Er ist duftig-fluffig und ist der Stolz kulinarischer Handwerkskunst Italiens: Lebensmittelmagazin.de hat sich auf dem Berliner Panettone-Festival umgeschaut.
Was dem Franzosen seinen Bûche de Noel, dem Deutschen sein Christstollen, ist dem Italiener der Panettone. „Der Pane Di Antonio war ursprünglich ein süßes Brot, das sich im Laufe der Jahrhunderte weiterentwickelte und mit Spezialitäten angereichert wurde”, erklärte Giorgio Mecca, Teamchef der deutschen Panettone-Nationalmannschaft.
Viel Halligalli um Panettone
Am ersten Advent stieg in der Arena in Berlin-Treptow das Panettone & Friends Festival vom italienischen Netzwerk True Italian, bei dem sich nicht nur Berliner Konditorinnen und -Konditoren mit mehr oder weniger engem Bezug zur Panettone trafen, sondern auch extra italienische Panettone-Spezialisten auf den weiten Weg machten. Zum herzhaften Ausgleich erwarteten die Besucherinnen und Besucher außerhalb der Halle winterliche Spezialitäten wie Trüffel-Gnocchi bei Mani in Pasta. Und während Kinder Weihnachtsplätzchen dekorieren konnte, sorgte zu vorgerückter Stunde der Kreuzberger KiezChor für weihnachtliche Stimmung.
Foto: True Italian
Fluffig und saftig statt trocken und zäh
Gemeinsames Ziel aller Panettonebäckerinnen und -bäcker war es, den Weihnachtskuchen als exklusives Produkt stolz zu feiern, dass man laut einhelliger Meinung am besten direkt in der traditionellen Handwerkskonditorei erwirbt.
Vielleicht hat bereit der eine oder die andere schlechten Erfahrungen mit im Lebensmittelhandel erworbenen Panettone gemacht, der sich nach Öffnung der oftmals pompösen Verpackung als ausgesprochen trockene Angelegenheit entpuppt, die beim Essen eher immer mehr im Mund wird, statt weihnachtliche Freude zu verbreiten. Die auf dem Festival verkosteten Exemplare standen im krassen Gegensatz dazu: fluffig, eine Konsistenz wie Zuckerwatte und mit saftigen Fruchtstückchen.
Foto: True Italian
Yogi-Panettone und royale Variante
Besonders gut aufgelegt war Federico Fuser von Panettone Fede aus dem Trentin, der als Ingenieur, Yogi und Skilehrer gearbeitet hat und nun als Konditor seine Leidenschaft für das italienische Weihnachtsgebäck entdeckt hat. Für ihn kommt es vor allem auf die Qualität bei der Auswahl der Rohstoffe an. Außer den Rosinen, die er aus der Türkei und Australien wählt, stammen die verwendeten Zitrusfrüchte beispielsweise aus Italien. Als Ingenieur war er besonders stolz darauf, die Maschine zum kandieren eigenständig entwickelt und gebaut zu haben. Fast so wichtig wie die Auswahl der Zutaten sei die Verwendung eines guten, eigenen Sauerteiges – auf Italienisch Lievito Madre – als alleiniges Backtriebmittel. Er verwendet also keine Hefe.
Foto (links): True Italian, Foto (rechts): Fede The Star Shaper
Jeder Panettonebäcker und jede Panettonebäckerin kultiviert diesen für sich selbst, indem er oder sie den Teig täglich mit Wasser und Mehl versorgt. Dabei herrscht bei allen die feste Überzeugung, dass so ein Sauerteig über lange Zeiträume hinweg vor allem geschmacklich, aber auch von der Leistung her immer besser wird. Solche „Familienmitglieder“ bekommen mitunter dann auch einen eigenen Namen. So pflegt Federico Fuser seinen Sauerteig auch schon über lange Zeit, seit seinem Abschluss als Meisterbäcker der Accademia maestri del lievito madre e del Panettone.
Bäckermeister Luca Diana von der Pasticceria im Pordenone, Friaul-Julisch-Venetien brachte eine besondere Variante des Panettone mit, den sogenannten Pan de Rei, Königskuchen, der traditionell am 6. Januar zu Heilige Drei Könige serviert wird. Der Pan de Rei ist anders als der Panettone nicht hoch und kuppelförmig, sondern eher ein flacher Gugelhupf, quasi eine Königskrone. Das besondere an ihm sind seine intensiven Gewürze, neben Ingwer, Orangen und Feigen sind das Muskatnuss, Zimt, Sternanis und Nelken. Als Besonderheit wurde dieser für das Festival mit Vollkornmehl gebacken. Erfreulicherweise sorgte dies nicht dafür, dass der Pan de Rei weniger fluffig war als die übrigen Panettone.
Fotos: True Italian
Gut Ding will Weile haben
Wie aufwendig und welche Schritte genau von Nöten sind, um die italienische Weihnachtsköstlichkeit unter Umständen selber zu backen, konnte man in der Masterclass der deutschen Panettone-Mannschaft „erlernen” oder zumindest nachvollziehen. Denn immerhin zieht sich die Produktion über drei Tage und laut Teamkapitän Giorgio Mecca fängt eine sinnvolle händelbare Menge erst ab 48 kg an.
