Husten, Schnupfen, Heiserkeit, was gibt es besseres bei einer Erkältung als eine heiße Schüssel Hühnersuppe? Lebensmittelmagazin.de besucht dafür ein paar Restaurants in Berlin.
Hauptsache Nüdelchen
Mitten im Kreuzberger Wrangelkiez liegt das Restaurant „Zum Heiligen Teufel” – Cucina Italiana. Antonio di Santo serviert hier italienische Küche, mit berlinerischem Twist. Hier trifft Tomate auf Schokolade zum Aperitif und schwarzer Trüffel geht mit Misopaste, um italienische Klassiker weitere Dimension zu verleihen.


Fotos: CoBell Cosimo Bellanova
Hühnersuppe heißt in Italien Pastina. Das Wort leitet sich aber eigentlich von den kleinen Nüdelchen als Suppeneinlage ab, die vor allem von den Kindern bisweilen auch ohne Suppe, nur mit ein bisschen Parmesan gegessen werden. „Lokale Spezialität zum Beispiel sind Tortellini in der Emilia Romagna, die in der Pastina so klein sind, dass sieben Tortellini auf einem Esslöffel passen müssen, so sagt man”, meint Antonio di Santo. Gefüllt sind diese Tortellini klassisch mit Fleisch, eine feine Farce auf Basis von Rind, Schwein, Parmaschinken, Parmesan und Mortadella, dafür nimmt man dessen Endstücke.
Ansonsten seien ähnlich wie hierzulande Sternchen, Buchstaben, kleine Muscheln etc. in der Suppe üblich. Etwas unüblicher, bzw. auf Sardinien üblich ist der Einsatz von Fregola – Pastakügelchen, ähnlich wie Couscous, die zwischen den Händen gerollt erstmal getrocknet und dann geröstet werden für den besonderen Geschmack.
Aber es gibt auch handgemachte Suppennudeln, wie sie beispielsweise in Antonios Heimat Apulien beheimatet sind, sogenannte Millenfranti, aus dünn ausgerolltem Eiernudelteig mit Petersilie, der zuerst getrocknet wird, um anschließend entweder in kleine Stücke gebrochen oder zerschnitten zu werden. „Dafür nimmt man oft übrig gebliebene Teigabschnitte, zur Resteverwertung”, erklärt der Pugliese.
Knolle oder Stange?
Hühnersuppe ist aber nicht nur ein winterliches Erkältungshausmittel mit Reiseinlage, ein paar Tropfen Olivenöl und Parmesan, sondern in Italien auch fester Gang in Festtagsmenüs an Ostern wie Weihnachten, ganz traditionell am 25. Dezember zum Mittagessen. Für solche besonderen Anlässe nimmt man dann beispielsweise einen Kapaun, einen kastrierten Hahn, der eine feine, von Natur aus gelbe Suppe ergibt. Dazu gibt es eine schwarz geröstete Zwiebel, gespickt mit ein bis zwei Nelken. Während man in Deutschland für die Suppenbasis normalerweise Knollensellerie verwendet, ist es in Italien gang und gäbe mit Stangensellerie zu kochen. So würzt man die Suppe noch mit Petersilienstängel sowie frischem Lorbeer und ein bisschen frische Tomate, besonders intensiven Umami-Geschmack verleiht mitgekochte Parmesanrinde. „Um den gesamten Geschmack aus Fleisch, Karkassen und dem Gemüse herauszuziehen, wird vor dem Kochen der kalte Ansatz für 24 Stunden in die Kühlung gestellt. Außerdem wird er ein zweites Mal angesetzt und aufgekocht. Danach ist das Gemüse total ausgelaugt und schmeckt nach nichts mehr,“ beschreibt Antonio. Wenn die Suppe fertig ist, lässt man sie stehen, damit die Trübstoffe sich am Boden absetzen. Klären mit Eiweiß würde auch viele Geschmacksstoffe rausziehen.
Nicht von schlechten Töchtern
Im Helmholtzkiez des Prenzlauer Bergs liegt das Restaurant “Osmans Töchter”. Die Gastgeberinnen Lale Yanik und Arzu Bulut servieren ihren Gästen vor allem Meze, kleine türkische Köstlichkeiten, die hervorragend zu einem Glas Wein oder zu dem türkischen Anisschnaps Raki passen. Meze sind kalte und warme Vorspeisen, wie gefüllte Weinblätter oder Cremes zum Dippen wie Tarama aus Kaviar. „Das machen wir hier wie in der Türkei, jeder bestellt was und man stellt es in die Mitte zum Teilen. So kann man sich je nach Tischgröße durch vielleicht vier oder sechs Gerichte durchprobieren, statt wie hier sonst landläufig üblich jeder sein eigenes Gericht verzehren.“


