein Blick in die Zukunft
Prof. Post war optimistisch, dass kultiviertes Fleisch einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Ernährung leisten kann. „Wir benötigen Zeit und Investitionen, um die Technologie zu skalieren und die Kosten zu senken“, sagte er. „Aber die potenziellen Vorteile für Umwelt, Tierwohl und globale Ernährungssicherheit sind enorm.“
Auch die Rolle der Landwirte könnte sich wandeln. „Landwirte sind am Ende Unternehmer“, betonte Post in der Diskussion, die an seinen Vortrag anschloss. „Es gibt Projekte, bei denen Bauern Teil der Produktionskette für kultiviertes Fleisch werden könnten.“ Dies könnte neue Einkommensquellen eröffnen.
Artikel-Teaserbild (oben): Sandra Ritschel