Fotos: True Italian
Tags zuvor hatten die Herren einen ersten Vorteig zubereitet, auch „Biga“ genannt. Dieser wird durch das Mischen von backstarkem, glutenreichen Mehl, Wasser und einem Teil des Lievito Madre angesetzt. Dieser Vorteig muss für etwa zwölf Stunden fermentieren, um die Entwicklung von Geschmack und Struktur zu fördern.
Mehl mit Ansprüchen
Auch wenn die Panettonebäcker der Masterclass allesamt auf Mehl von der italienischen Marke „Le Sinfonie“ schworen, der das Festival neben dem italienischen Süßwarenhersteller Babbi sponserte, finden geneigte deutsche Hobbybäckerinnen und -bäcker dementsprechendes Mehl eher nicht im deutschen Einzelhandel. Hier kann aber die Internetseite https://www.mein-mehl.de/getreide/muehlenkarte gegebenenfalls weiterhelfen.
Danach wurde der Vorteig mit weiteren Zutaten wie Mehl, Zucker, Eiern und Butter vermengt. Der Teig wurde dabei mit vollen Einsatz beider Arme kräftig geknetet, um die glutenreiche Struktur zu entwickeln, die den Panettone später locker macht. Laut den Herren wäre die wichtigste Zutat dabei Zeit und Leidenschaft. Der Teig sollte nun für sechs bis acht Stunden ruhen, um aufzugehen. Diese erste Gehzeit sei entscheidend, damit der Teig das richtige Volumen und die gewünschte Struktur erhält.
Mit Fingerspitzengefühl
Der Teig wurde noch einmal durchgeknetet und mit weiteren Zutaten wie Butter, Zucker, Honig und wahlweise Vanille, Zitrone oder Orange, beziehungsweise Zedratzitrone, eine typisch italienische Spezialität, verfeinert. Die getrockneten Früchte wie Rosinen und kandierte Früchte, oder auch Nüsse oder Schokolade wurden auf besonders gefühlvolle Art und Weise, die sogenannte Pirlatura – nur mit Fingerspitzen – in den Teig eingearbeitet. Das sorgt einerseits dafür, dass die Stückchen gut verteilt sind und dabei kaum herausschauen. Andererseits wird dadurch die besonders fluffige Struktur geformt.
Foto: True Italian
Bäcker Giorgio bemerkte noch bezüglich der Zutaten: „Schokoladen-Panettone ist am kompliziertesten. Die Schokolade muss zuvor gewässert werden, damit die Panettone nicht so trocken wird.”
Der Teig wurde anschließend in höhere, spezielle Panettone-Backformen gefüllt und durfte theoretisch erneut für weitere sechs bis acht Stunden gehen, bis dass er eine kleine Kuppel gebildet hätte. Eine Muffinform durch übertretenen Teig wäre dabei auf gar keinen Fall gewünscht. Die Umgebungstemperatur dürfte grundsätzlich dabei nicht über 26 Grad Celsius liegen, sonst ginge der Teig zu schnell.
Vor dem Backen bekommt der Panettone eventuell noch eine Glasur aus Eiweiß und Mandel, die nach dem Backen für Glanz sorgt. Der Ofen muss eine konstante, niedrige Temperatur von etwa 140-160 Grad Celsius haben, da der Panettone langsam und gleichmäßig backen muss, um nicht zu verbrennen.
Danach ist der Panettone aber noch lange nicht fertig: damit der Panettone nach dem Abkühlen nicht zusammensackt, wie Kuchen das üblicherweise schon mal so macht, wird der Panettone aus dem Ofen genommen und am Boden mit einer Art großen Art Gabel durchstoßen. Daran hängt er für weitere zwölf Stunden kopfüber, um die Struktur nicht zu zerstören und die Form zu stabilisieren. Was für ein Aufwand – aber immerhin mit geschützter Ursprungsbezeichnung, der auch die Diskrepanz beim Preis von Panettone aus dem Supermarkt und dem vielfachen davon beim Konditor oder der Konditorin erklärt.
Foto: GioMecca Pastry
Deutscher Panettone, aber deftig
Die Bäcker der deutschen Panettone Nationalmannschaft verrieten: Bei aller Hingabe zur Tradition hatten sie bei der letzten Weltmeisterschaft einen deutschen Panettone entwickelt, der wohl auch gut angekommen war bei der Jury. Die deutschen Zutaten bestanden dabei aus Rotkohl, Bergkäse und Bauchspeck; herzhafter Panettone, klingt ungewöhnlich aber köstlich!
So ein großer Panettone sollte laut den Expertinnen und Experten gemeinsam mit Familie und Freunden verzehrt werden. Dabei entspräche es der Tradition, den Weihnachtskuchen zunächst kreuzweise einzuschneiden bevor man ihn dann verteilt. Außerdem empfahlen sie den Panettone vor dem Verzehr für eine halbe Stunde bei 50 Grad im Backofen etwas anzuwärmen. „Dadurch wird die Butter wieder weich und verleiht dem Panettone zusätzliche Geschmeidigkeit”, erklärten sie. Na denn, köstliche Feiertage!
Artikel-Teaserbild (oben): Fede The Star Shaper