Fotos: Restaurant „Osmans Töchter“
Suppen haben in der türkischen Küche einen ganz hohen Stellenwert und sind bei Gästen im gesetzten Menü und auf den Speisekarten in Lokantas unverzichtbar. „Nach dem Partymachen geht man frühmorgens zur Çorbaci, einer Suppenküche, und stärkt sich dann an einer Suppe. Wobei man hier eher Linsen- oder Kuttelsuppe bekommt als Hühnersuppe,” erzählt Arzu. Ihre Familie stammt aus einem Dorf in der Nähe von Erzurum, ganz im Osten Anatoliens. „Gegen Erkältungen gab es aber eher Joghurtsuppe, Ayran Çorbasi. Hühnchen war zu teuer. Das gab es eher zu besonderen Gelegenheiten, so alle drei Monate etwa. Wir lebten eher von dem, was uns die Tiere gaben, also Eier und Milch und haben daraus Joghurt und Käse beispielsweise gemacht.” Lale wiederum stammt aus dem heutigen Nordmazedonien. Dort wuchs sie in einem kleinen Haus mit Gemüsegarten auf, wo ihre Eltern selber viele Hühner gezüchtet hatten und Hühnchen so alle Tage auf den Tisch kommen konnte.
Wenn’s schön macht
Für die beiden Frauen muss die Brühe kräftig nach Huhn schmecken. Dafür nehmen sie ein ganzes Suppenhuhn mit Haut und Knochen, und zwar ausschließlich, Gemüse kommt erst später als Einlage dazu. Arzu schwärmt: „So eine Suppe sollte schon Fettaugen haben und die Knochen geben Kollagen, das soll schön machen.” Die Frauen erinnern sich: „Entweder hat das Huhn in der Brühe stundenlang vor sich hin geköchelt oder, damit es schneller ging, im Schnellkochtopf. Anschließend zupft man das Fleisch von den Knochen und dann brät man Zwiebelchen in etwas Öl an, gibt Karotten, Lauch und Kartoffeln dazu und gießt die Brühe für die Suppe an. Sellerie als Gemüse kannten unsere Eltern damals eigentlich nicht.”
So groß wie die Türkei ist, etwa doppelt so groß wie Deutschland, so vielfältig sind auch Kultur und Küche. Unter den vielen Rezepten wird beispielsweise Hühnersuppe auch gebunden serviert. Dafür wird etwas Mehl zusammen mit Eigelb in Joghurt gerührt und damit dann die Suppe legiert. Serviert wird sie dann mit einem Klecks flüssiger Butter, in dem vorher Salça oder edelsüßer Paprika eingerührt wurde. „Salça, Paprikamark, ist die türkische Antwort auf Currypaste, die als Zutat in sehr viele Gerichte, wie Suppen und Eintöpfe, reinkommt.“
Aus dem Reich der Mitte
Suppen wie Hühnersuppe spielen auch in der chinesischen Küche eine wichtige Rolle und werden auch in der traditionellen chinesischen Medizin zur Stärkung eingesetzt, nicht nur nach der Erkältung, sondern auch beispielsweise nach der Geburt zur Stärkung der erschöpften Mutter.
Das Restaurant “Ming Dynastie“ steht für authentisches chinesisches Essen und liegt gegenüber der Botschaft der Volksrepublik China am Spreeufer mit Blick auf die Jannowitzbrücke. Gekocht wird vor allem Szechuanküche, die in erster Linie scharf und ölig ist, bekannt ist hier etwa der betäubend-scharfe Szechuan-Pfeffer. Auf der Speisekarte findet man unter anderem auch Hühnersuppe.

Foto: Ming Dynastie Jannowitzbrücke
Der freundliche Kellner erklärt dazu: „Frische ist in der chinesischen Küche sehr wichtig. Auf den Märkten werden die Tiere lebendig verkauft und dann vor Ort geschlachtet. Auch legen wir Wert darauf, dass alle Teile verwertet werden. Beim Suppenhuhn würden wir in China, anders als hier erhältlich, auch den Kopf mitauskochen.“
Als die Suppe serviert wird, ist sie überhaupt nicht scharf, sondern hat einen schönen, satten Umami-Geschmack; reichhaltig mit vielen Fettaugen und sogar eine leichte Süße, die von den Goji-Beeren und kleinen chinesischen Pfläumchen kommt, die in der Suppe schwimmen. Das wichtige ist aber die Menge an Fleisch, die man in der Suppe findet: in mundgerechte Stücke gehackte Hühnerkeule, sowie in Streifen geschnittenen Schweinemagen, der für ein besonderes Kauerlebnis sorgt.
Artikel-Teaserbild (oben): Shaiith – elements.envato.com