Im rheinischen Neuss findet man eine Institution aus der Welt der Gewürze. Lebensmittelmagazin.de nutzt die Gelegenheit und unterhält sich im Geschäft über Pfeffer.
Mitten in der Neusser Innenstadt hält die Gewürzmühle Engels seit über 100 Jahren eine immense Vielzahl an Gewürzen aller Arten und Spezialitäten für ihre Kundschaft bereit. „Als mein Urgroßvater 1919 mit dem Geschäft begann, hatte er 40 Gewürze im Sortiment. Aus einer Bäckerfamilie stammend konnte er den Beruf nicht ausüben. Stattdessen stellte er Gewürzmischungen, beispielsweise für Honigkuchen, für Bäckereien und Metzgereien zusammen. Das Rezept für Honigkuchen hat sich bis heute erhalten. Und in der naheliegenden Metzgerei Matzner wird auch heute wieder das ursprüngliche Bratwurstgewürz für die Engel-Wurst verwendet“, erzählt Marcus Freistühler, der zusammen mit seiner Frau Manja das Geschäft seit über 30 Jahren leitet. Zuvor hatte die Großmutter das Geschäft zum Einzelhandel umgebaut. Während sich Manja Freistühler als ausgebildete Gewürzsommeliere für die Kulinarik und kreative Auseinandersetzung mit neuen Produkten verantwortlich zeichnet, ist ihr Mann, mit seinem durch die Erfahrung angereichertem Fachwissen, Koryphäe über die Vielzahl an Gewürzen. „Heute wird in Deutschland die größte Auswahl an Gewürzen denn je angeboten. Außerdem ist Deutschland zweitgrößter Gewürzimporteur nach den USA. Hinzu kommt dass in Deutschland 99,5 Prozent der Gewürze gereinigt, so wie verarbeitet und aufbereitet wieder weiterverkauft werden“, meint Marcus Freistühler.
In fast allen Farben
Bis unter die Decke gefüllt ist das charmante Ladenlokal mit Gewürzen, Kräutertees und Feinkost. Heute fällt das üppige Pfeffer-Sortiment ins Auge: Über 30 Sorten führt die Gewürzmühle. „Über 1.400 Arten umfasst die Gattung der Pfeffergewächse. Für uns am wichtigsten ist der Piper nigrum. Sein Geschmack ist vollmundig scharf, ohne beispielsweise das dem Chili immanente beißend-adstringierende. „Unsere Urgroßeltern kannten nur weißen Pfeffer“, führt Manja Freistühler aus. Das sind die reifen Beeren deren rotes Kambrium, die Außenschale durch Lagerung im fließenden Gewässer abgeschält wird – volles Aroma reifer Beeren – aber: „Bei weißem Pfeffer besteht die Gefahr von Fehlaromen – Kuhstallgeruch, wenn der weiße Pfeffer nicht richtig getrocknet wurde“, erklärt Marcus Freistühler. „In den 60er bis 70er Jahren kam der Wechsel: weißer Pfeffer fand vor allem noch in hellen Speisen seinen Einsatz, schwarzer Pfeffer hingegen hatte sich etabliert – zur Freude der Bauer – liegt der Ertrag bei der Ernte bei weißem Pfeffer bei 25 Prozent, bringt schwarzer satte 35 Prozent.“ Schwarzer Pfeffer, dessen Kern aber hell ist, ist das Ergebnis getrockneten grünen Pfeffers, dessen unreife grüne Schale sich durch Fermentation Schwarz färbt. „Grünen Pfeffer haben wir erst seit den 60er Jahren, als der Chefkoch des Pariser Nobelrestaurants Tour d’argent grünen Pfeffer an der Rispe von einer Reise aus Santo Domingo mitbrachte und diesen bei einer Entenfarce einsetzte. Die Pariser Hautevolee war davon begeistert“, berichtet die Gewürzsommeliere. „Die Herausforderung, unreifen Pfeffer in seinem grünen Zustand zu belassen, mit seiner kräuterig-scharfen Note, wurde über Jahrzehnte durch das Einlegen in Lake gelöst.“ Manja Freistühler lacht: „Auf alles kam Pfefferrahmsoße mit grünen Pfefferbeeren“. Inzwischen gäbe es aber alternative Möglichkeiten die Enzyme auszuschalten, beispielsweise durch Dämpfung. Allen, die einen unkomplizierten, facettenreichen Pfeffer möchten, empfehlen die Inhaber der Gewürzmühle Engels ihre bunte Pfeffermischung. Die süßlich-aromatische Rosa-(Pfeffer)Beereübrigens gehört botanisch nicht zum Pfeffer, sondern entstammt einem südamerikanischem Sumachgewächs.
Zu besonderen Gelegenheiten
„Darüber hinaus bieten wir eine Vielzahl von exotischen Spezialitäten, mit denen man nicht unbedingt jeden Tag kocht, sondern sich bei besonderen Gelegenheiten dran erfreut. So gibt es beispielsweise einen Milchsäure-fermentierten Pfeffer, der so in seiner Struktur zu weich für die Mühle wäre. Abgesehen davon gibt es noch Spezialitäten von alternativen Pfeffersträuchern, wie Kubebenpfeffer, der einen kleinen Stiel hat und eine interessante Kampfernote, Szechuanpfeffer, dessen Zitrusaroma hervorragend zu chinesischem Essen passt. Um unsere Kunden zu animieren, sich auf kulinarische Experimente einzulassen, haben wir davon extra kleinere Packungen abgefüllt“, erklärt Marcus Freistühler. Eine Besonderheit, sei der betäubend-scharfe tasmanische Pfeffer, der Gerichte in Verbindung mit Säure wunderbar rot färbe.
Vorher oder nachher?
Auf die Frage, wann man beispielsweise sein Steak idealerweise pfeffert, antwortet Manja Freistühler: „Das hängt ganz davon ab, was man bevorzugt. Vor dem Garen zu pfeffern, kann rauchige Aromen hervorbringen, danach zu pfeffern verleiht dem Gericht einen frisch-scharfen Geschmack“. So salomonisch diese Antwort ist, so eindeutig kam die nächste auf unsere Frage: Pfeffer gemahlen? „Von unseren älteren Kundinnen und Kunden würden wir keine Umstellung erwarten, aber generell empfehlen wir am Tisch frisch zu mahlen, denn der Geschmack fertig gemahlenen Pfeffers verfliegt innerhalb weniger Monate“, erklärt Manja Freistühler.
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